BERLIN. Kein Aufschwung in Sicht: Die «Wirtschaftsweisen» rechnen nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr auch 2025 nicht mit einem spürbaren Wachstum der deutschen Wirtschaft. Zentrale Botschaft: Der Staat investiert zu wenig – vor allem in Bildung. Dafür soll die Schuldenbremse gelockert werden. Mehr noch: Es soll sogar eine gesetzlich fixierte Mindestausgabenquote geben. «Zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben müssen verbindlich erhöht und verstetigt werden», so fordern die Sachverständigen.
Der Sachverständigenrat erwartet 2025 nur ein Mini-Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent und senkt damit seine Prognose deutlich. Die deutsche Volkswirtschaft befinde sich weiterhin in der Stagnation, teilte der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten mit. «Die anhaltende Wachstumsschwäche legt nahe, dass die deutsche Wirtschaft von konjunkturellen wie auch von strukturellen Problemen ausgebremst wird.»
Im Mai hatte der fünfköpfige Rat noch ein Wachstum von 0,2 Prozent im Jahr 2024 und von 0,9 Prozent im Jahr 2025 erwartet. Nun heißt es, die deutsche Wirtschaft werde sich erst im Verlauf des Jahres 2025 leicht erholen. Produktion und Wertschöpfung in der Industrie seien zurückgegangen. Investitionen seien ebenfalls rückläufig. Die Erholung der Weltwirtschaft führe nicht im bisher üblichen Maße zu einer Steigerung der deutschen Exporte. Auch der private Konsum komme nicht in Schwung. Die Sparquote bleibe hoch. Das bedeutet: viele Haushalte legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, als es auszugeben.
Eine Entspannung gibt es aber nach den hohen Inflationsraten in den vergangenen Jahren bei den Verbraucherpreisen. Laut Prognose dürfte die Inflationsrate im Jahr 2024 durchschnittlich 2,2 Prozent betragen und im kommenden Jahr 2,1 Prozent.
Einst war Deutschland in Europa die «Wachstumslokomotive» – das gilt aber nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt sei in den vergangenen fünf Jahren real insgesamt lediglich um 0,1 Prozent gewachsen, so die «Wirtschaftsweisen». Damit bleibe die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich weiter zurück. In den USA liege das Bruttoinlandsprodukt bereits heute um mehr als zwölf Prozent über dem Vor-Corona-Niveau, im Euro-Raum um gut vier Prozent.
«Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher»
«In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft. Umso wichtiger ist es, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben», sagte Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das Gremium, dessen Mitglieder auch als «Wirtschaftsweise» bezeichnet werden, berät die Bundesregierung. Der Staat müsse mehr investieren in wichtige Zukunftsvorhaben, sagt der Rat. Bisher seien in Deutschland öffentliche Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering. «In allen drei Bereichen besteht ein hoher Nachholbedarf.»
Um den zu decken, müsse zunächst die Schuldenbremse gelockert werden. «Die Schuldenbremse zielt darauf ab, die Belastung zukünftiger Generationen durch eine zu hohe Staatsverschuldung zu verhindern. Zukünftige Generationen können jedoch ebenso durch zu niedrige zukunftsorientierte Ausgaben und unzureichende Instandhaltung der Infrastruktur belastet werden», erläuterte Prof. Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft. «Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher. Die Politik muss durch institutionelle Regeln dazu verpflichtet werden, ausreichende Mittel für zukunftsorientierte Ausgaben einzusetzen.»
Dass in Deutschland die zukunftsorientierten öffentlichen Ausgaben für Verkehrs-infrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering ausfallen, hat laut Sachverständigenrat System: Ursache ist demnach, dass die Politik tendenziell Maßnahmen und Ausgaben bevorzugt, die der derzeitigen Wählerschaft zugutekommen.
«Ein sinnvoller Indikator in der Bildung könnte beispielsweise ausgehend von Mindestausgaben pro Schülerin und Schüler definiert werden»
«Dagegen werden zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben, deren Nutzen erst langfristig eintritt, eher vernachlässigt. Institutionelle Vorkehrungen mit Bindungswirkung sollten absichern, dass ausreichende Mittel für zusätzliche investive Ausgaben aufgewendet werden, und zwar unabhängig von der konjunkturellen Lage. Diese Bindungswirkung kann über eine gesetzliche Verankerung erreicht werden. Die Ausgestaltung sollte auf die finanziellen Bedarfe, die administrativen Zuständigkeiten und die Anforderungen in den einzelnen Aufgabenfeldern abgestimmt werden», so schreiben die Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher in ihrem Gutachten.
Und weiter: «Ein sinnvoller Indikator in der Bildung könnte beispielsweise ausgehend von Mindestausgaben pro Schülerin und Schüler definiert werden. Da diese Ausgaben größtenteils von den Ländern getragen werden, müssten angemessene Quoten auf dieser Ebene implementiert werden. Sie sollten länderspezifisch festgelegt werden, um regionale Unterschiede zu berücksichtigen, eine bundesweite Koordination wäre jedoch sinnvoll.» News4teachers / mit Material der dpa
“Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher”
Ich hoffe doch stark, dass Herr Lindner und andere Finanzminister*innen das mitbekommen, daraus lernen und – falls noch im Amt – beherzigen.
DER war gut.
Träumen darf man ja wohl noch.
Politiker sind nur ihrem Gewissen verpflichtet – nicht der Zukunft irgendwelcher “Wähler*innen”, die sie nicht mal kennen…
Minister müssen sich zwar an vorgaben halten, aber Verantwortung gehört nicht dazu…
Ein anderer FPD’ler hatte mal vorgerechnet, dass es billiger sei, Bildung ins Ausland zu verlagern und dann die potentiellen Fachkräfte ins Land zu holen…
Funktioniert ja auch. USA und Schweiz machen es genau so und haben uns beide bei den durchschnittlichen Reallöhne schon lange abgehängt (USA: +50%, Schweiz: mehr als +100%)…
Damit ist doch der Straßenausbau gemeint – nu kapier das doch gefälligst mal:)
Er hörte auf ebendiese Wirtschaftsweisen, welche die Schuldenbremse zuvor guthießen wenn ich mich nicht irre -__-
Da ja bald Fritziboy Kanzler ist, plädiere ich dafür, die Schuldenbremse nicht aufzuweichen, um nachfolgenden Generationen keine Schulden aufzubürden. Der Staat muss mit dem auskommen, was er hat! 1 Billion Staatsausgaben – da muss man eben Prioritäten setzen und an geeigneter Stelle sparen.
Zwinkersmiley
Dann kaufen wir mit unseren Ersparnissen kollektiv halt amerikanische Staatschulden, die haben keine “Schuldenbremse” und borgen sich locker 1000 Milliarden alle drei Monate (weltweit natürlich). Trump findet das bestimmt gut.
Die Sparquote bleibe hoch. Das bedeutet: viele Haushalte legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, als es auszugeben…..
Ist das ein Wunder? Viele Leute, ich auch, haben im Oktober eine Steuernachzahlung im vierstelligen Bereich bekommen, und ich bin froh, dass ich das Geld da habe. Ich hätte es liebend gerne für anderes ausgegeben.
Bekommt man Steuernachzahlungen?
Wer viel Steuern zahlt, hat auch viel Einkommen – oder keine Möglichkeit, sich vor Steuerzahlungen zu drücken.
Wenn Lehrer über’s Geld klagen, haben sie einen Fehler gemacht. So habe ich das gelernt bekommen. 🙂
Keine Möglichkeit, mich zu drücken…ich meine, viel abzusetzen.
Klingt alles sinnvoll und auch als expliziter Anhänger der Schuldenbremse muss ich zustimmen, dass im Bereich Bildung mehr nötig wäre. Nur wird das nicht kommen, bevor sich in der Politik nüchterne, auch kalte ökonomische Vernunft gegenüber dem Moralisieren durchgesetzt hat. Aktuell ist zu vermuten, dass ein Lockern der Schuldenbremse in größeren Kanzlerbauten und Ministerien endet, vielleicht auch in Wahlgeschenken im Sozialstaat.
Wie das Gutachten darlegt, braucht es mehr “Moral” (aka Verantwortungsbewusstsein), nicht weniger, weil die “kalte ökonomische Vernunft” von Politikerinnen und Politikern, deren Amtszeit von Legislaturperioden begrenzt wird, eben auf kurzfristige Erfolge setzt.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ich vermute, Sie meinen hier mit “Moral” das, was ich als “ökonomische Vernunft” bezeichne. Nämlich ein langfristiges Denken.
Langfristiges Denken kann, muss aber nicht ökonomisch sein. In der Währung der Politik – Wählerstimmen – ist es das nicht. Herzliche Grüße Die Redaktion
Investitionen in die Bildung wären moralisch und ökonomisch vernünftig. Umso besser die Bildung, desto weniger groß müssen „soziale Wahlgeschenke“ ausfallen…soziale Transferleistungen könnten vermutlich signifikant reduziert werden, der Fachkräftemangel ebenso und auch der Entwicklung extremistischer Einstellungen könnte der Nährboden entzogen werden….Aber soweit wird offensichtlich gar nicht gedacht….
“Aktuell ist zu vermuten, dass ein Lockern der Schuldenbremse in größeren Kanzlerbauten und Ministerien endet […]”
Sie sollten überlegen einen Vorschlag zur Nachjustierung der Schuldenbremse zu lesen 🙂
Da kommen dann zukunftsorientierte Ausgaben wie E-Auto-Kaufprämien zur Rettung der Industrie auf uns zu, denn das sichert schließlich Arbeitsplätze. Die Autos brauchen natürlich auch gute Straßen…
Zwar mag niemand mehr diese Arbeitsplätze mit unseren Schülern besetzen, aber immerhin sind sie da, fehlen nur noch die perfekten Wunschbewerber.
Übrigens unterrichtet nicht Geld die Kinder, sondern Lehrkräfte und ErzieherInnen und die kann man nicht einfach herbei investieren. Irgendwann wird die KMK oder besser jedes andere Gremium, das böse Unwort Reform verwenden müssen und, jetzt wird es wild, sogar aktiv handeln müssen. Aber das liegt jenseits meiner Altersgrenze, es sei denn, staatliche Zuschüsse an die RV werden gestrichen, denn das sind ja Konsumausgaben für die derzeitige Wählerschaft…
“Übrigens unterrichtet nicht Geld die Kinder, sondern Lehrkräfte und ErzieherInnen und die kann man nicht einfach herbei investieren.”
Das perfekte Argument gegen mehr Geld für Bildung. Kann ich damit noch Karriere in der FDP oder der CDU machen?
in digitale Ausstattung stecken, Endgeräte schaffen und Lehrpersonen mit der Inflation besser bezahlen. Keine Nullrunden mehr und 4-Tage Woche jetzt!
Ich sag’s ja
Müsste, hätte, könnte, sollte, jedes Bundesland, abstimmen.
Bullshit-Bingo!
Alles schön formuliert, aber aus der Umsetzung wird in dieser Dekade nichts mehr. Spoiler: In der nächsten auch nicht.
Der Wahlkampf beginnt und eines werden unisono alle Parteien versprechen, aber nicht umsetzen: Bessere Bildung. War so, ist so, bleibt so.
“Bildungsrepublik Deutschland”. Ausgerufen von Frau Merkel vor 16 Jahren oder so…