War’s das schon? G9-Initiative fehlen Tausende Unterschriften (Kretschmann wird sich freuen)

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STUTTGART. Seit Jahren gibt es in Baden-Württemberg, das sich im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern diesbezüglich standhaft gezeigt hat, Forderungen nach einer allgemeinen Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Eltern wollen die Politik per Initiative dazu zwingen und haben nach wie vor Hoffnung. Aber die Hürden könnten zu hoch sein, wie sich nun zeigt. Ministerpräsident Kretschmann, der sich stets gegen eine Rückkehr zu G9 ausgesprochen hat, dürfte das freuen.

Bekennender Freund von G8: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Grüne Baden-Württemberg

Bis Mitte November hat die Elterninitiative für die Rückkehr zu einem flächendeckenden neunjährigen Gymnasium noch Zeit, um ausreichend Unterschriften zu sammeln für ihren Volksantrag. Aber die Zeit läuft und es fehlen noch etwas mehr als 40 Prozent der notwendigen Unterschriften. Der Rücklauf an Formblättern habe nach Bekanntwerden des Halbzeitstandes erheblich nachgelassen, sagte Anja Plesch-Krubner, eine der beiden Initiatorinnen, am Dienstag. «Wir müssen zugeben, uns verschätzt zu haben. Wir dachten, das würde leichter werden und sind nun schon erschrocken.»

Derzeit fehlten noch 16.000 der erforderlichen 39.000 Unterschriften, die bis Anfang November gesammelt, bestätigt und eingereicht werden müssen, sagte Plesch-Krubner. «Es ist klar, dass wir damit unserem Soll nach drei Viertel der Sammelzeit hinterherhinken», ergänzte sie. «Das ist beunruhigend.»

Die Elterninitiative sammelt Unterschriften für einen Volksantrag für die Rückkehr zum Abitur erst nach 13 Jahren. Sie will, dass das Abitur wieder generell nach neun Jahren abgelegt wird. Um die Schüler international wettbewerbsfähiger zu machen, wurde die Zeit bis zum Abitur einst auf zwölf Jahre verkürzt (G8).

«Wir sind nach wie vor überzeugt, dass ein großer Teil der 7,8 Millionen Wahlberechtigten unterschreiben würde, wenn man ihnen die Möglichkeit böte»

Damit über den Gesetzentwurf im Plenum beraten wird, braucht die Elterninitiative innerhalb eines Jahres die Unterschriften von 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten. In Baden-Württemberg wären das rund 39.000 Unterschriften. Ist das noch zu schaffen? «Natürlich können wir das Quorum weiterhin erreichen, aber dafür braucht es einen echten Ruck. Wir haben zumindest die Hoffnung» sagte Plesch-Krubner. «Und wir sind nach wie vor überzeugt, dass ein großer Teil der 7,8 Millionen Wahlberechtigten unterschreiben würde, wenn man ihnen die Möglichkeit böte.» Nun sei es wichtig, «Unterschriften abzuklauben», nach den Ferien auf Elternabenden zu werben und weitere Kontakte zu nutzen.

Aus Sicht der Initiatorinnen kann aber gerade dies schwierig werden. «Die Unterstützer haben ihr Umfeld abgegrast, nun müssen wir neue Anhängerinnen und Anhänger gewinnen.» Plesch-Krubner schätzt zudem, dass viele wegen des Bürgerforums den Eindruck haben, «das Ding sei durch und in trockenen Tüchern». Dies sei aber nicht der Fall, betonte sie. «Das Bürgerforum ist kein Ersatz.» Zudem habe sich gezeigt, dass der Weg zum Volksantrag für Einzelne «ein sehr holpriger, unsäglich komplizierter» sei.

Die FDP gab der Initiative am Dienstag Rückendeckung. «Wenn der richtige und wichtige Volksantrag scheitert, reichen wir Freie Demokraten den G9-Gesetzentwurf der Elterninitiative ein», sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, Timm Kern. Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. G9 gibt es in Baden-Württemberg nur noch als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.

Für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wären nach Angaben des Kultusministeriums rund 1400 Stellen für Lehrkräfte zusätzlich nötig. Die Schulträger, also die Städte und Gemeinden, warnen zudem vor den Investitionen, die eine Rückkehr zu G9 auslösen würde. Die Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich aber Mitte Juni erstmals offen für eine Rückkehr zu G9 gezeigt und ein Bürgerforum angekündigt. Dabei sollen zufällig ausgewählte Bürger ab Herbst über die Zukunft des Gymnasiums debattieren und der Politik am Ende Empfehlungen geben (News4teachers berichtete).

Bindend ist deren Votum aber nicht – was bedeutet: Auf den Schwung, den ein Volksantrag bringen kann, kommt es durchaus an. News4teachers / mit Material der dpa

Allein gegen alle: Kretschmann kämpft weiter für G8 – zunehmend aussichtslos

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Georg
8 Monate zuvor

Trägheit der Wähler? Gleichgültigkeit der Wähler ohne Kinder am Gymnasium? Oder doch deutlich größere Zufriedenheit mit G8 als von der Initiative behauptet?

Ureinwohner Nordost
8 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Ich denke, dass Ihe letzte Frage den Kern des Pudels trifft.
G8 ist für „echte“ Gymnasiasten das Optimum.
Theaterunterricht sollte an der Schauspielschule unterrichtet werden.

Ostdeutschland zeigt, wie es ging.
Früher 😉

Maya
8 Monate zuvor
Antwortet  Georg

In der Elternschaft gibt es viele, welche gegen die Einführung von G9 sind. G9 ist auch nicht mit G9 (alt) gleichzusetzen. Es wird eher der ursprüngliche G8-Stoff nunmehr auf G9 (neu)aufgeteilt. Traditionell gibt’s im Osten das G8 und auch dort gibt’s 1er-Abiturienten. Sachsen ist Spitzenreiter Bildungsmonitor 2022. Warum der Osten mit G8 klarkommt und der Westen unbedingt G9 braucht, darüber darf man gern sinnieren.

Mo3
8 Monate zuvor
Antwortet  Maya

Die Elterninitiative würde das Rad sicher gerne zurückdrehen und das alte G9 zurückhaben – vor allem weniger Ganztagsunterricht, weil der die Kinder ja so stresst. Letztendlich wird der Ganztag aber bleiben (sofern wegen Lehrermangels keine Abstriche gemacht werden müssen), nur dass die Kinder ein Jahr länger zur Schule gehen und der Stoff sich an bestimmten Stellen nicht so ballt. Am gymnasialen Anspruch werden aber auch weiter Kinder scheitern – zumindest sollte das Niveau nicht grundsätzlich abgesenkt werden.

Ragnar Danneskjoeld
8 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Obwohl mein Verband G9 forciert und ich einer Rückkehr nicht abgeneigt bin, werde ich nicht unterschreiben. Grund hierfür ist die weiterhin unverbindliche Grundschulempfehlung. Mit G9 werden noch mehr Eltern gymnasialinkompatibler Kinder es dennoch „mit dem Gymnasium versuchen“ weil jetzt ja mehr Zeit gegeben ist. Mit verbindlicher Grundschulempfehlung sähe ich die Sache wohl anders.

Maya
8 Monate zuvor

Für Kinder, die gymnasialkompartibel sind, reicht G8 völlig aus.

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Maya

… und wie viele sind heutzutage nicht „gymnasialkompatibel“? Wenn das Gymnasium zur neuen Hauptschule wird, ist genau das das Problem. Die DDR mit 10-12 % Abiturquote sollte da mal außen vor gelassen werden. Mit dieser Quote wäre das auch heute kein Problem, wenn man tatsächlich die besten auswählen würde.
Wenn nur der fatale Eindruck nicht wäre, dass G8 in erster Linie Geld sparen sollte. Triftige pädagogische Gründe wurden nie ins Feld geführt. Im Artikel steht was von „international wettbewerbsfähiger machen“. Hat das mal jemand näher begründet? Dabei waren gerade zu G9-Zeiten deutsche Abiturienten international wettbewerbsfähig, sie schnitten an ausländischen Hochschulen gut ab. Und seit der Abschaffung der Wehrpflicht verlieren sie auch nicht mehr so viel Zeit. Aber nicht wenige machen nach dem G8-Abitur ein Jahr Pause, weil sie nicht genau wissen, wie es weiter gehen soll. Wieso soll dieses Jahr Pause sie „international wettbewerbsfähiger machen“? Im übrigen, wie viele Abiturienten wollen denn wirklich „international wettbewerbsfähig“ sein? Das Wort „Wettbewerb“ passt doch nun nicht zur schulpolitischen Grundstimmung im Lande. Wettbewerb klingt doch nach „sortieren“ wie schrecklich! Es soll doch keinen Wettbewerb geben, sondern Sozialkompetenz, die schwachen Lerner sollen gefördert werden, eigentlich soll die Inklusion auf die Gymnasien ausgedehnt werden usw.

Georg
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Wer 1997 in die achte Klasse ging, ist Jahrgang 1985 oder so und machte etwa 2005 Abitur, also kurz vor Einführung des Zentralabiturs in NRW. Das halte ich schon für zu jung, um Nutzer Egons Aussage zu entkräften. Den Abiturjahrgang 1990, vielleicht noch 1995, und früher halte ich da für aussagekräftiger.

Georg
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Diese Studie hat nur nachgewiesen, dass das angelsächsische Aufgabenformat mit dem klassischen deutschen Aufgabenformat von damals nicht kompatibel ist.

Georg
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich bereite meine Schüler auf das Aufgabenformat in meinen Prüfungen vor. Außerdem sind meine Prüfungen lehrplankonform, was die PISA- und TIMSS-Aufgaben in der Form nicht sind.

Freiya
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Und wo liegen deutsche Gymnasiasten JETZT leistungstechnisch?

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Was sollen denn Mathematik-Tests an 14-Jährigen mit den Fähigkeiten von Studenten im allgemeinen zu tun haben? Das internationale Ranking basiert immer auf den Werten von ALLEN und eben nicht auf denen der deutschen Gymnasiasten. Sie wissen auch, dass die deutschen Gymnasiasten bei PISA durchweg ca. 100 Punkte mehr erzielt haben als die deutschen Nicht-Gymnasiasten. Entscheidend ist international immer das Eingangsniveau an Hochschulen. Wie ist das am College in USA? Das ging nicht über unser 13. Schuljahr hinaus.
Genauere Tests an Abiturienten bzw. Erstsemestern will doch keiner haben, denn da könnten sich Unterschiede zwischen den Bundesländern zeigen.
Und worin genau soll nun der große internationale Wettbewerbsvorteil durch G8 bestehen? Jünger sind die Studienabsolventen nicht durch G8 + Bachelor/Master geworden, sondern durch die Abschaffung der Wehrpflicht. Und was bitte ist mit diesem „Wettbewerb“ bei den deutschen Gesamtschülern nach 13 Jahren Schulzeit? Warum lässt man denen den großen Vorteil durch G8 nicht auch zukommen und benachteiligt sie so?

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich habe gar nicht behauptet, dass die deutschen Abiturienten „spitze“ sind. Sie können aber mit den durchschnittlichen High-School-Absolventen in USA gewiss gut mithalten. Aber was soll sich denn bitte durch G8 verbessert haben? Man hört eher das Gegenteil.
Bei PISA haben die Gymnasiasten aber durchweg (!) 100 Punkte mehr als die Nicht-Gymnasiasten erzielt, die Bildungsprobleme in Deutschland liegen hauptsächlich am unteren Ende (siehe auch die VERA-Ergebnisse). Genau deswegen fördert man ja auch die Schwachen. Aber auch das zahlt sich eben nicht so richtig aus. Denn „international wettbewerbsfähiger“ (so steht’s im Artikel) werden die dadurch nicht, das sind immer nur die leistungsstärkeren Schüler. Aber werden die eigentlich auch gefördert? G8 ist doch keine Förderung, sondern eine bürokratische Maßnahme, die zu immens langen Schultagen führt. Wirklich gute Leute werden das verkraften, aber wie viele von denen gibt es? Sie beklagen doch selbst, dass es nicht so viele Leistungsstarke gibt wie eigentlich erwünscht. Also warum die demonstrative G8-Begeisterung?? Und warum dann nicht G8 für alle, auch an Gesamtschulen?
Kurz und gut: Es gibt gute Gründe für G9, wobei richtig leistungsstarke SuS auch G8 verkraften. Ganz besonders Schlaue überspringen selbst dort noch ein Jahr, haben also G7.

Maya
8 Monate zuvor
Antwortet  Egon

Ich gehörte in der ehemaligen DDR zu der von Ihnen beschriebenen Abi-Quote von 10 bis 12 Prozent (EOS, 1985 bis 1987). Um von der POS auf die EOS übernommen zu werden, musste man (ich) einen Gesamtnotenschnit von besser als 1,5 erbringen.
Auch in der ehemaligen DDR gab es qualifizierte Ärzte und Wissenschaftler.
Schauen Sie sich doch mal den heute geforderten Notenschnitt der Gymnasiasten an, der vom Übertritt von Sek1 zu Sek2 zu erbringen ist. Da sind wohl auch 5er im Zeugnis möglich.

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Maya

Genau das meinte ich doch: G8 ist möglich, aber G8 ist nicht kompatibel mit einer aufgeblähten Abiturquote., die eben u.a. durch einen inflationären Übergang in sit Oberstufe zustande kommt.

Maya
8 Monate zuvor
Antwortet  Egon

Also sollte doch die aufgeblähte Abiturquote verschlankt werden. Die rechtlichen Bedingungen dürften zu verändern sein (Anforderungen hochsetzen). Das heißt wohl in der Konsequenz, dass in den Gymnasien vielleicht nur noch 50% der heutigen Schülerschaft ihren Platz hätten, eigentlich noch weniger. Und weiter gedacht, so manches Gymnasium mit seinem Personal dürfte dem Rotstift zu Opfer fallen. Will das denn jemand?

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Maya

Nach allem, was ich höre, wird den Gymnasien von den Schulbehörden regelrecht verboten, selektiv zu sein und etwa schwache Schüler von der Oberstufe fernzuhalten. Das Argument mit dem Rotstift ist so keines: Viele Gymnasien sind überfüllt, haben Klassen von über 30 und könnten eine Verschlankung gut gebrauchen, ohne dass der Bestand gefährdet wäre. Ich denke, die Gymnasiallehrer wollen (auch im Eigeninteresse) lieber nicht so viele schwache Schüler haben, aber genau das wird ihnen aufgezwungen. Fragen Sie den Philologenverband, wie der das sieht. Ich habe nicht den Eindruck, dass die aufgeblähten Gymnasien von dem propagiert wurden. Es ist doch eher der Elternwille und die Feigheit, sich diesem entgegenzustellen.

Maya
8 Monate zuvor
Antwortet  Egon

Ihr erster Satz kann das Problem sein. Aber wo soll man mit den schwachen Schülern hin? Auch die Gesamtschulen sind voll. Hinzu kommt, das von den Gesamtschulen erwartet wird, die Hauptlast der Inklusion (insbesondere geistig beeinträchtigte Schüler) und der Integration zu leisten. Letztlich werden die Gymnasien für schwache Schüler immer weiter geöffnet. Aktuell ist der Nachwuchs aus den Grundschulen von Ergebnissen aus Vera, IQB und IGLU gezeichnet. Die Gymnasien sollten z.B. für leistungsstarke Schüler aus den Gesamtschulen ihre Türen öffnen, auch in Klasse 7, 8 und 9 (eine Idee von mir). Raushalten können sie sich – in ihren bisherigen Wohlfühloasen – wohl nicht mehr.

Pensionist
8 Monate zuvor

Was soll das sein, eine „verbindliche Empfehlung“?

Zu meiner Zeit (1954) hieß das schlicht Aufnahmeprüfung und dauerte zwei Tage.