Der erste Kindergarten wurde vor 175 Jahren gegründet – Geburtsstunde der frühkindlichen Bildung

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BAD BLANKENBURG. 1840 gründete der Pädagoge Friedrich Fröbel im thüringischen Bad Blankenburg den ersten Kindergarten der Welt. Mit der Idee lenkte Fröbel den Blick auf die erste Lebensphase des Menschen. 175 Jahre später wird nicht nur darüber gestritten, was gute Arbeit von Erziehern wert ist. Wie steht es insgesamt um die frühkindliche Bildung hierzulande?

Friedrich Wilhelm August Fröbel (* 21. April 1782 in Oberweißbach; † 21. Juni 1852 in Marienthal, Gemeinde Schweina) war ein deutscher Pädagoge (Schüler Pestalozzis), auf den die Bezeichnung Kindergarten für Einrichtungen zur Kinderbetreuung zurückgeht. Illustration: Wikimedia Commons
Friedrich Wilhelm August Fröbel (* 21. April 1782 in Oberweißbach; † 21. Juni 1852 in Marienthal, Gemeinde Schweina) war ein deutscher Pädagoge (Schüler Pestalozzis), auf den die Bezeichnung Kindergarten für Einrichtungen zur Kinderbetreuung zurückgeht. Illustration: Wikimedia Commons

Kindergärten boomen in Deutschland. Ob in Ost oder West – der Gang in die Krippe oder zur Tagesmutter gehört schon für unter Dreijährige immer öfter zum Alltag. Bundesweit sind es inzwischen in dieser Altersgruppe mehr als 660 000 Knirpse, Tendenz steigend. Allein der Bund hat sich den Ausbau in den vergangenen Jahren 5,4 Milliarden Euro kosten lassen. Das Betreuungsangebot ist das eine, die Qualität frühkindlicher Bildung das andere. 175 Jahre nach der Gründung des ersten Kindergartens im thüringischen Bad Blankenburg sehen Fachleute nach wie vor erhebliche Baustellen, was die frühkindliche Bildung in Deutschland anbelangt.

«Beim Ausbau der Kindergärten hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan», konstatiert Michael Winkler, Leiter des Instituts für Bildung und Kultur der Universität Jena. «Woran es massiv hapert, ist die Qualität.» Zur selben Einschätzung kommt der Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung. Die Autoren verweisen ebenso wie Winkler als Hauptursache auf den Personalschlüssel. Und darauf, dass bundesweit einheitliche Qualitätsstandards in Form eines Bundes-Kita-Gesetzes fehlen. Dieses Problem hat auch die Politik erkannt und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet – Ende 2016 soll ein erster Bericht vorliegen.

Denn die regionale Kluft ist gewaltig. Nicht nur, dass traditionell in Ostdeutschland die Betreuungsquote viel höher ist – sie lag nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes zuletzt bei den unter Dreijährigen mit 52 Prozent fast doppelt so hoch wie im Westen (27,4 Prozent). Auch die Zahl der Kinder pro Erzieher schwankt gewaltig. Kann sich in Bremen und Baden-Württemberg im Schnitt eine Erzieherin um drei Kinder dieser Altersgruppe kümmern, sind es im Osten im Schnitt mehr als sechs. Insgesamt bezifferten die Experten voriges Jahr den weiteren Bedarf an Erziehern auf rund 120 000 bundesweit.

Spätestens mit dem Pisa-Schock von 2001 ist die frühkindliche Bildung schlagartig in den öffentlichen Fokus gerückt. In der Studie wurden zwar die Leistungen 15-Jähriger gemessen. Klar war aber, dass schon früher angesetzt werden muss. Zudem zeigen Studien, dass im Kleinkindalter die Grundlagen für die spätere Bildungskarriere gelegt wird. So geht es auch um Chancengerechtigkeit für Kinder aus bildungsfernen Familien.

Ideen, die schon Friedrich Fröbel im 19. Jahrhundert erkannt hatte – und mit dem Kindergarten ein Konzept schuf, das auch in vielen anderen Ländern populär wurde. Margitta Rockstein, die einen wichtigen Teil seines handschriftlichen Nachlasses bewahrt, spricht von einer «pädagogischen Revolution». «Es ging ihm einerseits um Bildung für alle Kinder, egal welcher sozialer Herkunft und welchen Geschlechts», erklärt sie. «Und er wollte die Entwicklung der Kinder beim Spielen fördern und anregen.» Dabei hatten etwa Sprachförderung und Naturbeobachtung einen wichtigen Platz in seinem Konzept.

Doch Pädagogik-Professor Winkler sieht sich heute manchmal in die Zeit vor Fröbel zurückversetzt. «Mitunter wird der Kindergarten darauf zurückgestuft, Kinder nur zu betreuen.» Denn angesichts des demografischen Wandels habe die Wirtschaft ein großes Interesse daran, dass Eltern rasch an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Doch bei den aktuell oft großen Gruppen könnten Erzieherinnen nicht so intensiv pädagogisch arbeiten wie nötig. «Um sich die Welt anzueignen, brauchen Kinder vor allem eines: Bindung.»

Andererseits schlage bei manchen Eltern das Pendel in einen «Förderwahn» aus. Nicht nur, dass Kinder schon im Mutterleib mit klassischer Musik beschallt werden, auch Fremdsprachenkurse in Kindergärten sind en vogue. Da erscheint Spielen im Extremfall schon als Zeitverschwendung. «Frühkindliche Bildung darf aber nicht damit verwechselt werden, Kinder schon im Kindergarten zu beschulen», warnt Fröbel-Expertin Rockstein. «Die Kinder lernen vielmehr im Spiel.»

Mit der Erfindung des «Kindergartens» hat der Pädagoge Friedrich Fröbel (1782-1852) Weltruhm erlangt. Das zeigt sich daran, dass der Begriff in andere Sprachen übernommen wurde. Fröbel hatte erkannt, dass das Fundament der Bildung in der frühen Kindheit gelegt wird. So gründete er 1840 im thüringischen Bad Blankenburg den «Allgemeinen Deutschen Kindergarten». Die Rolle des Erziehers sah er ähnlich der eines Gärtners, der das Kind wie eine Pflanze behütend und schützend aufziehen soll, es dabei fördert und anregt. In Fröbels Konzept spielen auch Bewegung, Naturbeobachtung und Sprachförderung eine wichtige Rolle. So gehörte zu seinem Kindergarten ein Garten, in dem jedes Kind ein eigenes Beet betreute.

Sein Engagement für die Pädagogik hatte Ursachen in seiner eigenen Kindheit. Er selbst resümierte einmal: «Frühe erhielt ich die Weihe des schmerz- und druckvollsten Lebenskampfes, und Unnatur und eine mangelhafte Erziehung übten ihren Einfluss auf mich aus.» Die Mutter war neun Monate nach seiner Geburt gestorben; sein Vater schickte den Knaben später als einzigen Jungen auf die örtliche Mädchenschule.

Heute ist für immer mehr Kinder in Deutschland der morgendliche Gang in den Kindergarten oder zur Tagesmutter Alltag. Bundesweit sind es rund 2,6 Millionen Kinder von 0 bis 5 Jahren. Dabei ist vor allem der Anteil in der Gruppe der unter Dreijährigen stark gewachsen. Lag er laut Statistischem Bundesamt 2007 noch bei 15,5 Prozent, hat er sich bis zum Stichtag 1. März 2014 auf 32,3 Prozent mehr als verdoppelt. Bei den Drei- bis unter Sechsjährigen wuchs der Anteil im selben Zeitraum von 89 auf mehr als 93 Prozent. Seit 1. August 2013 hat jedes Kind ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Von Andreas Hummel, dpa

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Dinosaurier der Pädagogik
1 Jahr zuvor

1840 Fröbel.
2023 Fraulau. Etwas hat überlebt …

(Bitte nix weitersagen! Dil)

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor

Nicht vergessen werden sollte, dass Friedrich Wilhelm August Fröbel Wert darauf gelegt hat, dass Kinder Erfahrungen in einem Garten erleben konnten.

Heute ist es politisch gewollt, dass der Begriffe „Kita“ sich durchsetzt und im Amtdeutsch und meist auch in der Presse ist nicht mehr von „Kindergärten“, sondern von „KINDERTAGESSTÄTTEN“ die Rede. Kindertagesstätten und Krippen können (leider!!!) eine Betriebserlaubnis bekommen, auch wenn die Einrichtung gar keinen Garten, manchmal noch nicht einmal ein Außengelände für die Kinder aufweisen kann.

Kindern in Städten und auch anderswo einen Garten vorzuenthalten, empfinde ich als asozial gegenüber Kindern.

Fröbel hat etwas initiert, von dem später viele Menschen und vor allem Kinder profitiert haben. Gäbe es keine Kindergärten, müsste man sie erfinden. – Für Krippen möchte ich das allerdings nicht behaupten.