Die Teil-Legalisierung von Cannabis für Erwachsene macht andere Drogen wie etwa Ecstasy nach Auffassung einer Expertin reizvoller für Jugendliche. Bisher habe das Rauchen von Cannabis einen subversiven Charakter gehabt, sagt Clara Evers-Zimmer, Fachdienstleitung der Suchtberatung der Caritas für die Hansestadt Rostock und den umliegenden Landkreis. Das entnehme sie Therapiegesprächen, die sie in ihrer Funktion als Psychologin und Psychotherapeutin geführt habe. Durch die Legalisierung sei das Subversive weggefallen. «Sie suchen dann natürlich nach anderen Wegen, um genau das auszudrücken, was in der Jugendzeit schon immer ausgedrückt werden musste: den Protest, die Rebellion, die Abgrenzung.»
Dafür werde nicht zu harmloseren Substanzen gegriffen, sondern beispielsweise zu Ecstasy oder etwa zu sogenannten Badesalzen oder «Spice». Dabei handelt es sich um psychoaktive Substanzen, die laut Evers-Zimmer eine unvorhersehbare Wirkung haben.
In Mecklenburg-Vorpommern hatte es zuletzt zwei tragische Fälle gegeben: Ende September war ein 15-Jähriger im Zingst gestorben – wegen der Einnahme gleich mehrerer Ecstasy-Pillen, wie die Polizei unter Verweis auf ein toxikologisches Gutachten der Rechtsmedizin mitteilte. Davo war eine 13-Jährige aus Altentreptow nach dem Konsum von besonders potentem Ecstasy gestorben. Weitere Mädchen waren nach dem Konsum solcher Pillen in Kliniken gekommen. Der physische Schaden und das Abhängigkeitspotenzial etwa von Alkohol werden laut Evers-Zimmer zwar eigentlich als größer eingestuft als bei Ecstasy. Diese Klassifizierung beziehe sich allerdings auf Erwachsene.
Fehlende Warnzeichen bei Ecstasy
Für Jugendliche ergebe sich besonders aus einem anderen Aspekt Gefahr, erklärt die Expertin. «Die Schwierigkeit beim Ecstasy ist ja, dass es eine linear wirkende Droge ist.» Das bedeute mit der Steigerung der Dosis gingen keine Warnsignale einher. «Die Person selber merkt nicht, dass sie auf den Tod zuläuft. Es gibt keine biologischen Warnzeichen, die jetzt sagen: “Okay, ich müsste jetzt mal aufhören”.» Beim Alkohol hingegen würden etwa Übelkeit oder Unwohlsein auftreten. Nicht so bei Ecstasy. «Das wirkt weiter und weiter, bis der Tod eintritt.»
Dass sich das Gehirn Jugendlicher noch in der Entwicklung befinde, verschärfe das Problem. Der Teil, der für die Planung von Handlungen und auch die Steuerung möglicher Konsequenzen zuständig sei, sei noch nicht ausgereift. «Der ist bei jungen Männern noch viel später ausgereift als bei jungen Frauen.» Stattdessen reagiere das Gehirn junger Menschen nur auf Belohnungsreize. Die Belohnungswirkung der Droge erschwere es insbesondere den Jugendlichen, adäquat zu reagieren. Sie bedürften daher besonderem Schutz.
Nach Aussage von Evers-Zimmer gibt es im Rostocker Innenstadtgebiet in den Klassenstufen neun bis zehn Klassen, in denen etwa 80 bis 90 Prozent der Schüler Konsumerfahrungen mit Drogen haben. «Vor allen Dingen mit Cannabis und dann aber auch nachfolgend mit MDMA, also Ecstasy.»
Beratungsbedarf gewachsen
Dass der Konsum eher zunehme, sehe sie auch daran, dass vermehrt Menschen im Alter von Anfang 20 zur Beratung kämen, die mit 16 mit Drogen angefangen hätten und jetzt einsähen, dass sie davon wegkommen müssten. Ebenso kämen vermehrt besorgte Eltern.
Zu Möglichkeiten der Prävention sagt die Expertin, dass Kindern und Jugendlichen Aktivitäten ermöglicht werden müssten, die Belohnungsgefühle ermöglichten. Sie nannte Erlebnis- oder Waldpädagogik oder als Beispiel den Besuch eines Kletterwalds. Hier könnten sich Erwachsene im Hintergrund halten, seien teilweise auch unterlegen, was die Fähigkeiten anginge. Jugendliche könnten sich beweisen und Nervenkitzel verspüren. «Meiner Meinung nach gibt es da zu wenige Möglichkeiten.» Ein Problem sei auch, dass soziale Erfahrungen durch die Corona-Pandemie weggefallen seien.
«Ich erlebe viel soziale Unsicherheit und Selbstwertprobleme bei den Jugendlichen.» Es gebe zudem viel Druck auch durch die sozialen Medien. Wichtig sei, dass Erwachsene hinschauten und mit den Kindern und Jugendlichen im Gespräch seien. «Fragen stellen, sich dumm stellen, neugierig bleiben, ja akzeptieren, dass ein 14-Jähriger sich erwachsener fühlt als ein 40-Jähriger» sowie möglichst oft Gelegenheiten für Belohnungen schaffen, darum gehe es. News4teachers / mit Material der dpa
Cannabis-Freigabe: “Die Legalisierung wird die Probleme an den Schulen noch verschärfen”
“was in der Jugendzeit schon immer ausgedrückt werden musste: den Protest, die Rebellion, die Abgrenzung.”
Wenn man schon den falschen Ausgangspunkt hat, dann erkennt man auch nicht das Richtige
(Vgl. Erkenntnistheorie)
Protest, Rebellion, Abgrenzung sind schon lange “out”.
Vor etwa 15-20 Jahren zeigten sich viele aus der damaligen Jugendarbeit, aber auch aus der sozialen Forschung überrascht:
Anpassung, Rückgriff auf Tradiertes usw.
Auch die aktuelle Schell Jugendstidie betont Werte wie Familie etc. für die GenZ…
Vielleicht sollte man mehr den allg. Gesellschaftlichen Ver- und Zerfall in den Blick rücken.
Die USA haben seit Jahren ein gigantisches Droge Problem (auch jenseits von Fantanyl). Gerade unter Jugendlichen.
Das hat nix mit Rebellion oder so zu tun
Wenn in weit entfernten Ländern massive Drogenkrisen herrschen – haben da auch die (oft jugendlichen) Abhängigen “einfach nicht genug Belohnung” bekommen?
Komisch, *da* sieht es jeder sofort ein und selbst große europäische Zeitung berichten (teils mit Bewunderung, natürlich auch mit Kritik angesichts der nötigen/effektiven Methoden) darüber.
In Dodo-Country so: “Ey! Schule! Mach das!”.
Nebenaspekt:
Auch hier auf n4t haben massenweise Lehrer der Cannabis-Kegalisierung jubelnd und feixend zugestimmt.
Ergo ergeht das leider häufige Drohnenurteil:
Geliefert wie ____________.
Es ist mehr Betäubung als Rebellion. Doch um das zu untersuchen, müsste die Gesellschaft sich insgesamt in Frage stellen oder analysieren.
Ist das in allen Schulformen so wie geschildert?
Nein, die Lage ist deutlich differenzierter als die reißerische Überschrift und das stereotype stock photo es suggieren. Aber das würde vermutlich nicht ins Bild passen. Mit den Schulformen hat es aber m.E. nur sekundär zu tun. Entscheidend ist die jeweils betrachtete Region und die demographische Zusammensetzung der Schüler*innen dort. Wie hier im Artikel, im nord-ost-deutschen “fly-over-country” der Prignitz, der Uckermark, der Müritz, dem Darß usw., mit hauptsächlich “weißer”, autochtoner, a-religiöser Bevölkerung mag das ein virulentes Problem sein. Hier in Berlin, z.B. in meinen Berufsschulklassen: völlig Fehlanzeige. Die Leute sind derart festgezurrt im rigiden Korsett der Regeln ihrer autoritären Religionsgemeinschaften, dass sie nicht mal ein Bier anrühren würden. Nicht mit 12, nicht mit 17, nicht mit 21. “Rebellion”, “Grenzüberschreitung”, “Nervenkitzel”? Braucht man denen nicht mit kommen. Für die meisten von denen ist schon ein Kuss vor der Ehe ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: von mir aus geht das alles in Ordnung. Die könnten sich m.E. zwar mal ein bisschen locker machen (wozu ist denn Jugend sonst da?), aber wenn’s ihnen hilft… jedem “Tierchen” sein Plaisierchen.
“möglichst oft Gelegenheiten für Belohnungen schaffen”
Für den schulischen Kontext praktisch unmöglich. Soziale Medien, Computerspiele und Drogen produzieren INSTANTANE Belohnungsreize im Gehirn. Soll der Schüler / die Schülerin nach jeder Antwort (egal welche Qualität) einen Lolli hingelegt bekommen (ach ne, geht ja nicht, Schulen sind ja auch für “gesunde Ernährung” zuständig)? Oder ein “toll gemacht” (nutzt sich superschnell ab, das merken die Schüler sofort). Vielen Schülern ist zudem mittlerweile völlig egal, was nächste Woche, morgen oder in der nächsten Stunde passiert. Die wollen ihre “Belohnung” jetzt und sofort, wie soll Schule das leisten?
“Beispiel den Besuch eines Kletterwalds. Hier könnten sich Erwachsene im Hintergrund halten”
Ja klar, und dann gibt’s eine Klage, wenn einer vom Baum fällt oder von der Wespe gestochen wird. Ich möchte einmal ein wirklich rechtssicheres Formular für solche Aktionen sehen (“Leidet Ihr Kind an Höhenangst? Hat Ihr Kind Gleichgewichtsprobleme? Hat Ihr Kind eine Wespen- / Zecken- / Pollen- / Naturallergie? Ist Ihr Kind schwindelfrei? Kann Ihr Kind sich sicher festhalten? Sein eigenes Körpergewicht halten? …”, mal sehen, wie viele Prozent dann noch mitfahren dürfen…). Und von der “Aufsichtspflicht” wird die Lehrkraft trotz eventuell professioneller Mitarbeiter vor Ort selbstverständlich nicht entbunden, siehe Schwimmbadbesuch, also nichts mit “im Hintergrund halten”.
Ne ne, Frau Psychologin, Schule kann niemals mit den “Belohnungsanreizen” externer Quellen konkurrieren. Das Gegenteil muss stattfinden: Die gesamte Gesellschaft muss von ihrem Bedürfnis nach sofortiger Belohnung herunterkommen, sonst wird das nichts mehr.
Genau so!!! Danke für diesen Beitrag (auch wenn ich sonst eher skeptisch Ihren Beiträgen gegenüber bin….sorry)
“Ne ne, Frau Psychologin, Schule kann niemals mit den “Belohnungsanreizen” externer Quellen konkurrieren. Das Gegenteil muss stattfinden: Die gesamte Gesellschaft muss von ihrem Bedürfnis nach sofortiger Belohnung herunterkommen, sonst wird das nichts mehr.” Danke. Wir wollten Konsumenten schaffen und haben sie bekommen!
” «Ich erlebe viel soziale Unsicherheit und Selbstwertprobleme bei den Jugendlichen.»
.. möglichst oft Gelegenheiten für Belohnungen schaffen, darum gehe es. “
Gerade das wird ja durch Substanzmissbrauch, oder auch durch alles mögliche andere, von den betroffenen süchtigen Jugendlichen selbst herbeigeführt. Und funktioniert kurzfristig auch gut, sonst würden sie es nicht tun.
Zu sagen “Drogen sind schlecht, geht lieber in den Kletterpark” hat noch nie funktioniert. Kinder ohne Drogenzugang verlegen sich z.B. Magersucht, häufig mit Sporttraining verbunden.
JEDE Suchtkarriere hat eine (schlimme) Vorgeschichte, je früher in der Kindheit erlebt, um so schwerer ist die Sucht.