Wenn ein Konflikt an der Schule eskaliert… Kinofilm „Das Lehrerzimmer“ startet

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BERLIN. Regisseur Ilker Çatak lässt in seinem neuen Film einen Konflikt an einer Schule eskalieren. Darin steckt auch ein kluger Kommentar auf die heutige Debattenkultur: Bei all der Empörung droht der Dialog zwischen den Menschen verloren zu gehen.

Mit einer braunen Umhängetasche kommt Lehrerin Carla Nowak in den Raum. Ihre Kollegen sind schon da. Einer von ihnen, so heißt es, habe «die Thematik» schon grob umrissen. An der Schule wird nämlich seit geraumer Zeit geklaut. Am Tisch sitzen nun zwei Kinder, die offensichtlich dazu gebracht werden sollen, jemanden zu verpfeifen. Nowak behagt die Situation nicht.

Der Film «Das Lehrerzimmer» zeigt etliche Szenen wie diese, die sich schon beim Zusehen unangenehm anfühlen können. Regisseur Ilker Çatak erzählt von einer Schule, irgendwo in Deutschland, und von einem Konflikt, der aus dem Ruder läuft. Man kann darin auch einen Kommentar auf die heutige Debattenkultur sehen.

Leonie Benesch («Der Schwarm», «Babylon Berlin») spielt die Lehrerin. Carla Nowak unterrichtet Mathematik und Sport, scheint noch relativ neu und begrüßt die Klasse gerne mit Klatschritualen. Als sie eine Matheaufgabe bespricht, betont sie, das Wichtigste sei, dass man für einen Beweis immer eine Herleitung brauche. «Schritt für Schritt.»

«Das Modell Schule ist ein guter Ort, um Gesellschaft im Kleinen abzubilden»

Einen Beweis oder vielmehr einen Täter suchen sie auch an der Schule. Dass immer wieder Gegenstände verschwinden, treibt die Lehrerschaft um. Ein Lehrer denkt sogar über einen Privatdetektiv nach.

Die Jungs einer Klasse werden bald aufgefordert, ihre Geldbörsen auf den Tisch zu legen. Das sei natürlich freiwillig, sagt die Schulleiterin, «aber wer nichts zu verbergen hat, der braucht sich auch keine Sorgen machen». Verdächtigt wird dann ein Junge namens Ali, seine Mutter stellt später klar, sie habe ihm das Geld gegeben. «Geld in der Tasche zu haben, ist doch keine Straftat.»

Carla stört es, dass allein die Schülerschaft ins Visier gerät, denn auch manche Kollegen scheinen ihr zwielichtig. Sie wird also selbst aktiv und überschreitet nun eine Grenze: Sie lässt im Lehrerzimmer heimlich die Kamera ihres Laptops mitlaufen und ihr Portemonnaie in der Jacke. Als sie den Raum verlässt, entstehen brisante Bilder.

Das Drama von Regisseur Çatak hat sieben Nominierungen für den Deutschen Filmpreis bekommen, darunter in der Kategorie bester Film. Die Auszeichnungen werden am 12. Mai verliehen. Die Berlinale zeigte den Film in der Reihe Panorama. Çatak hat schon mit «Es gilt das gesprochene Wort» gezeigt, dass er ungewöhnliche Storys aufgreifen und damit viel erzählen kann.

Auch sein neuer Film entfaltet einen ziemlichen Sog, obwohl sich die Geschichte nur in der Schule abspielt. Er zeigt einen Mikrokosmos zwischen Papierstapeln im Lehrerzimmer und Sportmatten in der Turnhalle. Eine Welt, an die sich viele noch erinnern, auch wenn ihre Schulzeit schon lange zurückliegt.

Der Film erzählt etwas über Dynamiken, die zwischen Menschen entstehen können. Die Lehrerin wolle die Kinder schützen und tue etwas, was einen Schneeballeffekt nach sich ziehe, sagte Çatak dem Sender «Arte». Dann gehe es um viel mehr als nur um Diebstähle. Auch durch soziale Medien wie Twitter gebe es keinen Dialog mehr. «Es geht nur noch darum, Recht zu haben und auf der richtigen Seite zu stehen. Und die andere Person klein zu machen.»

«Wir haben versucht, diese ständige Überforderung, die den Lehreralltag in Deutschland ausmacht, im Film unterzubringen»

Das Modell Schule sei ein guter Ort, um Gesellschaft im Kleinen abzubilden, erzählte er weiter. Für ihn sei es wichtig, wie verhalte sich ein Mensch in Stresssituationen? Und wie, wenn er eine Entscheidung treffen müsse? Das sage etwas über den Charakter aus.

Seine Intensität verdankt der Film auch den Schauspielerinnen und Schauspielern, beispielsweise Eva Löbau in einer zentralen Rolle. Für die Recherche hätten sie Zeit an Schulen verbracht und sich den Lehreralltag angeguckt, sagte Çatak in dem Interview. Ihnen sei aufgefallen, dass dort vieles parallel geschehe. Sie hätten versucht, diese ständige Überforderung, die den Lehreralltag in Deutschland ausmache, im Film unterzubringen.

«Das Lehrerzimmer» ist auch eine Auseinandersetzung mit Machtstrukturen und Vorurteilen, mit dem eigenen Kompass und menschlichem Miteinander. Er zeigt, wie sich Dinge verselbstständigen und Fronten zwischen Menschen formieren. Ein sehenswerter Film. Von Julia Kilian, dpa

Der Film kommt am 4. Mai 2023 in die Kinos.

Hier lässt sich pädagogisches Begleitmaterial (ab 9. Klasse) zum Film herunterladen.

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Hans Maiaer
1 Monat zuvor

Der Film war und ist einfach sehr schlecht.