MÜNCHEN. Der Streit um die “Exen” kocht in Bayern weiter hoch – ungeachtet des Machtworts von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der hatte auf einer CSU-Fraktionsklausur im Kloster Banz mal eben erklärt, dass es unangekündigte Tests in den Schulen des Freistaats weiterhin geben werde, obwohl Schülerinnen und Schüler eine Petition dagegen an den Landtag gerichtet haben – und Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) zuvor schon Reformbereitschaft signalisiert hatte. Sie ist mittlerweile zurückgerudert. Der Bayerische Elternverband hat Söder nun einen zünftigen Brief geschrieben, den wir im Wortlaut dokumentierten.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
der Bayerische Elternverband e. V. (BEV) ist über Ihre bildungspolitischen Äußerungen während der CSU-Fraktionsklausur in Kloster Banz entsetzt. Mit Ihrer Aussage, „Exen und Abfragen werden natürlich bleiben“, haben Sie unser Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat abermals schwer beschädigt. Solche Aussagen unterminieren den zur Verbesserung des Bildungssystems notwendigen Diskurs.
Wir begrüßen den neuen Dialogstil im Kultusministerium. Der offene und tabufreie Austausch mit Experten und Verbänden ist überfällig, um den über Jahrzehnte angehäuften Reformstau in der Bildungspolitik anzugehen. Der angekündigte Dialog zur Zukunft von Prüfungen und Tests wäre ein wichtiger Schritt gewesen, um gemeinsam Lösungen zur Sicherung der Bildungsqualität zu erarbeiten. Diesen Prozess haben Sie mit Ihrer Intervention zunichte gemacht.
Bereits bei der Grundschulreform, der sog. “PISA-Offensive Bayern”, haben Sie mit Ihrem Machtwort zum Religionsunterricht die Bemühungen um echte Qualitätsverbesserungen im Unterricht bestenfalls behindert. Verbände und Experten, die mit Vorschlägen und Engagement zur Dialogrunde anreisten, mussten feststellen, dass das Ergebnis bereits im Vorfeld Ihrer Regierungserklärung feststand – ohne Raum für echte Entwicklung. Diese bloße Simulation von Mitwirkung entwertet das Engagement von Experten, Verbänden und der Zivilgesellschaft mit verheerenden Folgen für die Bildungspolitik und die Motivation aller Beteiligten.
Sie entscheiden in zentralen Bildungsfragen offensichtlich im Alleingang, ohne Konsultation von Fachleuten und Experten und über die Fachministerin hinweg. Die programmatische Arbeit der zuständigen Ministerin wird zur Farce und die Bildungsqualität kann nicht sichergestellt werden, wenn fachlicher Rat und wissenschaftlich fundierte Entscheidungen ignoriert werden. Dies hat langfristige Konsequenzen für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Bayern.
Mit dieser Eigenmächtigkeit verstoßen Sie gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Staatsregierung (Art. 51 Abs. 1 BV). Besonders problematisch ist, dass Sie das Petitionsrecht (Art. 115 BV) untergraben, indem Sie in die für die Behandlung der Petition “Schluss mit Abfragen und Exen!” erforderlichen Verfahren (Art. 4 Abs. 1 BayPetG) eingreifen und so der Entscheidung des Bayerischen Landtags über diese Petition vorgreifen.
“Ihr Verhalten erinnert es an veraltete, absolutistische Entscheidungsstrukturen”
Ihr Verhalten ist nicht mit den demokratischen Werten vereinbar, die Sie Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Verfassungsviertelstunde nahebringen wollen – vielmehr erinnert es an veraltete, absolutistische Entscheidungsstrukturen. Wir fragen uns, ob demokratische Grundsätze und Verbindlichkeit des Rechtssystems in Bayern schleichend zu Potemkinschen Dörfern verkommen. Mit diesem Stil befeuern Sie Politikverdrossenheit und bremsen zivilgesellschaftliches Engagement. Bereits Kinder fühlen sich von der Politik vernachlässigt, wie der aktuelle Kinder- und Jugendbericht konstatiert. Dieser Vertrauensverlust der Bürger in Demokratie und Rechtsstaat ist Futter für all jene, die Angst und Zweifel säen und die freiheitlich-demokratische Ordnung abschaffen möchten.
Somit fordern wir Sie auf: Machen Sie den Weg frei für die dringend benötigten Reformen in der bayerischen Bildungspolitik! Der BEV ist bereit, zusammen mit weiteren engagierten Akteuren unter Federführung des Kultusministeriums an einer wissenschaftlich fundierten Weiterentwicklung der Schulqualität zu arbeiten. Eine produktive Test- und Feedback-Kultur sowie die effektive Förderung von Basisfähigkeiten sind entscheidende Maßnahmen, um das bayerische Bildungssystem zukunftsfähig zu machen und somit den Wirtschaftsstandort Bayern zu sichern.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Löwe, Landesvorsitzender
News4teachers
Als Mutter und Lehrerin kann ich mich dem Brief des BEV nur anschließen. Aber als bayerischer Sonnenkönig interessiert sich Herr Dr. S. vermutlich eh nicht dafür.
Als Mutter und Lehrerin kann ich mich diesem Brief gerade nicht anschließen. Auch wenn die Art und Weise, wie Herr Söder das entschieden hat, nicht gerade angemessen ist, ist es die richtige Entscheidung. Weichen wir alles noch mehr auf und machen den SuS alles noch leichter und noch vorhersehbarer, wird das Leistungsniveau weiter sinken.
Probleme im Bildungsbereich:
Unterfinanzierung, Überforderung der Lehrkräfte, fehlende Digitalisierung, fehlender Wille zur Veränderung uvm.
Aussage von Boomern: “Das größte Problem ist das sinkende Leistungsniveau!” Wie kann man sowas ernst meinen? Als Lehrerin?
Meinen Sie mich? Natürlich ist das ein großes Problem, dass das Leistungsniveau immer weiter sinkt! Ich sage ja nicht, dass es keine anderen Probleme gibt, aber hier ging es um (un)angekündigte Leistungsnachweise und dazu darf ich doch eine eigene Meinung haben, oder etwas nicht?
etwa
Was wollen Politiker denn noch alles vorschreiben? Selbstverständlich lasse ich Tests schreiben und zwar angekündigt und auch unangekündigt. Sollen mir Politiker jetzt dies auch verbieten, weil Eltern (habe selbst zwei schulpflichtige Kinder) sich einmischen wollen? Benotung ist Kernaufgabe eines Lehrers und wem diese nicht passt, der kann ja Widerspruch am Ende des Jahres einlegen.
Ja, sollen sie. Kompetenzausbildung ist deine Kernaufgabe.
Als Nicht-Mutter und Lehrerin kann ich mich dem Brief des BEV nicht anschließen. Gerade die Aufweichung der Prüfungs- und Leistungsstandards hat zu der Schieflage geführt, die wir heute täglich erleben.
Ihre Annahme ist ein Paradoxon.
Entweder es wird noch praktiziert, weshalb der BEV diesen Brief geschrieben hat, oder nicht. Dann hätte der BEV nämlich diesen Brief gar nicht geschickt, da ja sowieso schon alles aufgeweicht ist.
Es ist wohl noch nicht genügend aufgeweicht, aus der Perspektive des BEV. Prinzipiell finde ich es paradox, wenn einerseits das Abitur als Leistungsnachweis erwünscht ist und andererseits die Leistung aber nicht – oder nur in der absoluten Softvariante – erbracht werden soll.
Es sind in den entsprechenden Verordnungen, dass die Möglichkeiten gegeben sind. Solange es so festgelegt ist, kann jeder Lehrer enrscheiden wie er möchte.
Zur Petition: Bayern hat 1,88 Mio Schüler. Die Petition haben wieviel unterschrieben?
Ich tue mich da etwas schwer zu sagen, dass ich mit 20.000 bis 30.000 Unterschriften für alle sprechen kann.
Der Lehrer kann zumindest in Bayern nicht so entscheiden, wie er möchte. Klarer Beweis: Die Schulordnung schreibt die Zahl und Art der Leistungsnachweise vor, ebenso ihre Gewichtung.
Zu Herrn Söder: Auch wenn es mir schwerfällt, muss ich ihm in der “Exensache” zustimmen.
Ich habe das Gefühl, Boomer würden einfach alles sagen, um nichts Neues ausprobieren zu müssen.
GERADE die Aufweichung der Leistungsstandards soll der Grund für die heutige Schieflage sein? Gerade das? Das ist schon extrem witzig und das kommt von einer angeblichen Lehrerin. xD
Der Bart ist doch eine eindeutige Reminiszenz an den völlig bekloppten Bayernkönig Ludwig den Zweiten – als nöchstes färbt sich der Maggus sein Haupthaar schwarz und lässt es sich in duftige Wellen legen, besteigt seinen Schwan und schippert in seiner Grotte – resp. in seiner grottigen Politik herum.
Man kann den nicht mehr ernst nehmen – wenn es nicht so gefährlich wäre, das zu lassen.
Bayern verdankt Ludwig II. fantastische Bauwerke, die sich – entgegen seinen Absichten – auch ökonmisch als profitabel erwiesen haben. Im übrigen ist es immer ein wenig verräterisch, andere als “bekloppt” zu bezeichnen, vor allem als Lehrkraft, die sich der Humanität verpflichtet fühlt.