Hochstaplerin vor Gericht: Mit gefälschten Papieren 20 Jahre als Lehrerin im Schuldienst

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KIEL. 20 Jahre arbeitete sie als Lehrerin – in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin. Doch laut Staatsanwaltschaft war ihr Staatsexamen gefälscht. Nun kommt die 50-jährige Ex-Beamtin vor Gericht und will sich erstmals äußern.

Eine ehemalige Beamtin, die nach der Wende als falsche Lehrerin rund zwei Jahrzehnte in mehreren Bundesländern unterrichtet haben soll, muss sich von Mittwoch an vor dem Kieler Amtsgericht verantworten. Nach Angaben ihrer Verteidigerin will sich die 50-jährige Angeklagte aus Wismar erstmals zu den Vorwürfen äußern. «Wenn etwas dran ist, will sie reinen Tisch machen», sagte die Verteidigerin. Die Anklage wirft der alleinstehenden Mutter Betrug und Urkundenfälschung vor. Demnach erschlich sich die Frau mit gefälschten Papieren Lehrer-Anstellungen und Verbeamtung.

Der Fall hat auch bundesweit großes Interesse erregt. Das Gericht will an drei Verhandlungstagen mehrere Zeugen hören. Zum Prozessauftakt ist auch den Schulleiter aus Mölln als Zeuge geladen, durch dessen Initiative sie aufgeflogen war. Außerdem wird ein psychiatrischer Gutachter zur Frage der Schuldfähigkeit der Frau Stellung nehmen. Das Urteil wird Mitte Juni erwartet. Bei einer Verurteilung droht ihr eine Haftstrafe.

Der neue Direktor am Möllner Gymnasium hatte 2010 die Schulaufsicht eingeschaltet. Er war wegen der mangelnden Leistungen der Frau misstrauisch geworden, die im Widerspruch zu ihren angeblich guten Abschlüssen standen. Die Kieler Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln. Ende 2012 wurde die Angeklagte suspendiert, Anfang 2013 wurde die Ernennung zur Beamtin zurückgenommen.

Doch trotz der öffentlich erhobenen Vorwürfe und Ermittlungen gelang es der Frau noch einmal in den Schuldienst nach Mecklenburg-Vorpommern zu wechseln. Dort soll sie 2013 an zwei Schulen bei Schwerin unterrichtet haben. Erst durch einen Hinweis der Ermittler an die Schulbehörden wurden auch dort Überprüfungen in Gang gesetzt. Sie soll daraufhin einen Auflösungsvertrag unterschrieben haben.

Ihr Lehrer-Diplom soll die 50-Jährige 1990 erworben haben – in den Fächern Deutsch und der als Propagandafach geltenden DDR-Staatsbürgerkunde. Um nach Wende und Wiedervereinigung als Lehrerin übernommen zu werden, soll sie daraus Sozialkunde gemacht haben. Zudem fälschte sie laut Anklage ihre Staatsexamina. Erstmals soll sie 1991, da war sie Mitte 20, in Wolgast in Vorpommern unterrichtet haben. Medienberichten zufolge fielen angeblich dort bereits Unstimmigkeiten in ihren Papieren auf. Sie sei deswegen 1995 in den Schuldienst nach Brandenburg gewechselt, dann nach Berlin, wo sie auch verbeamtet wurde.

Die Angeklagte, die nach Angaben ihrer Verteidigerin über kein eigenes Einkommen verfügt, sieht sich hohen Rückzahlungsforderungen gegenüber. Das Land Schleswig-Holstein verlangt nach Angaben des Bildungsministeriums seit Ende 2013 die Rückzahlung der Beamtenbezüge. Die Besoldung seit dem 1. August 2008 sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Bisher gebe es aber noch keinen Zahlungseingang, sagte eine Sprecherin. Nach Medienberichten fordert das Land rund 200 000 Euro zurück. Auch andere Bundesländer sollen zu Unrecht gezahlte Bezüge wieder einfordern – angeblich insgesamt weitere rund 80.000 Euro. Karen Katzke, dpa

Zum Bericht: Zwei Jahre auf Bewährung für Hochstapler im Schuldienst

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