Affäre: Brachte ein Hochstapler Gebauer dazu, NRW-Schulen für Ditib zu öffnen?

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DUISBURG. Er beriet das NRW-Schulministerium in Islamfragen (unter anderem auch zum Islam-Unterricht) – bis Zweifel an seiner Qualifikation aufkamen. Nach zwei Jahren sind sich die Ermittler sicher: Die akademische Laufbahn des Beraters basiere auf Urkundenfälschung und Schwindel. Noch pikanter könnten seine möglichen Verbindungen zur türkischen Islam-Organisation Ditib sein: Spielten die eine Rolle bei der Entscheidung der damaligen Schulministerin Gebauer, Ditib wieder bei Lehrbüchern und Lehrpersonal mitentscheiden zu lassen?

Falsch beraten? Yvonne Gebauer, bis letztes Jahr Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Foto: MSB / Thomas Banneyer

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat Anklage gegen einen ehemaligen Berater der NRW-Landesregierung in Islamfragen erhoben. Dem Mann werden im Zeitraum von November 2000 bis Dezember 2021 insgesamt 29 Straftaten vorgeworfen, sagten Sprecherinnen der Staatsanwaltschaft und des Duisburger Amtsgerichts. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug, Urkundenfälschung und Titelmissbrauch. Das Amtsgericht muss über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden. Für den Angeschuldigten gelte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung, teilte das Gericht mit.

Der Verteidiger des Angeschuldigten, Rechtsanwalt Andreas Kerkhof aus Köln, wollte auf Anfrage keine Erklärung zu den Vorwürfen abgeben. Die Ermittlungen waren vor zwei Jahren bekannt geworden, als der Werkvertrag der NRW-Landesregierung mit dem Islamberater wegen Zweifeln an dessen akademischer Laufbahn nach mehr als zehn Jahren aufgelöst worden war.

Nachdem Zweifel an der Echtheit der Doktorarbeit des Mannes aufgekommen waren, wurde auch seine Abordnung an die Universität Duisburg/Essen mit dem Ziel der Habilitation damals vorzeitig beendet. Der Duisburger soll sich im Jahr 2000 unter Vorlage eines gefälschten Zeugnisses beim Schulamt der Stadt Duisburg als Lehrkraft beworben und so seine Einstellung erreicht haben.

Danach soll er sich im Jahr 2009 bei der Bezirksregierung Düsseldorf als Studienrat beworben haben. Im Zuge des Bewerbungsprozesses habe er gefälschte Zeugnisse über das Bestehen der Ersten Staatsprüfung sowie der Zweiten Staatsprüfung vorgelegt und so seine Übernahme ins Beamtenverhältnis erreicht, heißt es in der Anklage. Im Jahr 2017 soll er sich bei der Universität Duisburg-Essen auf eine Stelle als Lehrkraft beworben haben. Hierbei soll er ein gefälschtes Zeugnis über das Bestehen der Zweiten Staatsprüfung sowie eine gefälschte Dissertationsbescheinigung vorgelegt haben.

Der Beschuldigte beriet das NRW-Schulministerium «in Fragen des Islams und zur Bildung und Arbeit der Kommission für den islamischen Religionsunterricht»

Beim Orient-Institut Istanbul soll er sich im Jahr 2019 unter Vorlage gefälschter Zeugnisse über seine Erste und Zweite Staatsprüfung sowie unter Benutzung des Titels «Dr.» auf eine ausgeschriebene Stelle beworben haben. Im Jahr 2020 soll der Angeschuldigte sich bei der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen als Lehrbeauftragter beworben haben. Hierbei soll er eine gefälschte Dissertationsbescheinigung vorgelegt und Lebensläufe unter Verwendung der Titel «Dr.» und «Prof.» verwendet haben.

Der Beschuldigte beriet das NRW-Schulministerium «in Fragen des Islams und zur Bildung und Arbeit der Kommission für den islamischen Religionsunterricht», wie ein Sprecher gegenüber der Welt bereits 2021 einräumte. Pikant: Seinerzeit entschied die damalige NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), den türkischen Moscheeverband Ditib wieder in die Kommission zum Islamunterricht zuzulassen, die über Lehrbücher und Lehrpersonal mitentscheidet.

Das Land hatte Jahre zuvor jede Kooperation mit der umstrittenen Organisation wegen ihrer Nähe zur türkischen Regierung auf Eis gelegt, auch im Schulbereich. Gebauer zufolge konnte die Ditib dann jedoch glaubhaft eine «Staatsferne» darlegen und auf eine Unabhängigkeit des Landesverbands hinweisen. Schon damals wurde moniert, dass der nun Angeschuldigte offenbar persönlich enge Verbindungen zu Ditib unterhalte; die «Welt» berichtete. Gebauer focht das nicht an. Scharfe Kritik an der Kooperation mit Ditib kam vom Grünen-Politiker (und heutigen Bundeslandwirtschaftsminister) Cem Özdemir. «Ich könnte vor Wut explodieren und verstehe die Naivität nicht» Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen habe dafür gesorgt, dass Erdogan Zugang zu deutschen Schulen bekomme. «Das ist unfassbar.»

Wie sich jetzt herausstellt: Womöglich auf den Rat eines notorischen Lügners hin. News4teachers / mit Material der dpa

Özdemir: NRW-Schulministerin Gebauer «gibt Erdogan Zugang zu deutschen Schulen»

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2 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Der einzig sinnvolle Schritt in diesem Zusammenhang ist die Aufkündigung aller Kooperationen mit allen Islamverbänden und ihre erneute Ausschreibung, wobei die Ditib für die kommenden 100 Jahre oder so ausgeschlossen wird.

Carsten60
11 Monate zuvor

Allerdings waren vor der Zeit von Frau Gebauer als Ministerin die Grünen sehr geneigt, sich den Islamverbänden und auch Ditib gegenüber zu öffnen. Dafür bürgte Frau Sigrid Beer als zuständige Expertin auf seiten der Grünen:
https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/21687541_Paderborner-Rat-der-Muslime-nimmt-Ditib-in-Schutz.html