Lehrermangel: Rechnungshof rät, Lehrer-Anträge auf Vorruhestand ein Jahr lang liegenzulassen

25

RUDOLSTADT. Die obersten Finanzprüfer erinnern den Freistaat Thüringen bei der künftigen Haushaltsplanung an eine simple Binsenweisheit: Es kann nur das Geld ausgegeben werden, das auch eingenommen wird. Gespart werden soll: beim Digitalpakt Schule. Zur Bekämpfung des Lehrermangels hat der Landesrechnungshof noch einen weiteren Ratschlag parat: Anträge auf Vorruhestand sollten einfach ein Jahr lang liegengelassen werden.  

Lehrkräfte sollen erst später in den Vorruhestand gehen dürfen – meint der Landesrechnungshof. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Der Thüringer Rechnungshof hat angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage und des Ukraine-Kriegs die Landesregierung vor überzogenen Ausgabewünschen gewarnt. Der Freistaat müsse 2023 eine größere Ausgabendisziplin zeigen als bisher, sagte die neue Präsidentin des Thüringer Rechnungshofs, Kirsten Butzke, die am Montag in Rudolstadt erstmals den Jahresbericht der Behörde vorlegte. Die Schuldenbremse sei ernst zu nehmen und Ausnahmesituationen dürften nicht als Einfallstor für sonstige Ausgabewünsche missbraucht werden.

Bereits vor der Pandemie überstiegen bei der Aufstellung des Landesetats die geplanten Ausgaben die erwarteten Einnahmen. Die Lücke konnte nur durch einen Griff in die allgemeine Rücklage geschlossen werden. Die Mittel der Rücklage dienten aber der Vorsorge für besondere Situationen, sagte Butzke. Die Ausgabenwünsche seien daher auf das Notwendigste zu begrenzen und müssten sich an den zur Verfügung stehenden Einnahmen orientieren.

Zugleich mahnte sie zur Vorsicht bei den während der Mai-Steuerschätzung prognostizierten Mehreinnahmen in Höhe von 474 Millionen Euro für das laufende Jahr. Das sei eine Momentaufnahme in Zeiten größter Unsicherheit mit steigender Inflation und Zinsen. «Man sollte das Fell nicht verkaufen, bevor der Bär erlegt wird.»

Die Finanzprüfer rügten, dass Gelder veranschlagt werden, die dann ungenutzt in der Kasse blieben. Förderprogramme, die über mehrere Jahre hintereinander nicht im geplanten Umfang in Anspruch genommen werden, gehörten auf den Prüfstand. Butzke nannte als Beispiel 2021 nicht abgerufene Landesgelder aus dem Digitalpakt Schule in Höhe von 28,8 Millionen Euro.

«Da liegt ganz viel Potenzial brach, um Arbeitszeit von Lehrkräften für die Absicherung von Unterricht zu nutzen»

Außerdem empfahlen die obersten Finanzprüfer im Kampf gegen den Lehrermangel einen späteren Vorruhestand für Beamte. Die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands mit 62 Jahren werde derzeit von zwei Dritteln aller verbeamteten Lehrkräfte genutzt, sagte Butzke. Die Situation spitze sich mit dem hohen Altersdurchschnitt der Lehrer weiter zu. Von den 14.400 Lehrkräften in Thüringen sei jeder Fünfte älter als 60 Jahre.

«Angesichts der Vielzahl von Mangelfächern oder fehlenden Lehrern in bestimmten Gegenden ist es nicht nachvollziehbar, dass das Bildungsministerium dringend gebrauchte Pädagogen einfach ziehen lässt», so hatte Butzke bereits vor Wochen in einem Interview erklärt, wie News4teachers berichtete.  Auch dass Lehrern in Thüringen ab 55 Jahren Unterrichtsverpflichtungen erlassen werden, sei die bundesweit großzügigste Regelung. «Da liegt ganz viel Potenzial brach, um Arbeitszeit von Lehrkräften für die Absicherung von Unterricht zu nutzen», sagte Butzke. 

Gingen die potenziell berechtigen Lehrkräfte erst ein Jahr später – also mit 63 Jahren – in den Vorruhestand, könnten im nächsten Jahr rund drei Viertel der 240 voraussichtlich nicht zu besetzenden Stellen ausgeglichen werden, so heißt es jetzt. Das Land hatte vor zehn Jahren die Altersgrenze für den Vorruhestand auf 62 Jahre gesenkt. Im Bund und in den meisten anderen Bundesländern ist das erst mit 63 Jahren möglich.

Die Anhebung der Altersgrenze könne dadurch geschehen, dass Anträgen auf Vorruhestand aus dienstlichen Gründen erst später stattgegeben werde, empfahl der Rechnungshof. Aufgrund der demografischen Entwicklung solle die Anhebung der Altersgrenze für den Vorruhestand für alle Beamtengruppen geprüft werden, so die Empfehlung. News4teachers / mit Material der dpa

Zweifel daran, dass sich mehr Lehrer lohnen: Landesrechnungshof drängt auf größere Klassen

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

25 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Pit2020
1 Jahr zuvor

„Anträge auf Vorruhestand sollten einfach ein Jahr lang liegengelassen werden.“ 

So kommt man über’s Schuljahr weiter.

Eine richtungsweisende Einstellung mit Vorbildfunktion? 😉

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Man könnte Vieles ein Jahr liegen lassen, um den Grad der Wertschätzung hahahaha (‚tschuldigung, das passiert mir öfter bei dem Wort, hab da schon so viel Lustiges erlebt bei), also den Grad der du-weißt-schon-was auszudrücken. Zum Beispiel könnte man sich selbst mal ein Jahr liegen lassen, gähn.

Und übrigens, meine Oma hatte dazu immer den Spruch: „Was du nicht willst, das man dir tut, den Scheiß lass sein.“ Muss ich jetzt nicht näher erläutern, oder?

Last edited 1 Jahr zuvor by Dil Uhlenspiegel
Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

@Dil Uhlenspiegel

Omas haben oft unendliche Weisheit …

Mary-Ellen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Oma for president….. äh, KuMi.

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Ja, meine Zeugnisse bleiben dann auch einfach mal ein Jahr liegen.

Die werten Leute sollten sich lieber mal fragen, warum alle so schnell wie möglich raus wollen!!!

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Hmmm, wie es wohl bei „Vater Staat“ ankommt, wenn man seine Anliegen, die er in schöner Regelmäßigkeit an seine „Kinder“ ranträgt, auch einfach mal ein Jahr lang liegenlassen würde….Steuerklärungen, Bußgeldbescheide, Informationen zur neuen Grundsteuererhöhung (hier zeigt sich aktuell in NRW die unfassbare Inkompetenz des staatlichen Systems, indem die Erhebungsplattform Elster durch den erwartbaren Ansturm an Informationen gestern mit lauten Getöse zusammengebrochen ist) , Verlängerungen von Gültigkeiten benötigter Papiere usw. Usf.

Wir alle wissen, mit welcher Akribie „Vater Staat“ darauf achtet, dass seine Anforderungen fristgerecht – am liebsten bereits immer bereits Vorgestern erfüllt werden sollen….wenn es aber darum geht, dass er erwartbare Fristen einhält, dann lösen sich diese Pflichtgefühle in fade Ausreden und im Extremfall sogar in staatliche Maßnahmenandrohungen auf.

Wir überlegen einmal ganz kurz, was es für uns Bürgerinnen bedeutet, einer staatlich gesetzten Frist nicht zu entsprechen (wie gesagt – aktuell die Grundsteuerinformationen über das nicht funktionierende Elster) – und da wissen wir , dass „Vater Staat“ ohne jeglichen Akzeptanzspielraum seine verwalterische Autorität ausspielen würde – mit Androhung und Verhängung von Zwangsgeldern, gegen die man quasi keine wirksamen Einspruchsmöglichkeiten hat.

Ein völlig ungerechtes Missverhältnis zwischen staatlichen Ansprüchen und einer staatlichen Dienstleistungsethik am eigenen Bürger, der / die verfassungsgemäß Souverän dieses Staates ist.

Kleines Alltagsbeispiel:
Termin beim Straßenverkehrsamt zur Anmeldung eines neu erworbenen KFZ – dauert in einigen Städten und Kreisen bis zu 8 Wochen…ein Auto, das ohne Anmeldung und demnach ohne Versicherung im öffentlichen Verkehrstaum abgestellt wird, weil man es nicht angemeldet bekommt – nach Ablauf von 10 Tagen aus dem Verkehrsraum kostenpflichtig entfernt. Für Menschen in großstädtischen Ballungsräumen, wie z.B. Berlin, Hamburg, München, dem Ruhrgebiet kann das zu einer Aufgabe werden, wie auch der Hauptmann von Köpenick sie nur durch eine handfeste Straftat durchbrechen konnte. „Keine Arbeit oder Ausreise ohne Papiere – keine Papiere ohne Arbeit.“

Von einer staatlichen Instanz nun öffentlich eine Aufforderung zu lesen, berechtigte BürgerInnenanliegen einfach mal ein Jahr lang liegen zu lassen, damit es dem Staat weniger Probleme (die er selber zu verantworten hat) bereitet – das ist ein Schlag in das Gesicht eines Jeden / einer Jeden, der / die immer noch gewillt ist, den gemeinschaftlich vereinbarten Regeln zu folgen.

Dann leckt uns doch einfach am Arsch!!

…oder wie es bei Detlef Buck so schön heißt:
„WIR KÖNNNEN AUCH ANDERS!“

Last edited 1 Jahr zuvor by Andre Hog
dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

ELSTER wird für alle Bundesländer von der bayrischen Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt und betrieben. Kurze Lederhose, knappe IT-Ressourcen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Das Elster-Desaster ist doch eher ein Beispiel für die wunderbare Digitalisierung. Behörden und Unternehmen machen es sich bequem, die einfachen Leute sollen dann mit den diversen elektr. Formularen und Plattformen kämpfen. Wer’s dann nicht schafft, soll sich blöd vorkommen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

SOFORT krank melden – dann Antrag stellen.

Ich bin fassungslos, wie kreatief Mitarbeiter:innen sein können, wenn es um „Unheil angerichtet“ geht.

Sollte lieber sein: „Unheil verhindert“ – aber das können nur die Wheaslies….. und natürlich Harry. Und Bruce Willis.

Ich muss da mal was loswerden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ich finde die Wortschöpfung „kreaTIEF“ hier auch sehr passend im Übrigen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Danke

Ich kann auch mit Niveau und ohne Niewo

Carsten60
1 Jahr zuvor

Gemach, gemach, im Rest Deutschlands ist diese Vorruhestandsregelung auch erst mit 63 Jahren möglich. Warum soll das in Thüringen anders sein? Mit 62 ging das mal früher, in der guten alten Zeit, so vor ungefähr 50 Jahren, als die SuS noch nicht so heterogen waren und Schule noch möglich war.

Noch 5 Jahre
1 Jahr zuvor

Ich kenne einige Kolleg:innen in HE, RLP, NRW, die noch gewartet hätten, aber angesichts solcher Szenarien und der Möglichkeit der Aussetzung zugesagte Regelungen so schnell wie möglich Altersteilzeit beantragen bzw. auf andere Art die Biege machen.
Bei uns haben inzwischen Studenten im 2. Semester volles Deputat mit Klassenleitung und fachfremden Unterricht in Hauptfächern.
Rette sich, wer kann, ist da die Devise.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Noch 5 Jahre

Au weia!

Lera
1 Jahr zuvor

Lehrerverbände empfehlen:

Anträge immer zwei Jahre früher stellen als geplant.

Lächerlicher Kindergarten.

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Ich wollte 1 Monat vor dem offiziellen Renteneintritt mit 65 Jahren 9 Monaten (leider Ende August 2021) in den Ruhestand gehen.

Da ich zu wenige Fehltage hatte und mit dem Antrag 1 Woche zu spät war, keine Chance! Also weiterarbeiten bis zum 31. Januar 2022 (5 Monate nach Renteneintritt, das ist bei Lehrern normal!) Ich habe dann noch mal für 6 Monate verlängert, weil ich meine 2. und meine 4. Klasse nicht zum Halbjahr im Stich lassen wollte.

Fast alle Lehrer müssen eh länger arbeiten, da sie bis zum Ende des Halbjahres, das auf den Eintritt des Ruhestandes erfolgt, unterrichten müssen. Bei mir also 5 Monate länger!

Wer also mit 63 Jahren x Monaten in den vorgezogenen Ruhestand gehen will, soll wirklich vorher gaaaanz viele Fehltage anhäufen.

Quartett
1 Jahr zuvor

OT:
@Redaktion
Sollte es nicht Rudolstadt heißen?

TaMu
1 Jahr zuvor

Den Spruch sollte man unbedingt auch mal auf einem Flugzeug-Banner über eine belebte Ferienregion ziehen!

Ich muss da mal was loswerden
1 Jahr zuvor

Das verrückte dabei: dieses Vorgehen („einfach mal ein Jahr liegen lassen„) wird sicher allgemein als „best practice“ bei deutschen Behörden gesehen.

CoronaLehren
1 Jahr zuvor

Einfach mal die nächste Abschlussprüfung auch ein Jahr liegen lassen!

Hirschlgruber
1 Jahr zuvor

Wo liegt das Problem? Wird der Antrag liegengelassen, erscheint man zum Dienst, bereitet nichts mehr vor und lässt die Kinder gewähren. Meine Wette, nach nicht einmal einer Woche stehen die Eltern bei der Schulleitung auf der Matte. Was passiert nun?
SL: „Wieso unterrichten Sie nicht?“
ich: „Kann nicht mehr, wollte deshalb in den Vorruhestand. Bin einfach verbraucht.“
SL: „Das geht so nicht!“
ich: „Doch. Hab‘ den Antrag nicht zum Spaß gestellt.“
SL: „Dann müssen Sie zum Amtsarzt.“
ich: „Gerne!“
SL: „Es muss dann über Ihre Zwangsverrentung nachgedacht werden.“
ich: „Will ich ja!“

Ich kenne mich Thüringen nicht aus, doch sollte es ähnlich wie in BaWü laufen, so hätte die dann zwangsverrentete Lehrkraft höchstwahrscheinlich auf diese Weise mehr Pension, als bei freiwilligem Ausscheiden. In BaWü gilt, dass bei einer Zwangsverrentung 50% der noch anstehenden Dienstjahre bis zu regulären Ausscheiden auf die Pension angerechnet werden. Hat jemand Kenntnis, wie es in anderen Bundesländern geregelt ist?

Folgen diesem Beispiel nur genügend Lehrkräfte, wird dieser Vorschlag ganz schnell in der Versenkung verschwinden. Lediglich das Pflichtgefühl für die Schüler müssten wahrscheinlich die meisten Lehrkräfte dafür überwinden.

Ich_bin_neu_hier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hirschlgruber

„Lediglich das Pflichtgefühl für die Schüler müssten wahrscheinlich die meisten Lehrkräfte dafür überwinden.“ – Da dürfte bei den meisten Lehrkräften in der Tat das Problem liegen – bei vielen Lehrkräften kollidieren ja diese Herausforderungen der „schönen neuen Schulwelt“ ausgesprochen schmerzhaft mit persönlicher Einsatzbereitschaft und pädagogischem Pflichtgefühl aus vergangenen Zeiten.

Küstenfuchs
1 Jahr zuvor

Einfach eine großartige Idee: Mache einen Job, in dem starker Mangel herrscht, einfach mal unattraktiver. Das wird das Problem sicher lösen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Küstenfuchs
Ich
1 Jahr zuvor

Offensichtlich sind noch immer zu viele Lehrer auf dem Markt …. in welchem Alter sind die Entscheider dieses Unsinns, ich denke mal, sie gehören nicht zur älteren ausgebrannten Legrergeneration ….
Viel Spaß bei der Suche nach neuem Lehrpersonal … dürfte schwierig werden ….