Bundesweite Studie: Anteil der Fachkräfte in Kitas sinkt (damit die Betreuungsqualität?)

14

GÜTERSLOH. Weil Erzieherinnen in den Kitas fehlen, werden laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung immer mehr Menschen ohne formale pädagogische Ausbildung eingestellt. Was macht das mit der Betreuungsqualität für die Jüngsten?

Abwärts? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Wieder nur eine Notbesetzung in der Kita oder sogar eine kurzfristige Komplettschließung wegen Krankheit für mehrere Tage: Um den Betrieb trotz dünner Personaldecke aufrechtzuerhalten, werden einer bundesweiten Studie zufolge zunehmend Personen ohne formale pädagogische Voraussetzungen in den Kindertagesstätten eingestellt.

Zugleich sinke der Anteil der Fachkräfte, die mindestens über eine Qualifikation als Erzieherin oder als Erzieher verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt das «Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme» der Bertelsmann Stiftung.

Wer sind Personen ohne formale pädagogische Voraussetzungen?

Einen einschlägigen Hochschul- oder Fachschulabschluss und damit die formale pädagogische Qualifikation haben Erzieherinnen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Heilpädagogen oder auch Kindheitspädagogen, schildert Studien-Mitautorin Kathrin Bock-Famulla. Kinderpflegerinnen oder Sozialassistentinnen mit lediglich zweijähriger Ausbildung würden nicht dazugezählt.

Je nach Bundesland seien die Regelungen, wer ohne pädagogische formale Voraussetzungen in den Kitas arbeiten darf, sehr unterschiedlich. Beispiele: In Baden-Württemberg dürften auch Hebammen oder Logopädinnen einfach so in die Kita-Arbeit einsteigen. In Niedersachsen können unter bestimmten Bedingungen auch Eltern oder Rentner tätig sein, wie Bock-Famulla berichtet.

In Bremen gebe es den Vorschlag, dass Personen ohne jegliche pädagogische Qualifikation für zwei Stunden pro Tag eingesetzt werden dürfen. In Bayern brauche eine Kitaleitung keine pädagogische Qualifizierung mehr. «Das kann zum Beispiel auch eine Betriebswirtin übernehmen.»

Dauerhaftes Absenken der Fachkraft-Quote sollte es nicht geben

In einer Notsituation könne es vertretbar sein, Anforderungen vorübergehend zu senken, sagt Bildungsexpertin Anette Stein von der Stiftung. Ein dauerhaftes Absenken des Fachkräfte-Anteils – wie es sich in vielen Bundesländern abzeichne – dürfe es aber nicht geben. Für die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern brauche es die entsprechende pädagogische Qualifikation.

Unter den pädagogisch Tätigen pro Kita empfiehlt die Arbeitsgruppe Frühe Bildung von Bund und Ländern perspektivisch eine Fachkraftquote von 85 Prozent pro Kita-Team, heißt es bei der Bertelsmann Stiftung. Der Anteil pro Kita-Team sei aber im Schnitt von 75,8 Prozent (2017) auf 72,5 Prozent gesunken.

Aussagestark laut Bock-Famulla ist besonders: 2023 kam nur jedes dritte Kita-Team (32 Prozent) auf eine hohe Quote von mehr als acht Fachkräften unter zehn pädagogisch tätigen Personen. 2017 konnten noch 41 Prozent aller Kita-Teams diesen hohen Anteil (als Kategorie «82,5 Prozent und mehr» eingestuft) vorweisen. Den deutlichsten Rückgang habe es hier seit 2017 in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen gegeben, bilanziert die Analyse. Sie basiert auf Daten zum Stichtag 1. März 2023.

Zusätzliche Belastung für Fachkräfte wird befürchtet

Wissenschaftlerin Bock-Famulla sieht einen großen Belastungsfaktor für das Fachpersonal, wenn nicht einschlägig ausgebildete Mitarbeitende im laufenden Kita-Betrieb «on the Job» angeleitet werden müssten. Die oft überlasteten Fachkräfte könnten das nicht zusätzlich stemmen. Es schlage sich mitunter auch negativ auf die Arbeitszufriedenheit in Teams nieder, wenn diese «irgendwie zusammengewürfelt» würden. Das habe auch eine Befragung zusammen mit der Uni Gießen unter gut 21.600 Kita-Beschäftigten ergeben.

In der zeitgleich vorgestellten Erhebung aus Gießen hatte fast die Hälfte der Befragten angegeben, sich täglich oder fast täglich überlastet zu fühlen. Viele schätzten die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Berufsfeld kurz- bis mittelfristig verlassen werden, als sehr hoch ein. Das Abwanderungsrisiko sei am höchsten bei jüngeren Menschen zwischen 26 und 30 Jahren.

Ersten Lebensjahre sind für Entwicklung besonders wichtig

Zwei Drittel der Kinder werden – trotz des Personalzuwachses – in Gruppen betreut, die nicht das wissenschaftlich empfohlene kindgerechte Betreuungsverhältnis aufweisen. Die Herausforderungen seien in den westdeutschen Ländern größer als im Osten.

Bock-Famulla betont: «Wir möchten sensibilisieren, dass der Kern der Profession nicht verschwimmen darf, wenn man aus der Personalnot heraus versucht, ein Maximum an Menschen für die Kita-Arbeit anzusprechen.» Die ersten Lebensjahre seien zentral für die Entwicklung im emotionalen, kognitiven und motorischen Bereich.

Die Jungen und Mädchen müssten lernen, ihre Emotionen zu regulieren, Bindungen aufzubauen, sie brauchten intensive Anregungen auch für ihre sprachliche Entwicklung. Um auf jedes einzelne Kind einzugehen und es individuell fördern zu können, sei eine fundierte Ausbildung essenziell.

Landeselternbeirat sieht Quereinsteiger als sinnvolle Ergänzung

Unter bestimmten Voraussetzungen könnten Quereinsteiger wie zum Beispiel Ergotherapeuten oder Logopädinnen eine sinnvolle Ergänzung im Kita-Team darstellen, findet der Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen. «Wichtig ist es, zahlenmäßig maßzuhalten und Basisqualifikation von mindestens 160 Unterrichtsstunden zu absolvieren, bevor sie in die Kitas kommen», sagt NRW-Sprecherin Daniela Heimann der dpa.

Schwerpunkt der Qualifizierung sollten entwicklungspsychologische Grundkenntnisse sein, außerdem Kindeswohl und Kinderschutz. Skeptisch sieht Heimann die Praxis in einigen Bundesländern, Quereinsteiger ohne vorherige Qualifizierung in die Kitas zu bringen, um sie erst dort im laufenden Betrieb zu schulen. Fakt sei jedenfalls, dass Träger «beim Personal in den meisten Kitas auf Kante nähen», viel ausfalle und Familien dann enorm belastet seien. Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

Eine qualifizierte Erzieherin (plus Hilfskräfte) für 60 Kinder reicht: Personalvorgaben gelockert

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

14 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
JoS
1 Monat zuvor

“Fakt sei jedenfalls, dass Träger «beim Personal in den meisten Kitas auf Kante nähen»”

Die Wahrheit ist, dass (wie auch in Schulen) einfach kein qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt ist und die Absenkung der Qualitätsstandards auf Dauer auch nicht nur keine Lösung, sondern sogar ein zusätzlicher Stressor für das vorhandene ausgebildete Personal und damit Grundlage für eine weitere Verschärfung des Mangels ist. Der Rechtsanspruch ist aus Sicht der Gleichstellung absolut sinnvoll und wünschenswert, kollidiert aber genau wie die “Inklusion” im Schulbereich mit der Realität.

Uwe
1 Monat zuvor

Natürlich sinken die dann rapide, auch in der Schule.
Aber warum lässt man die auch 41 Stunden arbeiten, während andere nur 32 Stunden wummsen und 2 Tage davon im homeoffice sitzen dürfen.
Das passt dann irgendwo auch nicht mehr…
Kita und Schule brauchen viel bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter.
Hier ist die work-life Balance wichtig.

Hannah Halloumi
1 Monat zuvor

Vermutlich braucht es erst eine breite Fluchtbewegung, quer durch alle Gesellschaftsschichten, raus aus den heruntergewirtschafteten Kindergärten im Griff von Staat, Kirche und Wohlfahrtsverbänden, und hin zu einer neuen Graswurzelbewegung mit Elterninitiaven im großen Stil, die die Bedürfnisse der Kinder wieder in den Mittelpunkt stellen. Vermutlich müssen die Eltern und Kinder in den großen Molochen der zentralistischen Träger erst massenhaft “mit den Füßen” abstimmen, bis bei den politisch, wissenschaftlich und administrativ Verantwortlichen die Erkenntnis einstellt, dass es so nicht weitergehen kann. Und im Schulsystem setzt sich das Problem ja fort. Und auch hier sind die Trends klar: in Schweden etwa besuchen schon ~20% der Kinder eine Schule in freier Trägerschaft, auch hierzulande kennen die Zahlen nur eine Richtung: beständig nach oben. Das kann man, aus staatlicher Sicht, natürlich als Bedrohung ansehen, aber andersrum wird auch ein Schuh draus: in der Vielfalt liegt die Kraft!

Konfutse
1 Monat zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

Naja, das ist eigentlich keine Bedrohung: Die Bildung wird vom Staat privatwirtschaftlich „outgesourced“, sodass für den Staat weniger Kosten entstehen…..billiger geht’s nicht!

Lisa
1 Monat zuvor
Antwortet  Konfutse

Doch ist es. Gerade sind Eltern eigentlich in einer guten Verhandlungsposition, da wir Fachkräftemangel haben. Eine Massenbewegung, in der ein Elternteil “droht”, bis zum 6. Lebensjahr der Kinder Zuhause zu bleiben, weil die Kitas desolat sind, wäre direkt ein Schlag für die Wirtschaftspolitik.

Echt
1 Monat zuvor
Antwortet  Lisa

Wird aber nicht passieren, weil der wirtschaftliche Druck oder bei manchen Eltern die Bequemlichkeit zu groß sind. Sonst wäre die Flucht der Kinder und Eltern aus den Einrichtungen schon voll im Gange. Solange die Familie ihren Wert weiter verliert, verlieren auch die Kinder immer mehr, denn sie werden weniger als Bereicherung wahrgenommen, sondern mehr als Störfaktor.

Mona
1 Monat zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

Nein.

Es müssen die EuE und die Aspiranten mit den Füßen abstimmen und diesen inzwischen vollkommen beschissenen Beruf (in dem Sie ausbilden, nach meiner Erinnerung?) verlassen bzw. ihn von vornherein vermeiden. Damit noch klarer wird, dass man mit den verfügbaren Standards die Ziele nicht mehr erreichen kann. Und eben nicht jeden Morgen ein Depp aufsteht und den ach so sozialen Job trotzdem reißt. Lagerverwalter werden demnächst in größerer Zahl auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sein…

Ihr Ansatz führt dagegen dazu, dass “der Staat” sich die Hände reibt über die vielen Kinderlein, die anderweitig betreut werden und aus der Betreuungsgarantie herausfallen. An den Standards für die, die sich den freien Träger nicht leisten können und für die bemitleidenswerten EuE in diesen Bereichen, ändert sich – genau gar nix zum Guten. Es wird nur noch schlimmer.

JoS
1 Monat zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

Super Idee, das Bürgertum verabschiedet sich in private Strukturen und der Pöbel muss mit immer weiter abgewirtschafteten öffentlichen Kitas und Schulen vorlieb nehmen. Und in Lippenbekenntnissen wird gleichzeitig die “Teilhabe” großgeschrieben und die “Spaltung der Gesellschaft” beklagt.
Zum Glück wird Ihr Ansatz nicht oder nur eingeschränkt funktionieren, solange private Kitas und Schulen Erzieher*innen und Lehrkräfte nicht besser bezahlen als der Staat.

Mika
1 Monat zuvor

“Auswertung der Einstellungszahlen der letzten Jahre ergab: Anteil der Fachkräfte in den Schulen sinkt! (Damit auch die Qualität des Unterrichts?)”

Die in den Klammern gestellte rhetorische Frage erübrigt sich:
Die Abwesenheit von Fachkräften führt entgegen der Meinung einiger Menschen eher selten zu einer Verbesserung von Bildung, egal ob in Kita oder Schule.

Mamahoch3
1 Monat zuvor

Vielleicht sollte unsere Familienpolitik mal mehr vom Kind her gedacht werden. Ist es für Kinder wirklich erstrebenswert schon mit einem Jahr 40 Stunden in der Kita zu verbringen? Finden es Grundschüler wirklich toll in die,OGS zu gehen oder würden sie lieber in wirklich ruhiger Athmosphäre essen und HA machen? Sollte Familienpolitik nicht darauf gerichtet sein, was gut für das Kind ist und vielleicht so etwas den Familien ermöglichen? Dann wären weniger Kids,in der Kita und Schule wäre wieder ein Ort der Bildung und nicht der Verwahrung…

JoS
1 Monat zuvor
Antwortet  Mamahoch3

Wenn Sie die Kinder fragen, werden die wohl zu einem großen Teil sagen, dass sie den Tag am liebsten vor dem iPad/Handy daheim verbringen. Ob das jetzt besser ist, weiß ich nicht.

Mona
1 Monat zuvor

Witzig: Heute morgen hat’s SWR3 doch in den 9:00 Uhr-Nachrichten tatsächlich fertig gebracht, die Ergebnisse dieser Studie komplett umzudrehen. Die Zahl der Ausbildungsinteressenten würde steigen, was für eine gute Nachricht! Natürlich vorgetragen in dieser seltsamen Erzählstimme, wenn es um positive Nachrichten und Durchhalteparolen geht. Sonst hatte die Redaktion komischerweise nichts Berichtenswertes in der Studie gefunden.

Bei solchen Nachrichten braucht sich doch niemand mehr über den Vorwurf zu wundern, dass im ÖRR nur noch Jubelperser sitzen…

Lisa
1 Monat zuvor

Dazu passt auch dieser Artikel über fehlende Sprachförderung durch nicht entsprechend ausgebildete Kita-Kräfte:
https://www.fr.de/panorama/kitas-fachkraefte-quote-personal-mangel-ausbildung-erzieher-sprachentwicklung-kinder-zr-93449089.html

PatOber
1 Monat zuvor

Die Geschichte aus einer anderen Perspektive: meine Frau ist gelernte Grundschullehrerin und Erzieherin, hat selbst eine KITA verantwortet, mehr als 15 Jahre Berufs- und Lehrerfahrung – allerdings im Ausland. Die (keineswegs sichere) Anerkennung der Abschlüsse – voraussichtlich nur einer der beiden Abschlüsse – kostet und tausende Euro. Sie arbeitet jetzt in einer Kita als ,fachfremdes‘ Personal. Kein Einzelfall!