Tausende Lehrer im Warnstreik – weitere Aktionen sind geplant

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BERLIN. Mit Warnstreiks und Demonstrationen in vielen Bundesländern haben tausende Lehrer und andere Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes ihre Forderungen im Tarifkonflikt untermauert. An einer ersten Streikwelle am Dienstag, 3. März 2015, beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft rund 5000 angestellte Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Bremen. An vielen Schulen und Berufsschulen fiel Unterricht aus.

Die streikenden Pädagogen versammelten sich in Berlin zur Kundgebung auf dem Dorothea-Schlegel-Platz. Foto: GEW Berlin
Die streikenden Pädagogen versammelten sich in Berlin zur Kundgebung auf dem Dorothea-Schlegel-Platz. Foto: GEW Berlin

Verdi-Chef Frank Bsirske bezeichnete die Warnstreiks als Signal an die Arbeitgeber, in den Verhandlungen nicht länger zu mauern. „Wir müssen zu einer deutlichen Reallohnsteigerung kommen“, forderte er im Deutschlandfunk. In den vergangenen Jahren habe sich bei der Tarifentwicklung eine Schere zwischen Gesamtwirtschaft und Öffentlichem Dienst geöffnet. Die Gewerkschaften fordern für 800.000 Tarifangestellte der Länder 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 175 Euro mehr. Die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) hält das für nicht bezahlbar. Zwei Verhandlungsrunden in den vergangenen Wochen waren aber auch wegen Differenzen über die betriebliche Altersvorsorge und die tarifliche Eingruppierung der Lehrer ergebnislos geblieben.

Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) verlangt von den Gewerkschaften mehr Kompromissbereitschaft. Die Tarifgemeinschaft der Länder habe „einen Tarifvertrag zur Eingruppierung aller Lehrkräfte“ angeboten sowie Gesprächsbereitschaft über weitergehende Forderungen gezeigt. Dies hätten die Gewerkschaften jedoch bisher ohne Grund abgelehnt, sagte der TdL-Chef der „Rheinischen Post“.

In Berlin legten laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein Drittel der 6300 angestellten Lehrer die Arbeit ganztägig nieder, vor allem an Grundschulen. Beamtete Lehrer hielten Unterricht aufrecht oder organisierten eine Notbetreuung. Sie dürfen nicht streiken. Die Streikenden führten vor ihren Schulen dezentrale Aktionen durch. Ab 10.30 Uhr versammelten sie sich auf dem Dorothea-Schlegel-Platz am Bahnhof Friedrichstraße vor der TdL-Geschäftsstelle. „Heute haben wir, über 2.000 Pädagoginnen und Pädagogen, der TdL die erste gelbe Karte gezeigt. Die Wirtschaft schreibt Rekordgewinne, die Steuereinnahmen steigen, die öffentliche Hand schreibt schwarze Zahlen und für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist kein Geld da? Das ist für uns nicht akzeptabel“, sagte Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW Berlin. Der Leiter des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW Berlin, Udo Mertens betonte, dass die Gewerkschaft seit dem Jahr 2006 auf Bundesebene beim Thema Eingruppierung hingehalten werde. „Jetzt will die TdL ihre Bedingungen wieder allein diktieren, ohne irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Wir fordern eine Entgeltordnung, die Verbesserungen für alle enthält.“

Ein weiterer Schwerpunkt der Warnstreiks war NRW: In Düsseldorf, Duisburg, Essen und Wuppertal gab es GEW-Protestversammlungen. Viele Lehrer trugen sich in Streiklisten ein. An allen Streikorten war die Stimmung nach Angaben der Bildungsgewerkschaft kämpferisch. In Duisburg führte der GEW zufolge ein Demozug mit 500 Teilnehmern, darunter auch Schulklassen, zum Heinrich-König-Platz in der Innenstadt. In Essen habe eine Sambatruppe die Streikenden auf ihrem Weg zu den Parteibüros von SPD und Grünen begleitet. Fantasievoll ging es auch in Wuppertal zu: Unter dem Motto „Aufbruch aus dem Mittelalter“ zogen um die 500 Streikenden mit einem historischen Pferdeplanwagen zum Streiklokal im Haus der Jugend, anschließend ging es „Mit Pauken und Trompeten“ durch die Barmer Innenstadt, berichtet die GEW.

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Die gut 250 Pädagogen, die am Dienstag das Klassenzimmer mit dem Streiklokal in Düsseldorf vertauscht haben, sind nicht laut, sie schreien keine Parolen und tragen auch keine Protestplakate. Doch sauer ist jeder auf seine Art. Sie verdienen weniger und finden das ungerecht. „Es sind 180.000 Euro, die man nicht hat“, so eine 51 Jahre alte Förderschullehrerin. Auf diesen Betrag summiere sich über 30 Jahre lang die Gehaltslücke zu Lehrern im Beamtenstatus, rechnet sie vor. „Ich hab dasselbe studiert, hab 1000 Fortbildungen gemacht“, schnaubt eine Gesamtschullehrerin. Über die Differenz der Gehälter sagt die 54-Jährige: „Das ist mein Eigenheim“.

„Jede Stunde Unterricht, die wegen eines Streiks ausgefallen ist, ist eine gut ausgefallene Stunde“, fasst die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer zusammen. Auf der Streikversammlung im Gewerkschaftshaus in der Landeshauptstadt Düsseldorf forderte sie die öffentlichen Arbeitgeber auf, sich endlich zu bewegen. „Ein Tarifvertrag muss her, der die Willkür beendet und einen Einstieg in eine gerechtere Entgeltordnung schafft.“ Tarifkräfte, die in der Sekundarstufe I unterrichten, würden in NRW zwei Entgeltgruppen schlechter bezahlt als in anderen Bundesländern, wie etwa Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt. „Tarifbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer dürfen nicht länger Lehrkräfte zweiter Klassen sein!“

In Niedersachsen folgten laut GEW rund 750 sozialpädagogische Fachkräfte, Schulsozialarbeiter und tarifbeschäftigte Lehrkräfte aus 150 Schulen dem Streikaufruf der Gewerkschaften. Andreas Gehrke, für Tarifpolitik verantwortliches Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer der Bildungsgewerkschaft, kritisierte während der Streikkundgebung in Hannover die Forderung der Arbeitgeber, die Betriebsrenten zu kürzen: „Die Beschäftigten haben sich heute vehement gegen die Kürzungen der Betriebsrente zur Wehr gesetzt. Wer die Betriebsrente einschränken will und keine Gehaltserhöhung anbietet, provoziert weitere Streiks. Zudem muss endlich ein Tarifvertrag für die angestellten Lehrkräfte abgeschlossen werden. Wir erwarten ernsthafte und verhandlungsfähige Angebote der Arbeitgeber für über 200.000 Lehrkräfte.“ Auch in Bremen und Sachsen-Anhalt waren Lehrer zu punktuellen Arbeitsniederlegungen aufgerufen.

Für den 16. und 17. März sind weitere Tarifgespräche geplant. Zuvor soll es nach dem Willen der Gewerkschaften Verdi, GEW und Beamtenbund (dbb) weitere Warnstreiks geben. Dazu sind am Mittwoch, 4. März 2015, zum Beispiel erneut Lehrer in Nordrhein-Westfalen sowie in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch andere Landesangestellte in Baden-Württemberg aufgerufen. dpa

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