Lehrermangel-Rekord: Ministerpräsident lädt zum Schulgipfel ein – Opposition: Nicht nur reden!

8

MAGDEBURG. Nur rund 93,5 Prozent des Unterrichts in Sachsen-Anhalts Schulen sind tatsächlich abgedeckt. Es fehlen (wie in anderen Bundesländern auch) Lehrerinnen und Lehrer – allerdings scheint das Ausmaß des Mangels besonders zu sein. Kein anderes Bundesland meldet einen so hohen Ausfall. Vor einem Schulgipfel in der Staatskanzlei wird auf schnelle Lösungen gedrängt.

Sieht Handlungsbedarf: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Foto: Shutterstock / photocosmos 1

Grüne und SPD haben vor dem Schulgipfel in der Staatskanzlei an diesem Donnerstag konkrete Lösungen mit Blick auf den Lehrermangel gefordert. «Was wir nicht brauchen, ist ein weiterer Gipfel der netten Gesten und der sicherlich ernst gemeinten Worte so wie die Gespräche zum so genannten Schulfrieden im Jahr 2021», sagte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Susan Sziborra-Seidlitz am Montag. «Der Lehrkräftemangel ist zu akut, um nur darüber zu reden. Deshalb erwarten wir, dass die Landesregierung auf die Ergebnisse des Schulgipfels mit konkreten Handlungen zügig reagiert.» SPD-Fraktionschefin Katja Pähle sagte, die historisch schlechte Unterrichtsversorgung habe Folgen für die Leistungsfähigkeit des Bundeslandes.

Für Donnerstagnachmittag hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu einem bildungspolitischen Gespräch in die Staatskanzlei eingeladen. Hintergrund sind der gravierende Lehrermangel und der daraus resultierende Unterrichtsausfall. Zuletzt waren in Sachsen-Anhalt nur etwa 93,5 Prozent des Unterrichts abgesichert. Den Zahlen von Anfang Dezember zufolge lag die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen bei 95 Prozent und an den Gymnasien bei knapp 98 Prozent. Die Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen standen mit rund 88 Prozent deutlich schlechter da.

«Bildungsministerin Eva Feußner hat zwar erkennen lassen, dass sie wichtige Maßnahmen unterstützt, ihr fehlt aber die Stärke und Durchsetzungskraft»

«Ministerpräsident Reiner Haseloff hat endlich den Ernst der Lage erkannt und den Lehrkräftemangel zur Chefsache gemacht. Das ist ein guter Schritt», so Sziborra-Seidlitz. «Bildungsministerin Eva Feußner hat zwar in den letzten Monaten erkennen lassen, dass sie wichtige Maßnahmen unterstützt, ihr fehlt aber die Stärke und Durchsetzungskraft in ihrer Fraktion und in der Landesregierung. Die meisten Vorschläge scheitern an Finanzminister Michael Richter. Es ist deshalb richtig, dass er beim Schulgipfel anwesend sein wird.»

Notwendig ist aus Sicht der Grünen und der SPD etwa die schon lange diskutierte bessere Bezahlung von Grundschullehrkräften. SPD-Fraktionschefin Pähle sprach von einem «Gebot der Stunde», damit sich fertige Hochschulabsolventen nicht in andere Länder bewürben, in denen besser bezahlt werde. Sie will zudem Schulen mehr eigenen finanziellen Handlungsspielraum geben, damit sie selbst kurzfristige Vertretungslösungen etwa für erkrankte Lehrer organisieren könnten. Zudem müsse Geld, das wegen nicht besetzter Lehrerstellen nicht ausgegeben werde, in Schulen und Kommunen eingesetzt werden können. So könnten beispielsweise pädagogische Mitarbeiter, Schulverwaltungsassistenten und Honorarkräfte für Entlastung sorgen.

Die Grünen-Fraktion erklärte zudem, sie habe im Landtag Maßnahmen zur Verbesserung der Gehälter von Lehrkräften in besonderen Mangelfächern sowie Schulformen und Regionen beantragt. Auch sollten die Bedingungen für den Seiteneinstieg verbessert werden.

Laut dem Bildungsministerium arbeiteten zum jüngsten Stichtag am 5. Oktober 14 030 Lehrkräfte im Schuldienst an den allgemeinbildenden Schulen. Davon arbeiteten 2500 in Teilzeit. Rein rechnerisch: Würden alle in Vollzeit arbeiten, würde das dem Ministerium zufolge etwa 570 zusätzlichen Vollzeitkräften entsprechen. Für eine vollständige Unterrichtsversorgung fehlte zum Stichtag Anfang Oktober das Volumen von 846,6 Vollzeitlehrkräften.

Viele Lehrer schieben schon Überstunden. 2022 haben sich insgesamt rund 3300 Lehrkräfte Überstunden im Umfang von etwa 150 000 Unterrichtsstunden auszahlen lassen, wie es aus dem Ministerium hieß. Das entspreche rund 150 Vollzeitstellen. Bei einer durchschnittlichen Vergütung von etwa 45 Euro pro Unterrichtsstunde hätten sich Gesamtkosten in Höhe von rund 6,75 Millionen Euro ergeben. Die Summe habe sich in den vergangenen Jahren gesteigert. News4teachers / mit Material der dpa

KMK-Präsidentin sagt noch zehn Jahre Lehrermangel voraus („mindestens“) – GEW: Studium verbessern!

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

8 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
lehrer002
1 Jahr zuvor

A13 für alle muss kommen!

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

Die Bildungsministerin Eva Feußner fordert es nun schon eine ganze Weile. Leider ist es bisher auch am Widerstand von ihren Parteikollegen aus der CDU gescheitert. Fakt ist: Wenn jetzt nicht endlich die A13 für Grundschullehrer eingeführt wird, befeuert dies weiter die Abwanderung der Absolventen in die Nachbarländer. Jungen Lehrern ist es egal, ob sie in Halle oder nicht weit in Leipzig vor der Klasse stehen.

Dirk Meier
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

Logisch – damit gibt es dann endlich wieder genügend Mathematik-, Informatik- und Naturwissenschaftslehrkräfte für die SEK II.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Einige rekordverdächtige Passagen sind hier zu finden:

„Schulen mehr eigenen finanziellen Handlungsspielraum geben, damit sie selbst kurzfristige Vertretungslösungen […] organisieren könnten.“ – Verantwortung nach unten, das wirkt entlastend, besonders weiter oben.

„und Honorarkräfte für Entlastung sorgen“ – Honorarkräfte? Wer auch immer es über die Türschwelle schafft.

„Viele Lehrer schieben schon Überstunden“ – Korrektur: ALLE LuL schieben massiv und permanent Überstunden, von denen nur wenige anerkannt und noch weniger vergütet werden mit i.d.R. symbolischem Ausgleich. [Man vergleiche hierzu etwa die Stundenlöhne von Handwerkern, wenn der nächste Wasserhahn oder eine Klospülung abzudichten sind.]

Das Lehramt wird nach wie vor auf ganz fatal wirkende Weise im Sinne eines all-inclusive Jobs betrachtet, und eben diese Sicht- und Vergütungsweise hat auch all die jahrzehntelangen schlechten Entwicklungen mitbefeuert, die nun unlösbar bundesweit vorliegen. Die dauererschöpfende und krankmachende Wirkung auf LuL durch den Beruf, dessen Anforderungen in jede Richtung offen sind und unbegrenzt immer schneller weiterwuchern, wird ja in quasi jedem Kommantarbereich hier und anderswo dargelegt. Das ist rekordverdächtig gefährlich in der Tat.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Genau lieber Dil,
Und ich bin da schon lange todtal dagegen.
[1× Glorreicher Entwurf-> gibt angeschlagene LuL] × 16 -> Das gibt Pa-ti-en-ten ! Noch mehr Arbeit !

😉 übelst schwarz, ich weiß – sry.

Aber
Bei Kleinen wie bei Großen können viele Körperreaktionen/Erkrankungen auf das, was Du richtig geschildert hast zurückgeführt werden, – über psychische zuvor, gleichzeitig oder danach brauchen wir nicht zu reden.
Ausgelaugte, kranke LuL können nicht unterrichten
UND
auch keine überforderten Queris einweisen/ ihnen helfen.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Jetzt wird es unverschämt!

Endlich reden wir mal über die Probleme des Bildungswesens und dann soll das nicht ausreichen?

Was sollen wir den sonst noch politisch tun?

Etwa reale Maßnahmen ergreifen oder sogar Geld ausgeben???

Ihr spinnt ja!

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

PS: Auch ich kann Stroh zu Gold spinnen. Hat mir mein Kumpel Rumpel mal gezeigt. Also bei Bedarf melden, dann zwirn ich euch was zusammen.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Meine Kolleginnen und ich sind gespannt, was beim Bildungsgipfel im Ergebnis rauskommt. Wir erwarten echte Maßnahmen. Nicht nur Worte oder Versprechen. Wir erwarten, dass Absolventen im Grundschulbereich in Zukunft auch in Sachsen-Anhalt vor der Klasse stehen! Und nicht Thüringen Sachsen, Brandenburg, Berlin oder Niedersachsen… Es ist nicht haltbar und für uns nicht länger zumutbar, dass gut ausgebildete Referndare Sachsen-Anhalt verlassen, weil hier bedeutend schlechter entlohnt wird. Wir brauchen unsere Absolventen selbst! Sie sind ja schließlich von unserem Steuergeld ausgebildet worden.

Last edited 1 Jahr zuvor by Grundschullehrer