BERLIN. Promis outen sich, die Suche nach Selbsttests im Internet steigt: Immer mehr Erwachsene vermuten, unter ADHS zu leiden. Was steckt dahinter? Offenbar gilt es als hip, sich als Betroffener der «Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung» (so lautet der Fachbegriff hinter dem verbreiteten Kürzel) darzustellen. Dabei steckt dahinter eine ernste Erkrankung, unter der bis zu 650.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland leiden.

Schon wieder das Teamtreffen im Job verpasst, die Abgabefrist für ein Projekt versäumt und dann noch die Freundin angebrüllt? Glaubt man manchen Beiträgen in sozialen Medien, kann der Grund dafür nur ADHS sein: die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen. Lange war sie eher ein Thema bei Kindern. Nun steigt die Suche nach Selbsttests für Erwachsene im Internet rasant. Bei einer US-Umfrage ging bereits ein Viertel der Teilnehmer davon aus, unter ADHS zu leiden. Kann das sein?
Selbst beim Zuspätkommen ist ADHS neuerdings als Entschuldigung zu hören. «Das gilt schon fast als fancy», sagt Andreas Reif, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Uniklinik Frankfurt. Dabei sei das beiläufige Erwähnen psychischer Erkrankungen ansonsten eher ein Tabu. «Es rennt normalerweise auch niemand durch die Gegend und sagt, ich habe Schizophrenie», ergänzt der Facharzt.
ADHS hängt mit einem gestörten Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn zusammen – in der Regel von der Kindheit an. Außer nach Unfällen mit Hirnschädigung können Erwachsene die psychische Erkrankung nicht plötzlich bekommen. Vererbung spielt nach dem heutigen Stand der Forschung die größte Rolle. Doch kein einzelnes Gen ist verantwortlich, es ist ein wechselndes Zusammenspiel von Erbfaktoren. «Der Punkt, an dem es kippt, ist nicht klar definiert», sagt Reif. Eine wichtige Rolle beim Ausgleich spielten intellektuelle Fähigkeiten. Deshalb bekomme auch nicht jeder Mensch mit dieser Dopamin-Störung automatisch Probleme im Leben.
Ist es möglich, dass ein ADHS-Outing von Weltstars wie Jennifer Lopez, Justin Bieber oder Emma Watson einen Trend geweckt hat unter dem Motto: Hab ich das auch? Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen ging seinem persönlichen Verdacht in einer TV-Doku nach und fand ihn nach einem Diagnose-Verfahren an der Uni-Klinik Bonn bestätigt (hier nachzuschauen). Die Lage ist verzwickt. Nach Daten der Krankenkasse AOK gab es zwischen 2006 und 2023 bei den Diagnosen einen Anstieg von hyperkinetischen Störungen, zu denen auch ADHS zählt, von 0,1 auf 0,5 Prozent bei erwachsenen Mitgliedern. Die Medizin schätzt, dass konstant 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung an ADHS leiden. Diese Zahl steigt also nicht, augenscheinlich aber die Wahrnehmung der Erkrankung.
Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass etwa 2 bis 6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter krankhaften Störungen der Aufmerksamkeit und an motorischer Unruhe leiden. Das sind hochgerechnet bis zu 650.000 Kinder und Jugendliche. Charakteristisch für ADHS seien folgende drei Hauptsymptome:
- Hyperaktivität (übersteigerter Bewegungsdrang)
- Unaufmerksamkeit (gestörte Konzentrationsfähigkeit)
- Impulsivität (unüberlegtes Handeln)
Die einzelnen Symptome könnten jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein und müssten nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Allerdings leidet nicht jedes unruhige oder unaufmerksame Kind gleich unter ADHS. «Ob wirklich eine krankhafte Störung vorliegt, kann nur ein in der Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten erfahrener Arzt oder Psychotherapeut nach einer differenzierten Untersuchung feststellen. Dabei gilt insbesondere: Die Auffälligkeiten müssen über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate) und in verschiedenen Lebensbereichen des Kindes (Familie, Schule und Freizeit) auftreten und diese beeinträchtigen, damit man wirklich von ADHS sprechen kann», so verlautet das Ministerium.
Selbsttests im Internet sind oft banal
Experte Reif sieht in Deutschland eine erhebliche Diagnoselücke. Vier von fünf Betroffenen haben nach seinen Angaben keine ärztliche Bestätigung ihres ADHS. «Wobei längst nicht jeder Fall behandlungsbedürftig ist», schränkt der Medizinprofessor ein. Andererseits gebe es in Sachen Selbstdiagnose oft viel Lärm um nichts. «Jeder war schon mal unaufmerksam, ungeduldig oder ist anderen ins Wort gefallen», sagt Reif. Allein Symptome aufzulisten, nütze gar nichts. ADHS-Selbsttests im Internet, die nicht wissenschaftlich basiert sind, wirken auf Reif «total banal oder hanebüchen».
Wirklich Betroffenen wiederum wird das abwertende Label «Modediagnose» kaum gerecht. Ihr Leidensdruck kann hoch sein. Manche schaffen es nicht, sich auf die wichtigen Dinge in ihrem Leben zu konzentrieren, spüren häufig innere Unruhe, ecken beruflich und privat immer wieder an, reagieren über. «Kirmes im Kopf» nennen einige das. Es sei wie ständig mit Turbo zu fahren und den Motor nicht drosseln zu können.
Keine Erkrankung der Moderne
ADHS hat dabei weder etwas mit viel Daddeln am Handy zu tun noch mit den wachsenden Multitasking-Anforderungen der heutigen Arbeitswelt. Für Reif, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), ist es keine Erkrankung der Moderne. «Sie ist schon vor 300 Jahren beschrieben worden.» Der Unterschied: Bei Schreibtischjobs falle ADHS eher auf als früher bei meist schwerer körperlicher Arbeit in Landwirtschaft, Handwerk oder Industrie.
Lange dachten Mediziner, dass sich die Dopamin-Störung nach der Kindheit auswachse. Doch was fehlte, waren Langzeitstudien. Heute nimmt die DGPPN an, dass ADHS im Erwachsenenalter bei mindestens 60 Prozent der Betroffenen fortbesteht.
Bereitschaft zum Risiko bis zum Kontrollverlust
«Manche Erwachsene mit ADHS machen Dinge, die sie bei längerem Nachdenken nicht getan hätten», beschreibt es Mediziner Reif. Er denkt dann zum Beispiel an Unfälle wegen Unaufmerksamkeit und generell an Risikobereitschaft. «Es kann um Alkohol gehen, um Drogen, um Sex.» Suchterkrankungen, Depressionen und Angststörungen könnten ihre tiefere Ursache deshalb auch in ADHS haben. Die psychische Erkrankung kann Menschen impulsiver machen, manchmal bis hin zum Kontrollverlust, auch bis zur Kriminalität. Sie kann auch, ähnlich wie eine bipolare Störung, große Gefühlsschwankungen hervorrufen. Sehr häufig ist die Konzentrationsfähigkeit massiv gestört.
Kreative, witzige und empathische Menschen
Der Eindruck des permanenten Versagens oder Nicht-Hineinpassens im Berufs- und Privatleben kann Betroffene quälen. Zwangsläufig sei solches Scheitern aber nicht, betont Reif. Vor allem Menschen mit hohem Intellekt oder guter Anpassungsfähigkeit seien oft in der Lage, für sich eine passende Nische zu finden. Denn Männer und Frauen mit ADHS denken oft besonders schnell und kreativ, haben viel Schwung, handeln fix und gelten als witzig, emphatisch und hilfsbereit. Vielleicht sind also nicht zufällig viele Künstlerinnen und Künstler unter den Promis, die sich mit ADHS outen.
Die psychische Erkrankung verläuft auch nicht gleichmäßig über die gesamte Lebensspanne hinweg. Die Belastung schwankt, mal geht es besser, mal schlechter – vor allem, wenn große Aufgaben anstehen wie ein Examen oder die eigene Familiengründung. «Wo man hohe Leistung braucht, wird es schwierig», berichtet Psychiater Reif.
Medikamente schlagen schnell an
Er kennt aus seiner Erfahrung als Arzt erschütternde Lebensgeschichten von ADHS-Patientinnen und Patienten, aber auch Wendungen zum Besseren. «Da ging es immer wieder ums Scheitern, da blieben Menschen deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück – und dann ließen sich Lebensverläufe drehen», berichtet er. Seit 2011 sind ADHS-Medikamente für Erwachsene in Deutschland zugelassen. Im Dezember bestätigte eine Meta-Analyse im Fachjournal «The Lancet Psychiatry», dass die Stimulanzien Amphetamin sowie Methylphenidat und die Arznei Atomoxetin die Kernsymptome bei Erwachsenen meist schnell verringern können. Eine Psychotherapie allein hilft demnach weniger gut, zusammen mit Medikamenten könne sie aber psychische Begleitprobleme eindämmen.
Ein Problem: Die Wartelisten für eine Diagnose bei Fachärzten sind lang, es kann viele Monate dauern bis zu einem Termin. Fachleute wissen auch, was bei ADHS nicht hilft: Berge von Ratgeberliteratur, Orga-Apps und gut gemeinte Tipps wie Wecker stellen, Notizzettel aufhängen und To-do-Listen schreiben. «Es ist kein Nicht-Wollen, es ist ein Nicht-Können», bilanziert Facharzt Reif. Es ist das Grunddilemma vieler psychischer Erkrankungen. News4teachers / mit Material der dpa
Studie: Jede fünfte Familie von ADHS betroffen! Lehrkräfte zu wenig informiert?
….
Vielleicht sind es die verhinderten Fähigkeiten, das Gefühl, mehr leisten zu können/ zu müssen und Artikelbilder, die mehr an einen Superheldenfilm erinnern, die es zur Mode machen – zum Nachteil der Betroffenen.
Kleiner Trost für diese: Der “Eindruck des permanenten Versagens oder Nicht-Hineinpassens im Berufs- und Privatleben” bereitet in der Regel allen Menschen Kummer
“Kleiner Trost für diese: …” Wen meinen Sie? Die wirklich Betroffenen oder die “Trendsetter”? Wie soll Ihre Aussage, wen trösten? Können Sie das bitte genauer erklären!
Ich frage mich auch gerade, wer da gemeint ist? Alle Menschen haben das Gefühl im Berufs- und Privatleben nicht zu passen? Also, ich finde mich schon passig…..irgendwie….
🙂 Ja, passt mehr oder weniger auf fast jeden! Eben eine typisch “rain zufällige” Phrase! Es musste halt irgendwas zum Thema gepostet werden!
Ich meinte, dass dies nicht ADHS-exklusiv ist.
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass manche Menschen diese Erklärung lieber akzeptieren, obwohl sie nicht betroffen sind.
Erstere und nein, es nicht wirklich tröstend
“Der “Eindruck des permanenten Versagens oder Nicht-Hineinpassens im Berufs- und Privatleben” bereitet in der Regel allen Menschen Kummer”
Wenn es Ihnen so geht, warum versuchen Sie nicht, an sich zu arbeiten und etwas Positives daraus zu machen, anstatt permanent Ihre Mitmenschen mit Provokationen zu ärgern? Oder ist das Ihre Art des Coupons?
Ich wollte ausdrücken, dass nicht nur Menschen mit ADHS exklusiv von solchen Eindrücken betroffen sein müssen, weshalb sich auch Menschen ohne ADHS selbst attestieren könnten.
Ich gehöre meines Wissens nicht dazu, aber Danke, dass Sie sich für eine gute work-life-balance aussprechen 🙂
Also relativieren Sie im Endeffekt eine neurologische Entwicklungsstörung. Interessant von jemandem, der sich als Vertreter der “Inklusion” aufspielt, aber natürlich nicht überraschend.
Gähhhnn…
Coping, die Autokorrektur hat’s versaut.
Die Überschrift des Artikels “Modekrankheit ADHS” ist nur korrekt, wenn man damit meint, dass es neuerdings schick zu sein scheint, eine ADHS-Diagnose als Entschuldigung/Ausrede oder persönliche “Besonderheit/Unterscheidungsmerkmal” zu anderen zu “finden”. Die psychische “Störung” ist allerdings überhaupt nicht neu.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/40288/Zappelphilipp-und-ADHS-Von-der-Unart-zur-Krankheit
Auffällig ist allerdings die Zunahme der Diagnosen, vor allem seit der Entdeckung des Medikaments Ritalin und Co. Zudem scheint es in westlichen Gesellschaften mehr Kinder/Erwachsene mit ADHS-Symptomen zu geben, als in Gesellschaften, die sich mehr körperlich bewegen (weniger Autos, weniger sitzende Tätigkeiten) und weniger Zeit vor verschiedenen Medien verbringen.
Sie haben Recht – der Begriff “Modekrankheit” in der Überschrift war missverständlich. Wir haben ihn deshalb geändert.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Danke!
Hier ist noch ein neuerer Beitrag über die ADHS-Störung.
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
Danke für den link. Der Artikel bestätigt, dass diese Entwicklungsstörung sehr heterogen ist und die Ursachen/Auswirkungen unterschiedlich.
Keine der Vergleichsgesellschaften hatte so sehr konzentrierten Arbeiten nachgehen muessen ohne dass dabei ein Adrenalinschub mitspielte.
Okay! Trifft das aber auch schon auf Kinder (und Schule) zu?
Hier noch ein interessanter link:
https://www.t-online.de/gesundheit/kindergesundheit/id_65785352/moderkrankheit-und-luege-adhs-steht-in-der-kritik.html
bitte keine Luegen verbreiten. ADHS ist eine Neurologische Krankheit und keine Luege. Ich habe selbst ADHS und solche Menschen wie sie machen mir mein Leben schwer. Wenn Sie es nicht haben schaetzen sie sich gluecklich lassen aber bitte Menschen wie mich mit Falschbehauptungen in Ruhe.
Bitte auch meinen Kommentar weiter unten lesen!
@Alex
Haben Sie eigentlich die links (von mir und auch @AvL) und meine Kommentare richtig und vollständig gelesen?
Der Unterschied zwischen nicht anerzogener Impulskontrolle und krankhaft nicht vorhandener Impulskontrolle ist für Laien, wie Lehrer es nun mal sind, nicht leicht zu erkennen.
Zumindest wenn eine ADHS mit starker Hyperaktivität vorliegt, lässt sich das leicht abgrenzen.
Richtig! Zumal ADHS eine sehr heterogene psychische Störung ist:
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-65726-3_1
Sie lässt sich, meiner Erfahrung nach, sehr schwer abgrenzen von:
Interessant dazu, was der Medizin- und Wissenschaftsjournalist Jörg Blech dazu in seinem Buch “Die Krankheitserfinder” schreibt. Zuerst wurde das Medikament (Ritalin) und danach die Krankheit erfunden:
“Das Dilemma der fehlenden Indikation wurde von amerikanischen Ärzten Ende der 60er Jahre mit einem Trick gelöst, dessen Folgen bis heute nachwirken: Die Medikamente selbst könne man doch benutzen, so die Wissenschaftler, um das Kranksein der Kinder zu diagnostizieren: Wer sein Verhalten ändert, nachdem er die Mittel geschluckt hat, der ist krank. Umgekehrt sind jene Kinder gesund, die nicht auf die Substanz ansprechen. Dieser Winkelzug war es, der der heute gängigen massenhaften Abgabe von Psychodrogen an Kinder den Weg ebnete.”
Bitte mich jetzt nicht falsch verstehen. Ich behaupte nicht, dass es diese (ADHS-)Probleme bei Kindern gibt. Ich selbst habe in 40 Jahren einige Varianten erlebt. Aber zu oft wird die Diagnose mMn. als “Gefälligkeitsdiagnose” gestellt und zu oft und zu schnell medikamentös behandelt.
Korrektur: ” Ich behaupte nicht, dass es diese (ADHS)-Probleme bei Kindern nicht gibt.”
Ich denke, Sie werden diese sich bereits im frühen Kindesalter
manifestierende Erkrankung und die damit verbundenen Probleme
der Kinder empathisch begleitend erfahren haben.
Ich habe mich jedenfalls immer bemüht, diesen Schülern (und Eltern und Kollegen) zu helfen. Leider nicht immer mit viel Erfolg, aber manchmal schon. 🙂
ADHS ist eine neurologische Entwicklungsstörung. Sie lässt sich u.a. darüber leicht von anderen Erkrankungen abgrenzen, dass Medikamente wie Ritalin oder Elvanse bei Personen ohne ADHS keine bzw. ganz andere Wirkungen zeigen.
Es ist kompliziert mit der Diagnostik!
https://www.zentrum-der-gesundheit.de/krankheiten/psychische-erkrankungen/adhs-uebersicht/adhs-broschuere-ia
So weit ich es überblicke, ist sich “die Wissenschaft” da nicht so richtig einig.
Bitte aufpassen, “Zentrum der Gesundheit” ist nun wirklich keine seriöse Quelle:
“Wissenschaftlich Fundiertes findet man hier eher selten, stattdessen möchten die Betreiber „am Alleinanspruch der Schulmedizin rütteln“: „Mit Karottensaft gegen den Krebs“ – „Antioxidantien schützen vor Diabetes“ – „Kolloidales Silber – das Universal-Antibiotikum“.”
https://www.deutschlandfunk.de/fake-news-zur-gesundheit-von-korallensalz-bis-kurkuma-100.html
Ich weiß, aber vieles, was da steht, deckt sich mit meinen Beobachtungen aus 40 Dienstjahren und die “Diagnostik von ADHS” ist nun mal schwierig und schwer von anderen Störungen eindeutig abzugrenze., Zumal die Ursachen auch nicht eindeutig feststellbar sind. Das ist mMn. ein generelles Problem bei vielen psychischen Störungen. (Frage zu Fremd- Eigenwahrnehmung, Normalzustand, Leidensdruck …)
ADHS ist wie bereits erwähnt eine neurologische Entwicklungsstörung, keine psychische Störung. Schade, dass Sie sich hier an der Seite von Wissenschaftsleugnern wie dem Zufälligen an der Stigmatisierung von Menschen mit dieser Erkrankung beteiligen.
Tut mir leid, da verstehen Sie mich leider vollkommen falsch. Mir geht es gerade darum, dass Schüler nicht in Schubladen gepresst werden. Die ADHS-Schublade passt nicht für alle. Leider wird aber immer wieder ein Kind, dass nicht der “Norm” entspricht, als ADHSler abgestempelt, ohne diese Kinder genauer zu beobachten. Und sehr oft gibt es dazu auch noch den Stempel “schlecht erzogen”, v.a. wenn das Kind aus einem bildungsfernen Elternhaus stammt. Leider meinen immer noch viele Menschen ADHS ist eine Folge schlechter Erziehung. Da mag ja etwas dran sein in einigen Fällen. Aber dann stellt sich die Frage nach der genetischen Komponente: können die Eltern es nicht besser, weil sie selbst unter ADHS leiden?
Ich habe in 40 Dienstjahren mehrere Dutzend Schüler mit ADHS-Symptomatik unterrichtet. Jedes einzelne Kind war anders, jede Familiensituation … Die passen nicht alle in eine kleine Schublade.
Und zur Definition als “neurologische Entwicklungsstörung” – laut ICD-10-WHO fallen hyperkinetische Störungen (F90) unter Verhaltens- und emotionale Störungen. Während unter Entwicklungsstörungen (F80-F89) z. B. Dyskalkulie, Sprachstörungen und Autismus fallen.
https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-who/kode-suche/htmlamtl2019/index.htm
Aber ich glaube, Begrifflichkeiten sind das geringste Problem.
“Leider meinen immer noch viele Menschen ADHS ist eine Folge schlechter Erziehung. Da mag ja etwas dran sein in einigen Fällen”
Eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich medikamentös gut behandeln lässt, wird wohl kaum durch Erziehung entstehen. Genetische und epigenetische Faktoren sind naheliegend.
Und ja, natürlich gibt es da viel Unwissenheit. Das führt einerseits dazu, dass Menschen ihre Unkonzentriertheiten auf ADHS schieben, obwohl diese andere Ursachen haben, andererseits führt es aber auch zu Stigmatisierung und daraus resultierender Verweigerung einer Behandlung durch Eltern. Das ist sehr traurig für die Betroffenen. Ich hatte in meiner letzten Klasse einen Jungen, der ohne Behandlung praktisch nicht beschulbar war und aufgrund seines Verhaltens auch keinerlei positiven sozialen Kontakte hatte. Als er dann probeweise behandelt wurde, hat er sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Leistungsträger entwickelt und endlich Freunde gefunden. Leider hat die Mutter sich dann während der Herbstferien bei Schwurbler-Seiten wie “Zentrum der Gesundheit” “informiert” und die Behandlung ohne Rücksprache mit dem Arzt abgebrochen. Der Junge hat letztlich die Schule ohne Abschluss verlassen. Und ähnliche Fälle erlebe ich immer wieder.
Ja, leider gibt es auch solche Fälle. Das bestreite ich ja gar nicht. Ich selbst habe Schüler erlebt, die, nachdem sie gut auf das Medikament eingestellt waren, wie ausgewechselt waren. Aber das Medikament als Diagnosemittel einzusetzen, finde ich auch etwas seltsam. Schlafstörungen behandelt man besser auch nicht nur mit Schlafmitteln, obwohl diese nachweislich helfen. Medikamente sollten mMn. wenn nötig, begleitend gegeben werden. Aber gleichzeitig sollten die Ursachen der Schlafprobleme gefunden und wenn möglich beseitigt oder zumindest reduziert werden. Und so sollte es auch bei der ADHS-Symptomatik sein. Nicht jedes Kind mit dieser Symptomatik hat mMn. wirklich ADHS.
Erstens: Wenn Sie eine Pilzinfektion haben, wird das in der Regel auch erst eindeutig dadurch von anderen Hauterkrankungen abgegrenzt, dass eingesetzte Antimykotika wirken, während Cortison oder Antibiotika keine Besserung bringen. Ähnlich ist es bei vielen anderen Erkrankungen.
Zweitens: Eine begleitende Verhaltenstherapie ist bei ADHS Standard. Sie fordern also etwas, das offensichtlich längst in den Leitlinien steht.
Drittens: Wenn die Ursache eine neurologische Entwicklungsstörung ist, dann kann man diese zumindest derzeit noch nicht beseitigen, sondern nur die Symptomatik lindern. Auch das ist etwas, das bei vielen Krankheiten ähnlich ist Dafür gibt’s dann Ritalin/Elvanse plus Therapie.
Und viertens: Es bleibt mir unklar, was Sie mit “diese Symptomatik” meinen. Nicht jedes auffällige Verhalten ist ADHS, das ist eine triviale Aussage und dementsprechend müssen wir darüber auch nicht diskutieren.
Ich bin kein Arzt. Aber soweit ich weiß, testen Ärzte vor Verschreibung von Antimykotia oder Antibiotika, welcher Pilz oder welches Bakterium vorliegt. Letzteres habe ich bei einer Zahnfleischinfektion selbst erlebt. Es wurden dann zwei spezielle Antibiotika zur Behandlung eingesetzt, zur Auswahl standen, glaube ich, 5.
“Nicht jedes auffällige Verhalten ist ADHS,…” – das sehe ich auch so. Aber leider wird das oft so bezeichnet und da sind wir wieder beim Ausgangsartikel. Mittlerweile ist der Begriff ADHS schon sehr weit in der Gesellschaft bekannt, wird aber zu undifferenziert verwendet und das ist “mein Problem” damit.
Begleitende Verhaltenstherapie steht in den Leitlinien – ja, wird sie aber auch konsequent umgesetzt und wird die Umsetzumng in den Familien begleitet?
Was meine ich mit ADHS-Symptomatik? – v. a. Hyperaktivität, mangelnde Konzentration und Impulskontrolle, hohe Reizempfindlichkeit, geringe Frustrationstoleranz, geringe Ausdauer… Diese Symptome traten aber bei den meisten meiner vielen ESE-Schüler in irgendeiner Form auf. Nur wenige hatten eine offizielle ADHS-Diagnose.
Ich glaube, Sie und ich sind gar nicht so weit auseinander. Es geht darum, den Schülern zu helfen. Sie wollen anscheinend unbedingt eine gesicherte Diagnose, mir geht es mehr um die Ursachen/Bedingungen (welche Umstände/Reize führen zu welchen Reaktionen) und darum, wie man die Lernumstände für Schüler und auch Lehrer evtl. verbessern kann, egal ob ADHS oder “nur” ESE.
Nein, das wird in den seltensten Fällen gemacht, weil die Diagnostik erstens oft länger dauert als die Behandlung und zweitens die Ergebnisse (Überraschung) aufgrund der vielfältigen Besiedlung der Haut nicht unbedingt einen klaren Rückschluss darauf bieten, was denn nun genau die Symptomatik verursacht.
Nach meiner Erfahrung hält man sich in der Regel an Leitlinien.
Sie zäumen das Pferd von hinten auf, wenn Sie hier unspezifische Symptome aufzählen. Das zeigt ja nur, dass meine Aussage, dass mehr Aufklärung auch bei Lehrkräften notwendig ist, zutrifft. ESE ist ja bereits eine Diagnose und ADHS gibt’s regelmäßig auch in der “verträumten” Variante, der liegt trotzdem die gleiche neurologische Entwicklungsstörung zugrunde.
Und nein, ich will keine “gesicherte Diagnose”, mich nervt nur die permanente Verwechslung einer neurologischen(!!!) Erkrankung mit irgendwelchen erziehungsbedingten Auffälligkeiten. Und wie gesagt: Von der hiesigen Schriftleitung und seiner zufälligen Sockenpuppe bin ich Faktenresistenz ja gewohnt, aber Sie erscheinen mir ansonsten ja eher aufgeschlossen.
Ach so, noch eines “meiner Probleme” mit Diagnosen und Begriffen:
Ich war ja Sonderschullehrer für Lernen und Sprache, nicht für ESE. Allerdings waren/sind Schüler mit Fö-Bedarf Lernen oft auch im emotional-sozialen Bereich “auffällig”. Deshalb habe ich mit diesem Thema Erfahrung.
Problem: Schülern wird nur ein Fö-Bedarf zuerkannt, dann meist Lernen (zumindest Berlin). Allerdings habe ich mich oft gefragt, ob die Rückstände im kognitiven Bereich bei manchen nicht auf die ESE-Probleme zurückzuführen sind und bei entsprechender Intervention im vorschulischen Bereich vermeidbar gewesen wären. Bei anderen dagegen vermutete ich den umgekehrten Fall, die ESE-Probleme entwickelten sich, weil die Umwelt nicht frühzeitig und passend auf die kognitiven oder sprachlichen Probleme Einfluss genommen hat.
Schüler mit ESE-Problematik haben mich schon immer besonders interessiert und ich hatte anscheinend ein ganz gutes Händchen dafür. Wohl deshalb wurde ich ab 2009 immer wieder mit der Leitung von ESE-Kleingruppen und (ab und zu) der stundenweisen Einzelförderung (a la Rainer Z.) von “Systemsprengern” an anderen Schulen beauftragt. Ich kann also mit Recht behaupten, dass ich viele verschiedene Varianten von ESE (mit und ohne ADHS-Diagnose) live erlebt habe. Und ich kann sagen, es gibt bisher keine passende Schublade. Jedes dieser Kinder war besonders. Selbst die mit ADHS-Diagnose unterschieden sich beträchtlich.
Seit erscheinen dieses Artikels läuft bei mir das Kopfkino auf Hochtouren. Ich habe jede Menge ehemaliger Schüler vor Augen, jede Menge Einzelschicksale! Vielleicht ist das mein Hauptproblem mit “ADHS”: immer wieder wurde im Zusammenhang mit den Schülern gesagt, der/die hat eben ADHS, ohne Diagnose, ohne genauere Kenntnis über echte ADHS. Diese Stigmatisierung kam sowohl von Eltern (dann meist eher als “Entschuldigung”), als auch von Kollegen und sogar von Psychologen. Dieser inflationäre Gebrauch der “Diagnose” hat mich schon immer gestört. Es wird den meisten Schülern eben nicht gerecht.
@JoS Vielleicht verstehen Sie mich jetzt besser.
Das Problem ist nicht, dass ich Sie nicht verstehen würde, ich habe eher das Gefühl, dass Sie mich komplett missverstanden haben. Diese Art der “Diagnose” ist ja gerade der Blödsinn, den ich anprangere.
Natürlich sind Menschen unterschiedlich und die Symptomatik einer ADHS auch. Die zugrundeliegende neurologische Entwicklungsstörung ist aber dieselbe. Eine MS äußert sich auch bei jedem Patienten unterschiedlich. Deshalb kritisiere ich ja so vehement, wenn man eine neurologische Erkrankung alleine aus der Symptomatik heraus sieht und als psychische Erkrankung stigmatisiert.
Na dann sind wir uns ja weitgehend einig. 🙂
Noch eine Ergänzung zum Thema “Modediagnose”: Tatsächlich ist ADHS bei deutschen Erwachsenen deutlich unter diagnostiziert:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00406-011-0211-9
Hmmm, interessant! Und wenn man jetzt über den “genetischen Faktor” bei AD(H)S nachdenkt …. Wieviele dieser unterdiagnostizierten Eltern haben Kinder? Wie bewältigen diese Eltern die Erziehung ihrer Kinder?
Und ergänzend noch der Hinweis, dass Betroffene ohne Behandlung im Schnitt mehrere Jahre Lebenszeit verlieren:
https://www.zeit.de/gesundheit/2025-01/adhs-krankheit-studie-tod-behandlung
P.S.: Bitte lesen Sie auch meine anderen Kommentare zum Thema hier. Vielleicht verstehen Sie dann meine “Meinung” besser.
Zur Erläuterung vielleicht noch dieses Beispiel:
Weiter unten schrieb ich schon über einen Schüler mit seltener Erbkrankheit. Er war in unserer ESE-Kleingruppe (von der 1. bis zur 3. Klasse). Wenn ich mich recht erinnere, erhielt er im 2. Schuljahr die Diagnose ADHS. Die Mutter hatte aber den diagnostizierenden Ärzten/Psychologen(?) nichts von ihrer Erbkrankheit erzählt. Auch wir erfuhren erst am Ende des 3. Schuljahres zufällig davon. Auch die Mutter hatte eine stark ausgeprägte ADHS-Symptomatik. Nach Gesprächen mit ihr waren die Sozialarbeiterin und ich immer total fertig. Es war sehr schwer, der Mutter im Gespräch zu folgen, da sie motorisch sehr unruhig (zappelig) war und ständig von einem Thema zum nächsten sprang. Ich gehe davon aus, dass die ADHS-Diagnose für das Kind auch auf diesen Umstand zurückzuführen ist – genetische Disposition. Was zwar stimmt, aber das Grundproblem war wahrscheinlich die Erbkrankheit, die ähnlichre Symptome hervorrufen kann (die körperlichen Beschwerden können u. a. zu motorischer Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten und Reizempfindlichkeit führen)). Das ist kein Vorwurf an die Ärzte, die konnten das ja nicht wissen, wenn die Mutter es nicht erwähnt. Als die Mutter es uns dann berichtete, habe ich mich sofort über diese Krankheit informiert und mit dem Schulpsychologen Kontakt aufgenommen. Er empfahl, den Jungen auf die Erbkrankheit testen zu lassen, um eine Therapie zur Symptomlinderung zu beginnen und weitere Schädigungen des Körpers zu verzögern (heilbar ist die Krankheit nicht). Die Mutter weigerte sich aber. Ich weiß leider nicht, wie es weiter ging. Sie verzogen in einen anderen Stadtbezirk und wechselten die Schule.
Hier noch ein anderer link zur Diagnose von ADHS. Sieht man sich die einzelnen Punkte an, stellt man fest, dass die Kriterien überwiegend auf (Fremd-)Einschätzung beruhen. Es gibt keine Definition des Normalzustandes oder medizinische, neurologische Standartwerte. Nur eine Mindest- Anzahl von Kriterien, die erfüllt werden müssen. Aber auch für diese gibt es keine feste Größe (was heißt sich schlecht auf Aufgaben konzentrieren können denn nun genau? Was/wer wird mit wem/womit verglichen, mit ewelchem Idealzustand?).
https://www.gesundheitsinformation.de/adhs-wie-wird-die-diagnose-gestellt.html
“Die Psychologie befasst sich mit den einzelnen Wellen des Baches. Aber hat ein Bach je aus Wellen bestanden?” (Christian Morgenstern)
Psychologie ist eine interessante Wissenschaft. Das war eins meiner Lieblingsfächer beim Studium). Aber … Mathe ist präziser, überprüfbarer. Die Menschen sind nun mal sehr unterschiedlich und schlecht in Formeln zu fassen. 🙂 Aus diesen Gründen sollten ADHS-Diagnosen sehr sorgfältig gestellt werden, unter Berücksichtigung der Lebensumstände. Nur dafür fehlen meist die Fachleute und die wenigen haben oft nicht die Zeit dafür.
P.S.: “Irre! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen” – das ist der Titel eines Buches von Manfred Lütz (Psychiater, Theologe und Kabarettist) Ein sehr unterhaltsam geschriebenes Buch – Dr. Eckart von Hirschhausen schrieb dazu: “Eine spannende und höchst vergnügliche Entdeckungsreise durch die ganze faszinierende Psychowelt”
Der Titeldes Buches hält mMn., was er verspricht1
Ergänzung: ADHS-Symptome können noch bei weiteren “Erkrankungen” auftreten. So z. B. bei Borderline, Depressionen und bipolaren Störungen. Dabei ist dann die Frage, was bedingt was (“Henne und Ei – Frage”).
Es gibt aber noch weitere “angeborene” Ursachen für ADHS:
Meiner Meinung nach sind die verschiedenen Ursachen für ADHS nur unzureichend erforscht und die Medikamente werden oft zu schnell eingesetzt. Die Nebenwirkungen dieser Pillen sind jedenfalls auch nicht ohne, gerade bei Kindern. Ich hatte einige davon in meiner Dienstzeit. Einige konnten wirklich nicht ohne die “Pille” lernen, bei einigen war es aber einfach nur die bequemere Lösung für die Eltern – sie mussten ihren Erziehungsstil und ihre tägliche Routine nicht dem Kind anpassen. https://adhs-kompakt.de/methylphenidat-adhs/
Noch eine Ergänzung dazu: Ich kann das zwar nicht belegen, aber bei zwei meiner Schüler mit diagnostiziertem ADHS (einer davon medikamentös eingestellt) hatten wir (ich und die Sozialpädagogin) den sehr starken Verdacht auf sexuellen Missbrauch (aber nicht beweisbar). Sollte es da tatsächlich einen Zusammenhang geben, wäre dann auch die Frage, was war zuerst.
Dissoziation (Spaltung) als Traumafolge hierzu als Stichwort. Betrifft natürlich das Gedächtnis, was dann durch das schulischen Umfeld oft als “Konzentrationsstörung” wahrgenommen wird.
Betroffene selbst empfinden oft nur das mit ihnen etwas falsch ist. .
Ergänzung: Ich habe immer den Kontakt zu Schulpsychologen und Psychologen gesucht, wenn mir Schüler “Rätsel aufgaben”. Auch dieses Thema ADHS und evtl. sexueller Missbrauch besprach ich mit einem Schulpsychologen. Er erklärte mir, dass es sehr schwer abzugrenzen ist (ohne Beweise für den Missbrauch), da gerade auch ADHS-Kinder einerseits wegen mangelnder Impulskontrolle und ihrer Reizempfindlichkeit oft sehr früh, nicht altersgemäße sexuelle Interessen entwickeln und andererseits aus den genannten Gründen auch besonders anfällig sind, zum Opfer zu werden. Aber es bestehe auch die Möglichkeit, dass Kinder, die sehr früh missbraucht wurden, eine ADHS-Symptomatik entwickeln.
Bis vor kurzem hatte ich eine Kollegin, die an ADHS litt. Wobei leiden wäre zu übertrieben dargestellt. In ganz vielen Bereichen war sie der absolute Hauptgewinn: extrem engagiert, kreativ, zugewandt, empathisch, bei Kindern und Eltern und Kolleginnen mehr als beliebt. In einigen Bereichen aber die Vollkatastrophe: sehr vergesslich (weil unkonzentriert) und daher dann und wann sehr unzuverlässig , hibbelig bis zum geht nicht mehr (nicht mal eine Sekunde still sitzen können), immer rennend durch Schulgebäude,….
Sie hat das mit ganz viel Sport halbwegs in den Griff bekommen und mit ganz viel Humor….wir haben es auch mit Humor genommen, wenn sie wieder etwas völlig zerknirscht vergessen hatte….Kirmes im Gehirn trifft es glaube ich super gut….
ADHS hat auch einige positive Seiten:
https://chaosliebe.de/adhs-vorteile-und-ratschlaege-dazu/
Noch ein link zu den positiven Seiten von ADHS. Manches kann man vielleicht als Lehrer im Unterricht nutzen/wertschätzen und damit dem betroffenen Schüler auch mal Erfolgserlebnisse verschaffen.
https://adhs-trainerin.de/das-positive-an-adhs/
@Redaktion:
“ADHS hängt mit einem gestörten Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn zusammen – in der Regel von der Kindheit an. Außer nach Unfällen mit Hirnschädigung können Erwachsene die psychische Erkrankung nicht plötzlich bekommen.”
Die beiden Sätze zusammen ergeben wenig Sinn. Tatsächlich wird ADHS mittlerweile überwiegend als neurologische Entwicklungsstörung und nicht als psychische Erkrankung betrachtet. Die Bezeichnung als psychische Erkrankung ist stigmatisierend und führt zu handfesten Nachteilen für Betroffene.
Um auf den Ausgangsartikel zurück zu kommen: Ich sehe bei diesem Mode-Trend noch eine weitere Gefahr: Es könnte durch Trend-Diagnosen leichter werden, legal an ADHS-Medikamente als Aufputschmittel zu kommen:
https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag1324.html
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/adhs-ritalin-droge-missbrauch-schulhof-100.html
Egal, ob es eine medizinische Indikation (ADHS) oder einfach ein kardinaler Erziehungsfehler ist (Nächte mit Fortnite verbracht, ungefrühstückt in die Schule, aber dafür Chips und Energy-.Drinks in der Schultasche):
Für beides fühle ich mich als Lehrkraft nicht zuständig, ich bin weder Arzt noch Elternersatz.
Naja, ein paar Kenntnisse über Hypersensibilität (Reizempfindlichkeit), ADHS-Symptomatik (egal ob diagnostiziertes AD(H)S und egal welcher Ursache) und auch über Wahrnehmungsstörungen, schaden mMn. keinem Lehrer. Im Gegenteil, manchmal können kleine Änderungen im Schulalltag dem Schüler, aber auch der Klasse und dem Lehrer, ein bisschen die Arbeit erleichtern.
Ein klitzekleiner, hilfreicher und mehrfach von mir und Kollegen erprobter “Trick” für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten: Arbeitsblätter mit mehreren verschiedenen Aufgaben für diese Kinder teilen, so dass sie immer nur einzelne Aufgaben sehen und erst nach Beendigung dieser die nächste Aufgabe erhalten. Für bestimmte Schüler haben wir auch die Schrift vergrößert bzw. die Aufgaben auf farbiges Papier kopiert. Alles kein großer Aufwand, kann aber helfen. Einfach mal probieren! Ach noch etwas: in der GS hatten wir auch verschiedenfarbige Lesehilfe-Streifen, die, die zu lesende Zeile im Buch oder auf dem Arbeitsblatt markierten. Diese Streifen werdenübrigens auch bei Legasthenikern genutzt.
Das mit dem Aufgabenteilen habe ich bei bestimmten Kindern (GS) auch so praktiziert;
sehr gut funktioniert hat es auch mit einer kleinen Sanduhr: das Kind sollte selbst bestimmen, wie viele Durchläufe es für eine Aufgabenreihe seiner Ansicht nach benötigt.
In den meisten Fällen waren die SuS in gut der Hälfte der Zeit fertig – weniger Störungen, weniger Gejammer und mehr Zeit fürs Freispiel.
Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die Stress bereiten oder verhindern. Ein Erlebnis hat sich mir eingeprägt: 1. Unterrichtsstunde/ eine Klasse bei mir im Fachunterricht/ ein zuvor eher unauffälliger Schüler ist von Beginn an total neben der Spur, zappelig, laut, sucht Streit mit Mitschülern – 45 Minuten purer Stress für alle, beruhigende Worte, Fragen, was los ist… – nichts hilft. Nach der Stunde wechselt die Klasse zum Unterricht beim Klassenlehrer. In der Pause “warne” ich schnell noch den Kollegen, dass irgendwas mit dem Schüler nicht stimmt und er vorbereitet sein soll. Nächste Pause im Lehrerzimmer: ich frage, wie die Stunde war, Antwort: der Schüler war, wie immer, unauffällig, ruhig. Jetzt wollte ich es wissen: was war bei mir schief gelaufen? – ab auf den Schulhof und das Gespräch mit dem Schüler gesucht und ihn gefragt, was ihn gestört hatte – das einzige, was ich als Antwort erhielt: “Das Licht!”, … hmm… Als ich nach der Pause in meinen Raum kam, hatte ich plötzlich die “Erleuchtung” – eine Leuchtstoffröhre war kaputt, flackerte und machte komische Geräusche – das hatte den Schüler anscheinend “getriggert”. Lösung: Hausmeister legte die Röhre sehr schnell still und wechselte sie später aus, Info im Lehrerzimmer an die Kollegen, kaputte Leuchtstoffröhren schnell auszuschalten.
P.S.: Statt auf farbiges Papier kopieren, hilft manchen Schülern auch eine darüber gelegte farbige Folie, die den entsprechenden Aufgabenbereich markiert, sich besser zu konzentrieren.
Sind zusätzlich zum ADHS diagnostizierte Komorbiditäten vorhanden, z. B. Legasthenie, Rechenschwäche usw, sind Sie, je nach Bundesland, sogar zu einem Nachteilsausgleich verpflichtet. Und das ist gut so. Durch einfache Methoden wie zum Beispiel Zeitverlängerung haben aufmerksame und erfahrene Lehrkräfte auch früher schon ganz unbürokratisch und pragmatisch entsprechenden Schülern geholfen. Das muss nicht unbedingt ein besonderer Mehraufwand sein. Es ist nicht egal, ob die betroffenen Schüler Hilfe erfahren oder im Stich gelassen werden!
Dadurch verschwinden die Symptome einer ADHS zwar nicht, aber sie werden sehr wohl gemildert. Das ist im Interesse der Lehrer und der ganzen Klasse samt Eltern.
Manche Dinge kann man auch einfach unter dem Stichwort “sekundärer Krankheitsgewinn” abheften.
Sobald der (mediale) Zug Fahrt aufnimmt, spring man gerne auf. Depressionen, Burnout…irgendetwas findet sich schon.
Bei der überbordenden Pathologisierung und dem überbordenden Diagnosewahn bzgl. Kindern könnte man schon an Münchhausen by Proxy nachdenken.
“Ein gesunder Mensch ist auch nur ein Mensch, der nicht gründlich genug untersucht wurde.” (Anonym)
Noch anzumerken: ADHSler sind nicht immer nur deskonzentriert. Wenn sie ein Thema interessiert, können sie hyperfokusiert sein. Aber nur dann, und das macht es zumindest bei den Intelligenten für die Umwelt so unverständlich.
Viele Erwachsene sind in der Tat unterdiagnostiziert. Ein Test mit Ritalin zeigt normalerweise schnell Resultate. Neurotypische Menschen werden davon müde, ADHSler konzentrierter. Alles aber immer nur bei Leidensdruck, wenn jemand erwachsen ist und gut integriert, braucht er keine Medikamente.
Es gibt einige Stimmen aus der Forschung, die ADHS (oder ADHD im Englischen) als eine ungünstige Namensgebung empfinden. Tatsächlich ist es weniger das Problem, sich konzentrieren zu können, als vielmehr die Schwierigkeit, die Konzentration auf das Erforderliche zu lenken.
Hier wird jedoch deutlich, dass es sich um ein Impulskontrollproblem handelt, und daher ist auch ADS mit unaufmerksamer Symptomatik (typischer Tagtrauemer) weiterhin ein Impulskontrollproblem.
Es ist im Prinzip das Unvermögen, sich trotz besseren Wissens auf das Richtige zu konzentrieren – den Impuls, geistig etwas anderes tun zu wollen, zu lenken.
“Neurotypische Menschen werden davon müde, ADHSler konzentrierter.” – ganz so einfach scheint es nicht zu sein. ADHS-Medikamente werden gern als Aufputschmittel genutzt. Sind das wirklich alles unterdiagnostizierte ADHSler oder auch Menschen, die sich unbedingt selbstoptimieren wollen. Ich bin mir da nicht sicher.
https://www.prisma.de/news/Gedopte-Gesellschaft-Streitfall-Ritalin-und-Co.-ADHS-Medikament-als-Aufputschmittel,26245064
Ich sehe das auch so. Vor Jahren erzählte uns ein Arzt, dass Medizinstudenten vor der Prüfung manchmal Amphetamine/ Ritalin nehmen würden, um sich länger für die Prüfungsvorbereitungen wach halten zu können.
Bei ADHSlern allerdings, so erkläre ich es mir, wird eine Art ” Normalwachzustand”
herbeigeführt, der es möglich macht, sich auf durchschnittlichem Niveau zu konzentrieren, was durch bestimmte neurologische Probleme ansonsten nicht möglich ist.
“Normalzustand” durch ADHS-Medikamente? – Da frage ich mich, schon seit Jahrzehnten:
Noch einmal, ich bin nicht generell gegen medikamentöse Behandlung. Sie kann wirklich hilfreich sein. Aber mMn. wird die “Pille” oft zu schnell als bequemer Lösung gesehen, ohne die Ursachen genauer zu untersuchen.
Ergänzung zum “Normalzustand”: In den letzten Dienstjahren bekamen wir in der Schule verstärkt mehrseitige Fragebögen von den Psychologen/Ärzten. Einen Teil sollten die Eltern ausfüllen, den anderen Lehrer und Erzieher. Meist füllten wir in der Schule diese im Team (Klassenlehrer, Sonderpädagoge, Erzieher/Sozialpädagoge) aus. Schon im Team gab es z. T. verschiedene Wahrnehmungen zu bestimmten Punkten, der Unterschied zu den Wahrnehmungen der Eltern war oft noch größer = verschiedene Fremdwahrnehmungen. Wenn ich mich recht erinnere gab es kaum/keine (?) Fragen zur Selbstwahrnehmung des Schülers.
P.S. “Teamstunden” für solche Sachen gab es keine und auch keine offiziellen Teams. 🙂 Das lief in der außerunterrichtlichen Zeit – aber die Schule war relativ klein, die Zusammenarbeit meist sehr gut.
Bitte lesen Sie genau: Ich habe “NormalWACHzustand” geschrieben und nicht “Normalzustand “.
Eine Vigilanzminderung würde auch erklären, warum Amphetamine bei manchen Kindern helfen und bei anderen nicht.
Das sollte natürlich immer genau diagnostisch abgeklärt werden. Ich vermute auch auch, dass manchmal Medikamente zu schnell verschrieben werden.
Ich hatte es richtig gelesen. Aber auch da stellte sich mir die Frage, was ist der “Normalwachzustand”? Auch dies betrifft die Definition von “normal”, deshalb mein genereller Hinweis auf die Festlegung von “Normalität”. Ansonsten bin ich mit Ihnen einverstanden.
Ja, das ist die schwierige Frage. Vieles ist ja noch ungeklärt und wohl recht kompliziert. Spontan fällt mir ein, dass ADHS Kinder häufig Begleiterkrankungen haben. Manche können die Wachheit beeinträchtigen, z. B. Asthma, oder Apnoe. Oder auch häufige Infektionen. Natürlich hier die Frage: Ist die Begleiterkrankung womöglich die Ursache?
Und warum werden hyperaktive Kinder überhaupt durch ein Weckmittel ruhiger? Müssten sie dadurch nicht lebhafter und unruhiger werden? Auch die Frage: Warum macht Müdigkeit manche Menschen unruhig?
Es gibt auch einen Subtyp von ADHS, der der SCT Diagnose sehr ähnlich ist.
Ja! Fragen über Fragen!
https://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivit%C3%A4tsst%C3%B6rung#%C3%9Cber-_und_Unterdiagnostizierung
Oh das Leid der Betroffenen ist durchaus real, nur begreifen viele nicht was dahintersteckt. Gerade mit Medikamenten ruhiggestellte Menschen brauchen oft Jahrzehnte um zu erkennen, das die Ursache ihres Verhaltens auf Traumatisierungen in ihrer Kindheit zurückzuführen sind. Was auch auf mich zutrifft. Drogenabhängigkeit, Angststörung, Beziehungsstörungen, das ist nicht angeboren, sondern auf den vertuschten psychischen MIssbrauch durch meine Eltern in meiner Kindheit zurückzuführen, doch es hat gedauert dies zu erkennen.
Ja, wie ich an anderer Stelle schon schrieb, die ADHS-Symptomatik kann mMn. verschiedene Ursachen haben und manchmal stellt sich (zumindest mir) auch die Frage, was bedingt was? Führen z. B.die bipolare Störung, Depression oder Borderline zu ADHS-Symptomen oder ist es umgekehrt?
Also ADHS Symptome (Probleme mit der Gefühlsregulation ) und die sogenannten “Begleitstörungen”, von denen ich einige benannt habe, sind im Grunde häufig eine “Modediagnose” welchen PTBs zugrunde liegt.
Klar das die Diagnose ADHS deutlich bequemer ist als Trauma, weshalb sie so oft gestellt wird. Da muss man nicht nach den Ursachen im engsten Umfeld schauen, welches, aus Gründen, kein Interesse daran hat dies zu beleuchten.
Was Autismus & ADHS mit Trauma zu tun haben
https://www.youtube.com/watch?v=pGZvQIR7gos
Ja, so auch meine Erfahrungen aus einem langen Sonderschullehrer-Leben!
Vielleicht schauen wir bald, wer kein ADHS hat. Nein, ich möchte diese neurologische Krankheit nicht kleinreden. Depressionen ebenfalls nicht. Aber: Wer heutzutage eine Diagnose möchte, der bekommt auch eine. Wenn Arzt A sie nicht stellt, dann eben Arzt B oder C. Ich gehe von einer Minderheit aus, die nach der Diagnose strebt. Dennoch erleben wir, dass es Menschen gibt, die sich auf der Diagnose ausruhen, ohne die genannten Sympthomatiken augenscheinlich vorzuweisen.
Wie viele sind das , die sich auf dieser Diagnose ausruhen? Sicher nur ein kleiner Prozentsatz!
Viele wären froh, sie hätten diese Diagnose nicht! Ein ausgeprägtes ADHS sorgt für enormen Leidensdruck! Zuerst bei den Eltern, weil es keine Stellschraube gibt, um dieses Syndrom abzustellen, auch wenn es Außenstehende tausend Mal besser wissen, und zum zweiten beim Kind, wenn Eltern zu sehr unter Druck geraten und es nicht schaffen, zu ihrem Kind zu stehen und ihm zu helfen. Dann entsteht als Sekundärproblematik eine Stigmatisierung beim Kind. Das sollten Sie ale Sozialarbeiter wissen!
Manche Eltern, die ihr Kind untersuchen lassen, hoffen auf eine Autismus Diagnose, weil ADHS noch immer das Stigma des elterlichen Versagens hat, obwohl man schon lange weiß, dass viele Faktoren, vor allem auch genetische, eine Rolle spielen.
Genetische Faktoren spielen in einigen (vielen?) Fällen eine Rolle – leiden die Eltern schon unter ADHS fällt es ihnen schwerer, die benötigten festen Strukturen und Hilfen zu bieten, die das Kind benötigt. Andererseits werden sie selbst noch mehr durch ihr eigenes Kind gestresst. Dadurch können sich die Symptomatik und daraus entstehende Probleme noch gegenseitig verstärken. Man müsste also nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern untersuchen und gegebenfalls behandeln.
Also Gene spielen bei ADHS schon eine Rolle. Das ist ja durch Studien, auch Zwillingsstudien, erwiesen. Allerdings haben Eltern, die die gleiche Veranlagung haben, auch die Chance, ihr Kind besser zu verstehen und ihm zu helfen. Eltern entwickeln sich ja auch weiter. Gerade bei ADHS weiß man auch, dass die Betroffenen vieles im Laufe ihres Lebens noch lernen, was sie anfangs nicht so rasch und leicht lernen konnten wie andere. Das betrifft zum Beispiel die Selbststeuerung, das Organisatorische und vieles mehr. Für vieles brauchen sie einfach mehr Zeit als andere, und sie werden darin keine Perfektionisten. Aber sie lernen, sich selbst zu helfen, sich mit ihrer Art zu arrangieren. Immer vorausgesetzt, dass keine Stigmatisierung stattfindet durch das Umfeld, was dann zu Schuldgefühlen und Selbstzweifeln führen kann und zu weiterem Stress.
Und oft ist ja nur ein Elternteil betroffen, dann kann ja der andere das ausgleichen. Habe ich schon oft beobachtet. In unkomplizierten Fällen klappt das ganz gut, auch wenn gute Begabungen da sind, die das Kind entwickeln kann und die ihm als Kompensation für seine Schwächen dienen. Schwierig wird es, wenn Begleiterkrankungen vorliegen.
Ich stimme Ihnen zu. Allerdings gibt es nicht nur bildungsaffine Elternpaare, sondern auch alleinerziehende und/oder bildungsferne mit entsprechender Problematik. Wie wird denen geholfen?
Durch besonders geschickte Pädagogen, mit Motivation, Aufgeschlossenheit, Engagement, so wie Sie, zum Beispiel. Die das Kind, den Menschen sehen, der sich hinter der Diagnose verbirgt.
Natürlich auch durch kleinere Klassen, wobei, Kleinklassen mit prozentual vielen adhs Schülern finde ich auch nicht gut. Besser verteilen auf mehrere Klassen.
Wenn man Glück hat, durch Großeltern, die einem das Kind zeitweilig abnehmen und sich kümmern.
Durch Lehrer, die selbst so ein Kind oder Enkelkind haben und deshalb einen anderen Zugang finden.
Durch sorgfältige Diagnose und Therapie von Begleiterkrankungen, von klein auf, denn diese können die Entwicklung möglicherweise blockieren.
Vielleicht, vielleicht, vielleicht…..
So einfach, wie es sich in meinem oberen Beitrag anhört, war es bei uns absolut nicht. Eher eine schlimme Odyssee mit wenigen Lichtblicken.
Alles schon lange her. Das schlimmste war nicht die Diagnose, egal, wie sie heißt, sondern die verbal aggressiven Reaktionen im Umfeld in der Zeit davor.
Mein Mann hat durch unser Kind einen guten Zugang zu schwierigen Schülern in der Brennpunktschule bekommen, in der er jahrzehntelang tätig war. Eine ältere Grundschullehrerin, die große Bedenken hatte, als unser Kind in ihre Klasse kam , meinte nach einiger Zeit: So schlimm ist er ja gar nicht! Sie entdeckte, wie sie ihn unterstützen konnte, dass er seine Mathematikaufgaben bewältigen konnte. Später, als sie Enkel hatte, war der Älteste sehr schwierig und brauchte viel Unterstützung. Ihr Fazit, wörtlich: Jeder Lehrer sollte so ein Kind haben!
Hier noch ein paar kleine Tipps, die sich in meiner Arbeit mit hyperaktiven, konzentrationsschwachen, übersensiblen oder wahrnehmungsbeeinträchtigten Schülern bewährt haben. Sicher kennen viele Lehrer vieles schon davon. Aber in den letzten Jahren an der GS merkte ich, dass die Kollegen oft dankbar für Hinweise und Hilfsmittel waren. Ältere Kollegen sagten mir, dass sie das zwar z. T. im Studium gelernt, aber im Alltag oft wieder vergessen hatten. Jüngere Kollegen kannten diese Kleinigkeiten oft nicht (?). Natürlich passt nicht alles auf jeden Schüler und jede Klasse. Aber einen Versuch ist manches sicher wert:
Sitzplatz des Schülers im Klassenraum – S mit Wahrnehmungsstörungen sitzen am besten frontal zur Tafel und zum Lehrer/ hyperaktive, konzentrationsschwache S sitzen oft am besten hinten im Klassenraum. Da haben sie “das Geschehen” vor sich und müssen sich nicht immer umdrehen, um zu sehen, was hinter ihnen passiert. (Hör- und Sehprobleme müssen natürlich außerdem beachtet werden)geräuschdämmende Kopfhörer – haben sich in meinen ESE-Gruppen sehr bewährt und wurden z. T. von Regellehrern für ihre Klassen übernommen. Das Tragen war natürlich freiwillig. Sitzbälle bzw. Sitzkissen für hyperaktive S – kennen sicher viele. Nachteil der Sitzbälle,nach meiner Erfahrung, nicht lange haltbar und teuer. Außerdem kann das “Zappeln” andere S und den Lehrer nervös machen (v. a. wenn mehrere in der Klasse sind). Sitzkissen sind preiswerter und etwas länger haltbar und nicht so unruhig, helfen aber manchen S auch schon.das nächste Hilfsmittel “Therapiewesten”, habe ich nicht selbst ausprobiert. Es fand sich niemand, der das bezahlen wollte. Aber als ich auf der Suche nach Hilfe für ein besonders “zappeliges” Kind war, stieß ich auf diese “Sandwesten” (siehe nachfolgenden link). Mangels Finanzierung, griff ich selbst zu Nadel und Faden und nähte für dieses Kind ein mit Granulat gefülltes Schulterkissen in Kuscheltieroptik. Ich erklärte dem Jungen und den Eltern, dass es helfen soll, sich zu konzentrieren und er es bei Bedarf nutzen darf (auch die anderen S der Kleingruppe). Es wurde gut angenommen und erfüllte nach meinen Beobachtungen seinen Zweck in besonders “unruhigen” Phasen.https://www.familie-mit-adhs.de/unterst%C3%BCtzung/therapien/gewichtstherapie/https://adhs-deutschland.de/adhs-therapie/einsatz-von-sogenannten-sandwesten
Sollte jemand Fragen dazu an mich haben, beantworte ich die natürlich gern (wenn ich kann).
Ich hoffe, diese kleinen Ideen sind für manchen Kollegen hilfreich. Vielleicht gibt es ja noch andere Tricks, die sich in der Praxis bewährt haben und ausprobiert werden können?
P.S.: Mein Vorteil als Sonderschullehrer an einer GS: Ich konnte meine Fö-Schüler in ihren Regelklassen begleiten und so auch die Klassensituation und die Rolle des Schülers als “Außenstehender” beobachten. Wenn mein Fö-Schüler gerade nicht meine unmittelbare Hilfe benötigte, stellte ich mich gern mal kurz als Beobachter hinten in die Klasse. Dabei sieht man oft Kleinigkeiten, die dem Regellehrer im Alltagsstress schnell untergehen. Das ist kein Vorwurf. In Zeiten als ich selbst Klassen- bzw. Fachlehrer war, ging es mir nicht anders und ich war froh, wenn mir Kollegen ihre Beobachtungen mitteilten. Also folgende Kleinigkeiten fielen mir ab und zu auf:
Mein Tipp an Lehrer, die “problematische” Schüler in der Klasse haben, diese mal bei einem anderen Lehrer im Unterricht “beobachten” oder mal einen Kollegen als “Beobachter” in den eigenen Unterricht einladen. Ja, ich weiß, das ist eine Zeitfrage, aber oft nützlich und hilfreich.
Ein “Beruhigungstrick” bei hyperaktiven, unkonzentrierten Schülern ist allerdings mittlerweile in Verruf geraten – für kurze Zeit eine Hand auf die Schulter legen. Es hat einige meiner SChüler oft tatsächlich kurz beruhigt. Heute könnte man als Lehrer (m/w/d) wegen sexueller Übergriffigkeit Ärger bekommen. Da hatte ich wohl Glück. Es hat sich keiner (m/w/d) beschwert, weder von den Grundschülern, noch von meinen 8Klässlern an der Sonderschule. Vielleicht, weil ich eine Frau bin und sie mich dann wie eine Mutter/später Oma wahrgenommen haben? Allerdings hatte ich auch ganz wenige Schüler, die keine Berührungen mochten, das habe ich natürlich respektiert, wenn ich merkte, dass sie Berührungen auswichen.
Zum “Therapie-Kissen” ist mir noch eingefallen, dass der Junge, für den ich es ursprünglich anfertigte, es auch manchmal auf die Oberschenkel legte. An manchen Tagen zappelten seine Beine nämlich unaufhörlich und das Kissen schien dann beruhugend zu wirken. Es handelte sich übrigens um das Kind, welches vermutlich unter der Erbkrankheit (Morbus Fabry) litt, davon erfuhr ich aber erst ca. 1 Jahr nach dem Ersteinsatz des Kissens.( Ein Symptom der Krankheit: kribbelnde, schmerzende Missempfindungen in den Gliedmaßen, die schubweise auftreten).
Bisher wenig bekannt, dass Restless-Legs-Syndrom, gibt es auch bei Kindern und kann mit ADHS verwechselt werden.
https://www.restless-legs.org/wp-content/uploads/2020/04/190507_Flyer_RLS-bei-Kindern.pdf
Für unseren ESE-Förderraum hatten wir immer einen Wunsch, der mangels Finanzierung leider nie verwirklicht werden konnte: ein Stehpult zum Arbeiten für unsere hyperaktiven Schüler. Wir hatten schon überlegt unsere Ehemänner zu “verpflichten”, so etwas zu bauen. Wir mussten auch von diesem Gedanken Abstand nehmen, erstens aus versicherungstechnischen Gründen und zweitens zu kompliziert. So ein Pult hätte höhenverstellbar sein müssen, da wir in den Gruppen Schüler von der 1. bis zur 4. Klasse und manchmal auch “Gäste” aus den 5./6. Klasse betreuten. Allerdings hatten wir einen kleinen Teppich und Kissen im Raum. Da konnten Schüler auch mal im Liegen arbeiten.