Pensionierte Lehrerin wegen geplanter Lauterbach-Entführung verhaftet

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KARLSRUHE. Die sogenannten «Reichsbürger» erkennen die Institutionen der Bundesrepublik nicht an. Oft zahlen sie deshalb keine Steuern. Eine Mittsiebzigerin aus diesem Milieu soll gemeinsam mit mehreren Männern geplant haben, Karl Lauterbach zu entführen.

Sollte entführt werden: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: Karl Lauterbach

Im Zusammenhang mit der mutmaßlich geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Bundesanwaltschaft eine ältere Frau wegen Terrorverdachts festnehmen lassen. Die Frau habe eine übergeordnete Stellung im administrativen Teil jener staatsfeindlichen Gruppierung innegehabt, die im April aufgeflogen war, teilte die Behörde am Donnerstag in Karlsruhe mit.

So machte die Deutsche der Mitteilung zufolge unter anderem Vorgaben, um die Pläne der Gruppierung voranzutreiben und zu koordinieren. Sie sei beim Besorgen von Waffen und Sprengstoff eingebunden gewesen, habe wiederholt eine rasche Umsetzung des Vorhabens eingefordert und konkrete Terminvorstellungen genannt. Sie soll zudem mit potenziellen Vereinigungsmitgliedern Rekrutierungsgespräche geführt haben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist sie eine pensionierte Lehrerin. Die 75-jährige Theologin soll 2006 aus dem Schuldienst ausgeschieden sein.

Beamte des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz und der sächsischen Polizei nahmen die Beschuldigte den offiziellen Angaben zufolge am Donnerstag im Landkreis Mittelsachsen fest und durchsuchten Räume. Ein Haftrichter entschied am Nachmittag, dass die Frau in Untersuchungshaft kommt.

«Hierzu war geplant, einen bundesweiten „Black Out“ durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen»

Sie verfolge eine Ideologie, die das Grundgesetz und die staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehne, hieß es. Vielmehr existiere nach diesen Vorstellungen das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Vier mutmaßliche Komplizen, allesamt Deutsche aus Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz), Falkensee bei Berlin sowie aus den Kreisen Ammerland (Niedersachsen) und Landshut (Bayern), waren am 13. April festgenommen worden. Knapp zwei Wochen später übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen.

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Die Gruppierung hatte es sich laut Bundesanwaltschaft zum Ziel gesetzt, bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. «Hierzu war geplant, einen bundesweiten „Black Out“ durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen», hieß es. Zudem sollte Minister Lauterbach entführt werden, wobei die Tötung von Personenschützern im Raum stand. Die Vereinigung untergliederte sich demnach in einen «militärischen» und einen «administrativen» Zweig.

Der nun festgenommenen ehemaligen Lehrerin war aufgrund ihres «Reichsbürger»-Gedankenguts das Ruhegehalt aberkannt worden, wogegen sie sich vergeblich juristisch zur Wehr setzte. Im vergangenen März scheiterte ihre Klage vor dem Oberverwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen war sie Ende Oktober 2021 Teil einer Gruppe, die eine Andacht im Berliner Dom gestört hatte. Laut einem Bericht des rbb von damals waren dabei unter anderem antisemitische Parolen gerufen worden. Gegen die Frau und ihre Gesinnungsgenossen wurde ein Hausverbot ausgesprochen.

«Wer die Tötung von Menschen nicht nur in Kauf nimmt, sondern konkret plant, muss hart bestraft werden»

Die sächsische Linke-Politikerin Kerstin Köditz, die im Landtag regelmäßig Anfragen zu Reichsbürgern stellt, warf den Behörden im Freistaat vor, die Szene sträflich zu unterschätzen. «Reichsbürger erwarten eben nicht nur den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung Deutschlands, sondern wollen diesen selbst herbeiführen. Wir sehen in diesem Zusammenhang mit großer Sorge das Anwachsen der Reichsbürger- Szene in Zusammenhang mit dem aktuellen Demonstrationsgeschehen und der Zunahme ihres Einflusses darin.» Zugleich verlangte Köditz vom sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) einen Maßnahmeplan, um die Szene zurückzudrängen.

Sachsens SPD-Chef Henning Homann, der im Landkreis Mittelsachsen lebt, sprach von einem enorm wichtigen Ermittlungserfolg. «Wer die Tötung von Menschen nicht nur in Kauf nimmt, sondern konkret plant, muss hart bestraft werden. In unserer pluralistischen Gesellschaft müssen sich die Menschen sicherfühlen können – egal, ob Bundesminister oder Normalbürger. Dort, wo Gewalt beginnt, endet die Toleranz.» News4teachers / mit Material der dpa

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9 Kommentare
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TaMu
1 Jahr zuvor

Gut, dass es langsam politisch durchdringt, dass nicht jede ältere Dame in unauffälligem Alltagsoutfit auf den Demonstrationen seit 2020 nur Gutes im Schilde führt.

streamer01
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

War schon sehr beeindruckend wie die betagte Dame nicht einmal ohne Probleme aus dem Hubschrauber steigen konnte. Ich nehme einmal an, dass das Fluchtfahrzeug ein Rollator sein sollte.

Die Story ist einfach nicht ernst zu nehmen und ist wahrscheinlich nur wieder eine politisch wie medial aufgeblasene Ente – Über den Staatsumsturz mit einem Luftgewehr muss ich heute noch lachen.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  streamer01

An das Luftgewehr – Geschwader musste ich auch gerade denken. Wenn ein entführter Politiker die megagefährliche Entführerin allerdings mit einem Schups zur künstlichen Hüfte befördern kann… ist das noch Slapstick oder schon Realsatire?

Hilfe
1 Jahr zuvor
Antwortet  streamer01

Und ich lache über solche Kommentare

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  streamer01

Solange jemand noch denken, organisieren und online unterwegs sein kann, spielt die Hüfte und der Rollator bei der Gefährlichkeit eine untergeordnete Rolle. Ich hätte jetzt aber gedacht, dass Sie das wissen.

Ron
1 Jahr zuvor

Reichsbürger scheinen in ihrer Gesamtheit eine eigentümliche Vorstellung von Staat und Gesellschaft zu haben. Distanz von solchen Leuten ist, unabhängig vom jetzigen Fall, grundsätzlich angebracht.

AvL
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Reichsbürger gäben eine gute Nebenrolle im B-Film „Die Nacht der reitenden Leichen “ ab.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Wenn es um ihre Pension geht, gibt es den Staat in ihren Augen auf einmal doch? ^^

Lakon
1 Jahr zuvor

Also: eine 75-Jährige und vier Komplizen wollten einen Minister entführen und einen Umsturz herbeiführen. Das ist ja gerade noch mal gut gegangen. Vielleicht sollten wir die Polizei doch nicht entwaffnen.