Bundesland verzeichnet 32.000 ausgefallene Unterrichtsstunden – in einer Woche

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ERFURT. Thüringen leidet weiter unter massivem Lehrermangel. Trotz Werbekampagne, Verbeamtung und Quereinsteigern nimmt der Unterrichtsausfall von Jahr zu Jahr zu.

Muss mit dem Lehrermangel und der Pandemie umgehen: Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke). Foto: Jacob Schröter / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

In Thüringen ist erneut mehr Unterricht an den Schulen ausgefallen. 9,7 Prozent des Unterrichts fand in der Erhebungswoche zwischen dem 26. und 30. September nicht statt und wurde ersatzlos gestrichen, wie das Thüringer Bildungsministerium auf Anfrage mitteilte. Im vergangenen Schuljahr lag der Ausfall bei 8,1 Prozent, im Schuljahr davor – also 2020/2021 – war 6,2 Prozent des Unterrichts ausgefallen.

Krankheit und nicht vorhandene Fachlehrer seien die häufigsten Ausfallgründe, erläuterte ein Sprecher des Ministeriums. «Derzeit werten wir genaue Ursachen und Gründe noch aus. Eine erste vorläufige Erklärung liegt im Lehrermangel und in der anhaltenden Pandemiesituation.»

Thüringen leidet seit Jahren unter Lehrermangel. Um diesen abzumildern, hatte Bildungsminister Helmut Holter (Linke) angekündigt, alle Register ziehen zu wollen. So wurde etwa die Verbeamtung von Lehrern wieder eingeführt sowie die Besoldung von Grund- und Regelschullehrern angehoben. Außerdem gibt es eine Werbekampagne und ein Programm für Quereinsteiger.

Der Ministeriumssprecher erklärte, dass sich auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Flüchtlingssituation auf den Unterrichtsausfall auswirkten: «Wir haben in Thüringen in diesem Schuljahr, verglichen mit dem vorangegangenen, zusätzlich über 6000 beziehungsweise 3,4 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden Schulen in staatlicher Trägerschaft», so der Sprecher. Davon seien 4500 Schülerinnen und Schüler mit ukrainischer Staatsangehörigkeit.

Durch Sparmaßnahmen sei der Spielraum für zusätzliche bildungspolitische Maßnahmen stark eingeschränkt. Der Sprecher nannte die globale Minderausgabe im Landeshaushalt, die sich hier ausgewirkt habe. Die globale Minderausgabe war eine Bedingung der CDU, um dem Haushalt zuzustimmen. Allerdings gab es keine Vorgabe, in welchem Ressort und in welchen Bereichen die Einsparungen vorgenommen werden mussten.

Die neue Statistik zum Unterrichtsausfall zeigt auch einen gestiegenen Anteil Stunden, die schon zu Beginn des Schuljahres gestrichen werden, weil zu wenige entsprechende Fachlehrer vorhanden sind. Der Anteil stieg im Vergleich zum vergangenen Schuljahr von 1,9 auf 2,4 Prozent. Insgesamt fielen in der Erhebungswoche im September von rund 330.612 Soll-Stunden, 32.001 Stunden ersatzlos aus. An Regelschulen fiel 12,8 Prozent des Unterrichts aus, an Gemeinschaftsschulen 10,3 Prozent und an Gesamtschulen 16,2 Prozent. Am niedrigsten war der Anteil bei Grundschulen mit 7,1 Prozent Unterrichtsausfall. News4teachers / mit Material der dpa

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8 Kommentare
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Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„wie das Thüringer Bildungsministerium auf Anfrage mitteilte.“

Mich wundert, dass sie den Zahlenraum über 10 beherrschen.

Wer hat das berechnet? Outgesourced?

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Man bedenke die Größe des Freistaates – Extrapolationen auf Flächenländer wie NRW mag ich mir nicht einmal ausmalen. Der Regierungsbezirk Detmold – und die Region OWL ist die kleinste im Land – haben ja schon mehr schulpflichtige Kinder und Jugendliche als der Freistaat.

auchdasnoch
1 Jahr zuvor

Macht nur weiter so. Stopft die Klassen voll mit SuS jeglicher Art. Dann wird das Ergebnis nächstes Jahr noch besser! 🙁

Karolina Z.
1 Jahr zuvor

In Wirklichkeit fällt noch viel mehr aus. Ich persönlich zähle Vertretungsstunden, in denen nicht unterrichtet wird (also eigentlich alle) zum Unterrichtsausfall.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Klingt prima. Offensichtlich hilft es nicht mal mehr die Stunden als % Angaben aller Stunden an zu geben. Sieht wohl auch dann noch immer schlimm aus.

Die schlechte Nachricht, das sind nur die Ausfallstunden die man zugeben muss. Die Stunden mit „Mitbetreuung“ in denen SuS sinnlos herum sitzen sind da sicher noch nicht dabei.

Last edited 1 Jahr zuvor by Schattenläufer
GriasDi
1 Jahr zuvor

Es werden noch mehr werden.

CoronaLehren
1 Jahr zuvor

Die Frage ist, wie „ausgefallen“ definiert wird.

Wenn eine Original Thüringer Rostbratwurst auf dem Pult liegt, gilt die Stunde vermutlich als gehalten 🙂

Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Wie in jedem Bundesland.

Leseratte
1 Jahr zuvor

Und schon kommt Holter wieder mit einer neuen Idee um die Ecke:

„Im Sport-, Musik- und Kunstunterricht soll nach dem Willen von Bildungsminister Holter auf Zensuren verzichtet werden. Zudem will die Landesregierung das längere gemeinsame Lernen stärker fördern.“

https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/thueringen-ticker-nachrichten-news-liveticker-polizeimeldungen-id232670897.html

Er vergisst wohl völlig, dass diese drei Fächer keinesfalls nur aus talentbasierten Aufgaben bestehen. Was ist mit Musik- und Kunstgeschichte? Auch in Sport werden Arbeiten geschrieben zu Regelkunde verschiedener Sportarten usw.
Wird das Abschaffen der Noten zu mehr Motivation führen? Liedtexte brauchen nicht mehr gelernt werden? Grundübungen (fand ich als Schülerin auch doof) in Sport wie Liegestütze u.ä. braucht man nicht mehr können, obwohl doch gerade bemängelt wird, dass soooo viele SuS adipös sind. Natürlich gibt es in jedem Fach SuS, die etwas besser oder schlechter können als andere. Das ist normal und im späteren Berufsleben auch so. Aber deshalb die Noten abschaffen? Kunst und Musik sind ohnehin schon Fächer, die von vielen SuS nicht ernst genommen werden (und es gibt KuK, die da noch das Ihrige dazutun). Wo sollen künftige Musik-, Kunst- und Sportlehrer herkommen bzw. aufs Studium vorbereitet werden, wenn ihre Fächer in der Schule nicht mehr bewertet werden?
Dann könnten wir doch für talentfreie SuS in Mathe, Deutsch usw. auch die Noten abschaffen… Ich kenne viele SuS, die sich gerade in Musik oder Kunst ihr guten Noten holen und ihre Portion Selbstbestätigung, weil sie sehr gut singen oder zeichnen, aber Probleme in Mathe oder Deutsch haben.
Bin gespannt, was Holter als Nächstes einfällt…