Kolumne zum Schulrecht: Vorsicht bei zu viel gezahlten Bezügen – Rückzahlung wahrscheinlich

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DORTMUND. In unserer Schulrechts-Serie erklären Schuljuristen aktuelle Probleme aus Ihrer Beratungspraxis. Eine Kooperation mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE NRW).

Das Problem:

Ich bin verbeamtete Lehrerin in der Grundschule. Letzte Woche erhielt ich vom Landesamt für Besoldung und Versorgung einen Bescheid, in dem dieses eine hohe Summe Bezüge zurückfordert. Ich habe wohl die letzten vier Jahre eine Funktionszulage erhalten, obwohl ich gar kein Funktionsamt ausübe. Muss ich tatsächlich das ganze Geld zurückzahlen? Das LBV hat hier doch einen Fehler gemacht und nicht ich.

Juristin Inka Schmidtchen berät Lehrkräfte beim VBE NRW zu schulrechtlichen Fragen. (Foto: VBE)
Juristin Inka Schmidtchen berät Lehrkräfte beim VBE NRW zu schulrechtlichen Fragen. (Foto: VBE)

Die Antwort von RAin Inka Schmidtchen, Justiziarin VBE NRW:

Leider können solche Fälle selten zugunsten der Kollegen entschieden werden. Grundsätzlich gilt zwar, dass von einer Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden kann, diese Entscheidung liegt allerdings im Ermessen der Behörde.

Bei Rückforderungen von Beamten werden allerdings hohe Maßstäbe angesetzt. Es wurde bereits mehrfach entschieden, dass Beamtinnen und Beamte bei einer ihnen nicht zustehenden Zulage kein Vertrauen genießen. Daher kann hier eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung in der Regel nicht erfolgen. Der Beamtenstatus verlangt, dass jeder Beamte und jede Beamtin mit den Grundprinzipien des Beamtenrechts vertraut ist und daher auch seine Besoldungsbestandteile kennen muss. Bei Unklarheit soll die Dienststelle angefragt werden. Besoldungsmitteilungen müssen immer auf Richtigkeit und eventuelle Überzahlung überprüft werden – so zuletzt das Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 21.4.2015, AZ.4 A 193/13.

Bei der Billigkeitsentscheidung, die von der Dienststelle vorgenommen wird, wird geprüft, in wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung fällt und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden gesehen werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann eine Rückforderung um 30 Prozent gekürzt werden, wenn

             der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. Die Überzahlung beruht beispielsweise auf einem Fehler des Computersystems oder einem Eingabefehler, wobei der Fehler auch bei nachfolgenden Kontrollen über einen langen Zeitraum unbemerkt blieb.

             Die Beamtin oder der Beamte hat nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt.

             Die Beamtin oder der Beamte ist entreichert. Kann sich aber auf den Wegfall der Bereicherung wegen Offensichtlichkeit des fehlenden Rechtsgrundes nicht berufen. (Das heißt, dass er tatsächlich das Geld nicht mehr hat, was er Zuviel erhalten hat, darauf kann er sich rechtlich aufgrund seines Beamtenstatus aber nicht berufen, siehe oben.)

Wenn besondere wirtschaftliche Probleme der Beamtin oder des Beamten vorliegen, kann auch eine darüberhinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.

Zudem ist zu beachten, dass in der Regel Ratenzahlungen eingeräumt werden. Dienstherr und Beamtin oder Beamter sollen sich über die Modalitäten der Rückzahlung verständigen (vgl. BVerwG v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 -, Rn. 22).

Auch kann bei einer Zuvielzahlung über einen längeren Zeitraum die Einrede der Verjährung geltend gemacht werden. Ein Rückforderungsanspruch verjährt nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit, hätte erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).

Ich rate Ihnen, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen. In diesem sollten Sie die Einrede der Verjährung geltend machen und darlegen, weshalb unter Billigkeitserwägungen von einer Rückzahlung in voller Höhe abzusehen ist.

 

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