GEW: Bei der Lehrkräfte-Beurteilung werden Frauen systematisch benachteiligt

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MÜNCHEN. Für Lehrkräfte hängen von der dienstlichen Beurteilung durch ihre Vorgesetzten eine bessere Bezahlung und Karrieremöglichkeiten ab. Dabei soll die Beurteilung gerecht sein. Doch vor allem Frauen werden in der Praxis der Beurteilung benachteiligt – wegen der Teilzeit, sagt die GEW Bayern. Der Landesverband der Gewerkschaft zweifelt den Sinn der Regelbeurteilungen an und fordert in Zeiten der akuten Arbeitsüberlastung und des Lehrkräftemangels deshalb: die Abschaffung.

Daumen rauf - oder Daumen runter? Schüler in Bayern sollen künftig Lehrer bewerten, und zwar verpflichtend. Foto: Foto: Gerd Altmann / pixelio.de
Daumen rauf – oder Daumen runter? Das hat Konsequenzen. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

„Es sind schwierige Zeiten an den Schulen – Krisen und vor allem der Mangel an Fachkräften belasten die Kolleginnen und Kollegen sehr“, berichtet Ruth Brenner, Gewerkschafterin bei der GEW Bayern und Mitglied im Hauptpersonalrat. „Und nun sorgt in vielen Kollegien die Eröffnung der Beurteilung für Unfrieden. Viele Lehrkräfte fühlen sich nicht entsprechend wertgeschätzt und wenden sich an den Personalrat.“  In Bayern werden Lehrkräfte alle vier Jahre von ihren Vorgesetzten dienstlich beurteilt.

Ruth Brenner ist sich sicher, dass die Beschwerden berechtigt sind. „2019 ergab eine schriftliche Anfrage der SPD im Bayerischen Landtag, dass beispielsweise an der Grund- und Mittelschule 14 Prozent der guten und sehr guten Bewertungen an Männer gingen und nur 8 Prozent an Frauen. Und 12 Prozent der besten Beurteilungen entfallen auf Lehrkräfte in Vollzeit, nur 6 Prozent davon auf Lehrkräfte in Teilzeit, obwohl in den Richtlinien festgeschrieben ist, dass sich eine Teilzeitbeschäftigung nicht nachteilig auswirken darf. Dabei sind über 70 Prozent der Beschäftigten im Schulbereich Frauen, an Grundschulen sogar an die 90 Prozent. Und es sind immer noch vor allem Frauen, die in Teilzeit arbeiten und nebenbei die Care-Arbeit leisten. Frauen werden bei der Dienstlichen Beurteilung systematisch benachteiligt.“

„Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Hessen haben keine Regelbeurteilung. Hier wird nur dann beurteilt, wenn es auch Sinn macht“

Auch die schriftlichen Abfragen in 2011 und 2016 der Grünen und der SPD bestätigen dieses Bild. Hauptpersonalrat und stellvertretender Vorsitzender der GEW Bayern Florian Kohl kritisiert die Praxis der Dienstlichen Beurteilung in Bayern ebenfalls. „Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Hessen haben keine Regelbeurteilung. Hier wird nur dann beurteilt, wenn es auch Sinn macht, beispielsweise bei der Verbeamtung auf Lebenszeit oder der Bewerbung auf einen Schulleitungsposten. Das reicht vollkommen. In Bayern macht die Regelbeurteilung vor allem viel Arbeit für Schulleitungen. Die sind in den letzten Jahren aber bereits über das Maß hinaus belastet worden und würden von einer Abschaffung profitieren. Sie hätten wieder mehr Zeit, sich um Schulentwicklung und das Tagesgeschäft zu kümmern.“

Kohl hält die Regelbeurteilung generell für kein geeignetes Instrument zur Personalführung und plädiert für die Abschaffung. „Die Beurteilung schwebt stets wie ein Damoklesschwert über den Kolleginnen und Kollegen, die sich quasi im Wettbewerb um die besten Noten befinden. Dabei ist die Leistung einer Lehrkraft in meinen Augen überhaupt nicht definier-, geschweige denn messbar. Die Arbeitsfelder sind in und über die Schularten hinaus viel zu unterschiedlich. Kollegien sollten zusammenarbeiten und sich als Teams begreifen können, Schulleitungen vor allem im Sinne einer positiven Feedbackkultur motivierend agieren dürfen. Die Regelbeurteilung erschwert das ungemein. Und ein Instrument, das Frauen strukturell benachteiligt, braucht niemand.“

Bereits vor 30 Jahren gab es fundierte Kritik an der Regelbeurteilung. Professor Rosenbusch, lange Lehrstuhlinhaber Schulpädagogik in Bamberg, veröffentlichte bereits 1992 eine Untersuchung zur Schulaufsicht in Bayern, attestierte ein „strukturell gestörtes Verhältnis“ zwischen Lehrkräften und Schulaufsicht und zitierte Professor Weinert mit folgenden Worten:  „In Wirklichkeit ist die derzeit in Bayern durchgeführte Regelbeurteilung nichts anderes als eine grandiose Vergeudung von personellen Ressourcen und fachlichen Kompetenzen. Im Sinne einer Förderung der Qualität von Schule wirkt sie eher kontraproduktiv, da das Verhältnis der Lehrkräfte zur Dienstaufsicht unvertretbar gestört und die professionelle Selbstachtung und Identität von Lehrkräften in Frage gestellt wird.“ Daran, so die GEW, habe sich bis heute nichts geändert. News4teachers

GEW und VBE sehen in ungleicher Lehrkräfte-Bezahlung eine Benachteiligung von Frauen

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Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo …

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Was macht man denn mit all den Beurteilungen? An Grundschulen gibt es beispielsweise keine Aufstiegschancen, wo man solche Beurteilungen zugrunde legen kann. Die sind dann doch eigentlich für die Tonne. Wie so vieles, was bei mir im Büro steht und als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angefertigt werden muss und musste.

Konfutse
1 Jahr zuvor

Genau. Sonst käme ja noch irgendwer da unten auf die Idee, in seiner Freizeit Tennisspielen zu gehen. So wissen die da oben, dass der Sport im Hamsterrad stattfindet.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konfutse

Die Beurteilungen der vielen Frauen an Grundschulen scheinen so ungerecht schlecht zu sein, dass die dort ausgeschriebenen Schulleitungsposten massenhaft nicht besetzt werden können.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konfutse

Ich finde Tennis doof, aber schwimmen gehe ich gerne 🙂

Konfutse
1 Jahr zuvor

Golf ist auch toll. Hat man mir mal erzählt….

447
1 Jahr zuvor

Da die Beurteilung von Lehrkräften extrem subjektiv ist, läuft das so (Eigenbeispiel):

– in Ref und Probezeit hat 447 richtig miese Beurteilungen, da weder weiblich noch leicht formbar, da Real Life Erfahrung (igitt!!!)

– Abschlussbeurteilung: Subjektives Gemäkel

– 447 stellt Versetzungsantrag zwecks Umsetzung der erworbenen Kenntnisse, an einer „stärker leistungsorientierten“ Schule wäre der üble Macker wohl besser aufgehoben, immerhin ist der Kerl klug genug, niemandem „im Weg stehen“ zu wollen

– seitdem ist 447 ganz toll und wird befördert, upsi

Was ich seitdem geändert habe?
Nix.
Es geht pur subjektiv nach Nase und Situation.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Danke für diesen Kommentar. Dienstliche Beurteilungen – gerade im Refendariat – werden teils mit der Fähigkeit zur Unterwürfigkeit verknüpft.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Das eh. Es ist pure Subjektivität – und das kann man nicht mal ändern, da sich Dinge wie eine „Lehrerpersönlichkeit“ in der Praxis nicht operationalisieren lassen.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Und zum Teil vorurteilsbehaftet…. Ich hatte einst einen Referendar, der von der Fachleiterin immer ob seiner Art Schüler anzusprechen kritisiert wurde. Er war lange Jahre bei der Bundeswehr und hatte angeblich einen Kasernenton drauf. Das stimmte in gar keiner Weise. Er war zwar kein Kuschelbär und sprach direkt, aber von Kaserne war das maximal entfernt….
Unerträglich!

Bla
1 Jahr zuvor

Bei mir wurde in der ersten BUV angeprangert, dass ich zu passiv wäre und mehr Präsenz im Raum zeigen soll. Ich zu sehr vorne stehe. Die SuS zwar auf mich hören und ich „der Chef“ bin, aber ich nicht autoritär genug wäre.
Bei der 2. BUV wurde angeprangert, dass ich zu dominant und überwachend wäre. Ich müsste die SuS nicht zu sehr überwachen beim Rumgehen… Habe halt geschaut, was sie so schreiben und ob alles passt.
Kasperltheater halt.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Das die Gutachten subjektiv sind, ist bestimmt so, aber dass das Maß der Unterwürfigkeit inkludiert ist, bezweifel ich schon.

dickebank
1 Jahr zuvor

Sie sichern aber die Planstellen in den Schulämtern, die Gutachten/Beurteilungen müssen ja auch administriert werden.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Hier bei uns kriegen die am Schulamt ihre Zeit auch mit früh Feierabend rum.

Ron
1 Jahr zuvor

Frauen werden schon jetzt bei Beförderungsämtern per Gesetz bei gleichwertiger Qualifikation bevorzugt. Sie werden zudem vielerorts mittlerweile aktiv angesprochen und aufgefordert, sich auf Beförderungsstellen zu bewerben. Für Frauen gibt es teils sogar spezielle Seminare für angehende Führungskräfte, durchgeführt durch die Landesschulbehörden. Nun reicht selbst das einigen nicht mehr und es müssen auch noch Quoten für die Beurteilungen her. Bald dann sicher auch für alle anderen nicht rein männlichen Geschlechter. Vielleicht sollte man ähnliches auch gleich für die Schüler einführen. Ist doch ungerecht, wenn Mädchen in Physik schlechtere Noten bekommen. Alles doch nur strukturelle Benachteiligung. Wir gehen einer glorreichen Zukunft entgegen.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Joa.
Schlussfolgerung: Wer als Mann nicht durch (meist hochgradig spezifische, individuelle) Umstände drumrumsurfen kann und in dem Biotop gedeiht – wird halt kein Lehrer.

So einfach ist das.
Das Gesamtsystem kommuniziert non-verbal schon ganz genau, was es will.

Dem einfach nachkommen, fertig.

Wo man nicht erwünscht ist, sollte man(n) gehen.

Frauen können eh alles besser, das wissen wir doch mittlerweile. Sie haben bessere Noten, sind „empathischer“ usw.usf.

Ich persönlich rate daher männlichen SuS bei entsprechenden Fragen ganz klar zu sehr spezifischen Entscheidungen – oder halt vom LA ganz ab.
Obwohl ich sehr gerne zur Arbeit gehe.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

An meiner ehemaligen Schule hatten wir einen Mann als Gleichstellungsbeauftragten gewählt. Das gab Ärger…. Aber wir Kolleginnen fanden das gerecht 🙂 war schließlich unser Quotenmann….

447
1 Jahr zuvor

🙂 Warum auch nicht. Interessant ist es doch, dass es „Ärger gibt“, wenn volljährige, studierte Frauen in einer demokratischen Wahl jemanden wählen…und es sagt viel über den Elefanten aus.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Tja, wenn das Ergebnis der Beurteilungen nicht dem politischen Willen passt, wird es halt abgeschafft. Wie wäre es stattdessen, die Erfassung des Geschlechts wegzulassen. Habe hier öfters gelesen, dass solche Merkmale eh nicht relevant sind…

uesdW
1 Jahr zuvor

„dass beispielsweise an der Grund- und Mittelschule 14 Prozent der guten und sehr guten Bewertungen an Männer gingen und nur 8 Prozent an Frauen. Und 12 Prozent der besten Beurteilungen entfallen auf Lehrkräfte in Vollzeit, nur 6 Prozent davon auf Lehrkräfte in Teilzeit,“

O.k. vermutlich verstehe ich das Prozent Rechnen einfach nicht.
22% der guten und sehr guten Bewertungen gingen an Männer und Frauen, das bedeutet 78% gingen an dievese.

18% ginnen an Lehrkräfte in Vollzeit und Teilzeit, dass heißt 82% an Lehrkräfte, die gar nicht arbeiten.

Selbst wenn ich das auf die Gesamt alle Beurteilungen beziehe, bleibt hier eine Lücke.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  uesdW

Eine solche Gegenüberstellung ist sowieso nicht zielführend. Beurteilungen entstehen doch nur in Überprüfungssituationen – also wenn sich eine Person auf eine Beförderungsstelle bewirbt. Daraus allgemeine Schlüsse zu ziehen, ist nicht legitim.

Chris
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Nein. In Bayern werden alle Lehrkräfte (zumindest weiß ich das bei den Mittelschulen sicher) alle 4 Jahre automatisch beurteilt. Meine Erfahrung hat leider gezeigt, dass Frauen in Schulleitungspositionen Frauen besser beurteilen, weil man sich geschlechtersolidarisch zeigt, wobei Schulleiter die Beurteilung (in Bayern an der Mittelschule ist das Aufgabe der Schulleitung) von Frauen, welche ihnen optisch zusagen und auch ein eher unterwürfiges Verhalten zeigen, besser beurteilen. Dies führte bereits an vielen Schulen zu schlechter Stimmung im Kollegium, weil sowohl Frauen sich benachteiligt fühlten (weil sie nicht ins „Beuteschema“ des Rektors passten) als auch Männer, weil sie das Gefühl hatten, dass ihre Leistungen nicht gleichwertig berücksichtigt wurden. Da die Beurteilung aktuell in Bayern auch die Beförderungsgrundlage und somit bares Geld wert ist, sollte diese Praxis der ungerechten Beurteilung dringend überdacht werden. Sie bringt Schulleitungen in eine Machtposition, die dort zu einfach ausgenutzt werden kann.

In meinen Augen ist die Beurteilung auch zu subjektiv. Eine Standardisierungsmöglichkeit sehe ich leider nicht. Daher wäre eine Abschaffung sicher zu befürworten. Angleichung der Gehälter für alle Schularten und Mehrgehalt für Personen, die konkrete Zusatzaufgaben übernehmen (Konrektoren usw.) und somit nachweisbar mehr Arbeit und Zeit investieren. Das wäre jetzt mein spontaner, eher unreflektierter Ansatz.

447
1 Jahr zuvor

Zumindest mit den letzten Sätzen gehe ich mit. Noch nie mit „denen“ zu tun gehabt,aber was ich gehört und indirekt erlebt habe reicht mir aus.

Martina
1 Jahr zuvor

Übt sich die GEW mal wieder im Nachplappern modischer Behauptungen?
Es ist doch Quatsch, dass wir Frauen bei Lehrkräfte-Beurteilungen systematisch benachteiligt würden.