Sturm im Wasserglas: Land regelt angebliches Problem der Kuchensteuer in Schulen

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STUTTGART. Dürfen Kinder und Eltern auch künftig steuerfrei auf Basaren und Schulfesten Kuchen verkaufen? Diese Frage erhitzte zuletzt die Gemüter. Nun hat das Land Baden-Württemberg die leidige EU-Vorschrift übersetzt. Zuvor hatte allerdings schon die Brüsseler Kommission davor gewarnt, „päpstlicher zu sein als der Papst“.

Viel Aufregung um wenig. Foto: Shutterstock

 

Wenn Kinder oder Eltern bei Schulfesten selbst organisiert Kuchen verkaufen, sind die Erträge auch künftig von der Umsatzsteuer befreit. Die Schule als Teil des Staats darf dabei nicht als Verkäufer auftauchen. Das ist die neue Richtschnur, auf die sich die Landesregierung verständigt hat. Das Land setzt damit entsprechende europarechtliche Vorschriften um, die von Anfang 2023 an gelten sollen. Das bedeutet aber auch: Wenn Schüler zum Beispiel jeden Samstag auf dem Wochenmarkt Gebäck verkaufen, müssen sie – wie jetzt auch schon – bei einem Ertrag von mehr als 22.000 Euro im Jahr wie ein kleines Unternehmen auch Steuern zahlen.

Die Frage war: Verlieren Bäcker dadurch an Geschäft? 

Die Frage, ob künftig Kinder und Jugendliche, die für ihre Klassenreise oder einen guten Zweck Kuchen verkaufen, Steuern zahlen müssen, hatte zuletzt für einige Aufregung vor allem an Schulen gesorgt. Im Kern ging es um die Frage, ob an öffentlichen Einrichtungen Leistungen erbracht werden, die auch ein privater Dritter erbringen könnte. Das heißt übersetzt: Wenn etwa Eltern für ein Schulfest Kuchen backen, der dann verkauft werden soll, hätte den auch ein Bäcker liefern und damit Geld verdienen können. Die EU will mit ihrer Mehrwertsteuerrichtlinie verhindern, dass private Unternehmer im Wettbewerb benachteiligt werden.

Gewerkschaft freut sich: Engagement darf nicht ausgebremst werden

Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Regelung positiv. Es sei vorbildhaft, wie sich Schülerinnen und Schüler mit Eltern und Lehrkräften engagieren. «Das darf nicht ausgebremst werden», sagte Monika Stein, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). «Ob die Erlöse aus einem Sommerfest oder einem Kuchenverkauf auf dem örtlichen Marktplatz für die Ukraine gespendet oder für die Finanzierung der nächsten Klassenfahrt verwendet werden: Es muss klar sein, dass die neuen Regelungen das zulassen.» Schule sei nicht nur Lernen, sondern Feste, Konzerte und andere Aktionen gehörten zu einem guten Schulalltag dazu.

Wie ist es mit Fördervereinen an Schulen?

Viele der 4500 Schulen im Land haben einen Förderverein, über den viele Sammelaktionen laufen. Auch hier gilt: Es darf nicht im Namen der Schule laufen und nicht regelmäßig sein, sodass Erträge von mehr als 22 000 Euro im Jahr auflaufen. Denn dann würden Steuern fällig.

Land und Kommunen stehen noch vor einem Berg Arbeit

Mit der Regel für die Schulen hat das Land aber längst noch nicht alles geregelt, was sich durch die EU-Vorschriften ergibt. Denn alle staatlichen Stellen im Land, Ministerien, Kommunen und eben auch Schulen müssen theoretisch ab nächstem Jahr Mehrwertsteuer zahlen. Der Gemeindetag hatte zuletzt beklagt, man werde Monate brauchen, um die eigenen Abläufe auf steuerliche Relevanz zu überprüfen. So müssten Bauhöfe, Hallen- und Freibäder und vieles mehr intensiv geprüft werden.

Aus Brüssel kamen zuvor schon beschwichtigende Töne

„Wenn eine Landesregierung so etwas macht, ergibt sich das nicht aus den ursprünglich auf EU-Ebene beschlossenen Regeln, sondern aus der strengen Umsetzung einer EU-Richtlinie in Deutschland“, so meinte der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, Jörg Wojahn, zur Aufregung in Baden-Württemberg um das Thema Kuchenverkauf: „Ein klassischer Fall von Goldplating. Oder, auf gut Deutsch, päpstlicher sein als der Papst.“ Anders ausgedrückt: Die Landesregierung wäre selbst Schuld, wenn sie Umsatzsteuer auf gelegentlich verkauften Schulkuchen erheben lässt. News4teachers / mit Material der dpa

Bürokratie-Monster: Ist beim Kuchenverkauf in Schulen bald die Steuerpflicht zu prüfen?

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5 Kommentare
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Realist
1 Jahr zuvor

Und wieder ein Erfolg der grün-roten Landesregierung, der das Versagen bei Corona, den Ukraine-Flüchtlingen und bei der Inklusion natürlich mehr als wettmacht.

Es wäre schön, wenn unsere Medien über solche Erfolge viel öfter berichten würden, anstatt immer nur negative Stimmung zu verbreiten. Ich schlage „Kuchenfeste“ an jeder Schule in B-W vor, um der Landesregierung angemessen zu huldigen.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Natürlich „grün-schwarze“ Landesregierung. Macht heutzutage aber eh keinen Unterschied mehr…

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Kuchenfeste ?? In der Schweiz ist derlei schon untersagt, nicht wegen der Steuer, sondern weil der darin enthaltene Zucker als ungesund gilt:
https://condorcet.ch/2022/05/wer-will-sich-das-schullager-noch-antun/
Wohin man auch blickt: Regelungswut und Bevormundung.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Danke für den Link!

Der Text zeigt sehr gut, dass der Regulierungswahnsinn, der die Schulen mittlerweile erfasst hat. keine anektdotische Skurrilität einzelner seniler Lehrkräfte („Früher war alles besser!“) ist, sondern dass es sich um einen internationalen Trend handelt.

Solch ein Text sollt jedem vorgelegt werden, der leichtsinnigerweise heutzutage noch auf die Idee kommt, ein Lehramtsstudium aufzunehmen. Nicht, dass jemand meint, er oder sie sei nicht gewarnt worden. Für diejenigen, die dann trotzdem noch Lehrer werden wollen, ist wahrscheinlich sowieso Hopfen und Malz verloren…

Aber die Mehrheit der geistig gesunden Studienanfänger erkennt die Wahnwitzigkeit des Berufsbildes mittlerweile und sagt sich: „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Cayman Islands? Alter Hut. Die Kuchensteuer-Oase im tiefen Südwesten, dorthin verschiebt man heute seine Millionen.