Rechtsextreme Übergriffe an Schule: Neonazis machen mobil – Stadt zieht Sperrkreis

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BURG. Nach einem Brandbrief von Lehrkräften zu rechten Vorfällen an ihrer Schule ist der Schulalltag in der brandenburgischen Gemeinde Burg belastet. Rechtsextremisten machen dort mobil. Nach der Aktion einer Neonazi-Partei vor dem Schulhof hat die Stadtverwaltung mit einem Verbot reagiert, im Umfeld der Schule politisch zu werben – unterdessen kocht der Streit im Kollegium hoch.

„Hängt die Grünen!“: Wahlplakat der Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“. Foto: Superikonoskop / Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0

Drei Menschen, die der Partei Der Dritte Weg zuzuordnen seien, hatten direkt vor der Schule Handzettel an Passanten verteilt, erklärte ein Sprecher der Polizeidirektion Süd. Zudem klebten sie Aufkleber an Laternen. Die Polizei erteilte den drei Männern einen Platzverweis für Burg. Die Polizei zeige auch weiterhin verstärkt Präsenz an der Schule, hieß es. Die Kleinstpartei, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch einstuft, schrieb selbst, dass Mitglieder ihrer Jugendorganisation «Nationalrevolutionäre Jugend» in Burg aktiv gewesen seien. Im Verfassungsschutzbericht von 2022 hieß es, der Dritte Weg vertrete «ein klar rechtsextremistisches Staats- und Gesellschaftsbild».

Als Folge der Aktion erließ das Amt Burg eine Allgemeinverfügung, um weitere «Störungen des Schulfriedens» zu verhindern. Das teilte Amtsdirektor Tobias Hentschel in einer Erklärung mit. Danach dürfen in einem Umkreis der Schule und der Kindertagesstätten Parteien, Gruppierungen und Verbände bis zum 19. Mai keine Werbung verteilen, keine Plakate aufhängen und keine Infostände aufstellen.

In der Schule war es in dieser Woche zu einer Art Krisensitzung von Experten und Lehrkräften wegen der Debatte um Rechtsextremismus im Schulalltag gekommen. Mittlerweile hat sich die Lehrerschaft in Lager gespalten. Manche befürworteten, dass die Vorfälle zur Sprache gekommen seien. «Manche an der Schule tun das auch als Jugendstreich ab», beschreibt eine Lehrkraft, die den Brandbrief mit verfasst hat, die Situation. Die Schulleitung spiele die Vorfälle herunter. Er habe die Schulleiterin gefragt, wie sie zu den Vorfällen stehe, so der Mitverfasser des Briefes. Dazu werde sie sich nicht äußern, habe die Leiterin ihm gesagt.

«In den Pausen kommen uns Schüler:innen mit gehobener Hand, dem sogenannten Hitlergruß entgegen…doch die meisten Lehrer:innen schauen nur weg»

Lehrkräfte hatten in dem Brief von täglichem Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie berichtet. Sie erlebten eine «Mauer des Schweigens». Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agierten, fürchteten um ihre Sicherheit, heißt es in dem Schreiben der anonymen Verfasser. Auch Schülerinnen und Schüler haben sich in einem offenen Brief öffentlich zu Wort gemeldet. Darin schildern sie die Zustände an der Schule aus ihrer Sicht. «Wir kommen in den Klassenraum und sehen auf den Tischen Hakenkreuze und andere rechtsradikale Schmierereien, die am Vortag auf den Tisch geschrieben wurden. In den Pausen kommen uns Schüler:innen mit gehobener Hand, dem sogenannten Hitlergruß entgegen…doch die meisten Lehrer:innen schauen nur weg und unternehmen nichts.» «Wir haben Angst», heißt es.

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben inzwischen zu vier Komplexen mit strafrechtlicher Relevanz. Zum einen geht es um den Spruch «Arbeit macht frei», der laut der Lehrkräfte im Unterricht gefallen sein soll. Diese Phrase wurde durch seine Verwendung als Toraufschrift an den nationalsozialistischen Konzentrationslagern bekannt. Zum anderen soll im Sportunterricht der Hitlergruß gezeigt worden sein. Ein aufgetauchtes Gruppenbild zeigt Jugendliche, die den Hitlergruß machen, und es gibt eine Anzeige aus der Schule wegen Schmierereien an Schulmobiliar, etwa mit Hakenkreuzen. Die Polizei richtete sich auch mit einem Schreiben an die Schule und wies darauf hin, dass die Polizei bei Hinweisen jederzeit ansprechbar sei.

«Die gegenwärtige Situation belastet das tägliche Schulleben stark. Dass Parteien, Vereine und sonstige Gruppierungen die mediale Aufmerksamkeit für eigene Zwecke nutzen, stört das tägliche Schulleben über das ohnehin angespannte Maß hinaus, zumal hierdurch eine weitere mediale Aufmerksamkeit entsteht», heißt es in der Begründung. Der ordnungsgemäße Schulbetrieb sei unter diesen Einschränkungen nicht sichergestellt.

Amtsdirektor Hentschel machte in einer Erklärung auch deutlich, dass er sich um den Ruf des Kurortes sorgt. Er rief zu Besonnenheit auf und mahnte, von «pauschalen Vorwürfen» abzusehen. Zudem heißt es in der Mitteilung: «Die Burger Schule hat in den vergangenen Jahren auch immer Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die nicht aus dem eigenen Ort kommen. Vom Schüler mit Migrationshintergrund bis zu Kindern aus problematischen Elternhäusern, alle haben eine Chance verdient, ohne Ansehen der Person, ohne Vorurteile und Diskriminierung einen Schulabschluss zu erhalten.»

Christian Müller ist seit 15 Jahren als Fortbildungsreferent ehrenamtlich an Schulen vor allem in Cottbus und im Spree-Neiße-Kreis unterwegs. Auch die von den rechten Vorfällen betroffene Schule in Burg hat ihn wiederholt zu Sensibilisierungsworkshops eingeladen. Müller spricht mit Schülerinnen und Schülern über Menschenrechte, Geschlechtsidentität, queeres Leben, Rassismus, Rechtsextremismus. Die Schule sei den Themen durchaus zugewandt, es gebe engagierte Lehrkräfte und Schüler, berichtet er. «Wir haben von Schulen, auch in Burg, aber Rückmeldungen, dass Eltern solch ein Bildungsangebot für ihre Kinder nicht wollen.»

Eine Haltung auf kurzem Wege zu verändern sei unmöglich, schätzt Müller ein. Durch das soziale Umfeld von Kindern, wo Rassismus, Trans- und Homofeindlichkeit und Rechtsextremismus mitunter verstetigt würden, könne man auch kein Umdenken hervorrufen. «Wir legen das Pflaster auf eine riesige Wunde», sagt Müller, der sich mittlerweile vor Anfragen aus Schulen für Bildungsangebote kaum retten kann.

«Der aktuelle Schulskandal reiht sich ein in ähnliche Vorfälle und Strukturen hier vor Ort»

Doch für solche Projekte fehlt nach seiner Darstellung immer wieder Geld. Das Bildungsministerium sage, die Budgets seien ausgeschöpft, stattdessen sollten Drittmittel akquiriert werden, was wiederum Hürden und Bürokratieaufwand bedeute, kritisiert er. Warum aber agieren Schülerinnen und Schüler so demokratiefeindlich? Und wie können von Diskriminierung Betroffene geschützt und unterstützt werden? «Wir als Verein können darauf Antworten geben.»

Etwa 50 Kilometer von Burg entfernt liegt Spremberg. Lukas Pellio ist dort evangelischer Pfarrer und betreut Jugendliche in der Seelsorge. Burg sei nicht die einzige Schule, an der es solche Vorfälle gebe, sagt er bestimmt. «Der aktuelle Schulskandal reiht sich ein in ähnliche Vorfälle und Strukturen hier vor Ort.» Hitlergrüße, rassistische, antisemitische Aussagen – so etwas höre er seit Jahren auch aus dem Gymnasium in Spremberg.

Pellio ist Teil von #unteilbar-Spremberg, einem Bündnis, das er aufgebaut hat und das für ein offenes Spremberg steht. Inzwischen sei ein Netzwerk für Schulen für mehr Demokratie entstanden, berichtet er. Nichts wäre jetzt schlimmer, als die Vorfälle zu verharmlosen, meint er. «Was die Kinder da in der Schule machen, haben sie oft von Eltern oder Fußballtrainern gelernt.» News4teachers / mit Material der dpa

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