Ein Schwung von Flüchtlingskindern kommt jetzt in die Regelklassen – GEW schlägt Alarm: Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung

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KIEL. Tausende von Flüchtlingskindern wechseln zum Schulhalbjahr aus sogenannten Willkommensklassen in die Regelklassen der allgemeinbildenden Schulen. In Schleswig-Holstein schlägt die GEW deshalb jetzt Alarm: Die Integration sei kein Pappenstiel – und für die Lehrkräfte nicht mal so nebenbei zu erledigen. Die Schulen benötigten mehr Unterstützung. Eine zusätzliche Schwierigkeit, über die aktuell die „Volksstimme“ aus Sachsen-Anhalt berichtet: Offenbar haben Schulen in sozialen Brennpunkten besonders viele Flüchtlingskinder zu unterrichten. In bürgerlichen Vierteln, so heißt es, hätten die Schulen dagegen vergleichsweise wenige solcher Schüler zu integrieren.

Für Flüchtlingskinder, die eine Abschiebung fürchten müssen, ist die Situation belastend. Foto: DFID - UK Department for International Development / Wikimedia Commons (CC-BY-2.0)
Flüchtlingskinder zu integrieren, ist für Lehrkräfte arbeitsintensiv. Foto: DFID – UK Department for International Development / Wikimedia Commons (CC-BY-2.0)

In Schleswig-Holstein kämen in diesen Tagen etwa 1200 Flüchtlingskinder zum Schulhalbjahr in die Regelklassen. Bisher erhielten diese Kinder und Jugendlichen Deutschunterricht in DaZ-Zentren, das Kürzel steht für „Deutsch als Zweitsprache“. Nun sollen sie in den normalen Schulbetrieb integriert werden. „Aus den Erfahrungen an den Schulen weiß die GEW: Die Integration von neuen Schülerinnen und Schülern ist für Schulen eine große Herausforderung. Die können die Lehrerinnen und Lehrer nicht nebenbei leisten“, so heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft.

„Wir brauchen nicht nur DaZ-Lehrerinnen und -Lehrer für den Unterricht in der Basisstufe in den DaZ-Zentren“, also für das erste Jahr Deutschunterricht. „Auch in den Regelklassen muss dringend mehr Unterstützung ankommen“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Katja Coordes, die selbst als DaZ-Lehrerin an einer Schule in Kiel unterrichtet, in Kiel. „110 Lehrerstellen stellt die Landesregierung bereit. Das ist schon eine gute Maßnahme. Uns erscheint es aber zweifelhaft, ob die Stellen ausreichen werden.“

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Aus ihrer Sicht seien die laut Erlass geplanten zwei bis sechs Stunden „Aufbauunterricht“ zu wenig, um die Sprachentwicklung der Kinder und Jugendlichen so zu fördern, dass sie dem Regelunterricht gut folgen könnten. „Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Großteil  dieser Kinder und Jugendlichen nach einem Jahr in Deutschland in der deutschen Sprache bei weitem noch nicht so sattelfest ist.“

Viele Schulen konnten inzwischen bereits Erfahrung im Umgang mit DaZ-Schülern sammeln. Nach wie vor kommen die meisten allerdings an den Grundschulen und Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe an. Von 587 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe wechseln jetzt nur 116 an Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe und 47 an Gymnasien. Die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende plädierte dafür, mehr Schulen miteinzubeziehen, um die Aufgaben auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Schulen mit schwierigem Einzugsgebiet sollten darüber hinaus bei der Personalzuweisung gestärkt werden.

„Ghettoisierung“ droht

Tatsächlich scheinen ausgerechnet die Schulen, die ohnehin schon besonders belastet sind, jetzt besonders viele Flüchtlingskinder integrieren zu müssen. So zitiert die „Volksstimme“ einen Grundschulleiter aus Magdeburg, der bereits vor einer „Ghettoisierung“ warnt. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper räumt dem Blatt zufolge ein, dass es viele Flüchtlingskinder in der Nähe von Gemeinschaftsunterkünften und in preiswerten Quartieren gebe. In bürgerlichen Quartieren würden dagegen wenige oder gar keine Flüchtlingskinder lernen.

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Für die Brennpunkt-Schulen hat das Konsequenzen. Der Grundschulleiter berichtet: „Wir bemühen uns, Flüchtlingskinder in verschiedenen Lerngruppen unterzubringen.“ Das funktioniere aber nicht, wenn stetig neue Zuwanderer in einzelne Schulen kämen. Ein anderer Grundschulrektor ergänzt: Wo nur zwei Flüchtlingskinder in der Klasse sind, mag das für die Integration noch gut sein. „Sitzen dort aber sieben Kinder oder acht, wie bei uns, sprechen sie nur noch arabisch.“

Integration – kein Pappenstiel. Die schleswig-holsteinische GEW-Funktionärin Coordes fordert eine bessere Unterstützung der Schulen stark. Sie sagt: „Die Schulen brauchen mehr Zeit und Hilfe für die Entwicklung von Konzepten. Lehrkräfte müssen dies bislang alles ‚nebenbei‘ leisten. So helfen sie ihren neuen Schüler beim Aufholen anderer Unterrichtsinhalt, ohne dafür besondere Arbeitszeit eingeräumt zu bekommen. ‚So ganz ‚nebenbei‘ wird das aber nicht funktionieren. Ohne mehr Hilfe ist Frust programmiert.“ Coordes appelliert an das schleswig-holsteinische Bildungsministerium, den Schulen für die Konzeptentwicklung Entlastungsstunden zur Verfügung zu stellen, die Schulsozialarbeit zu stärken und für die Elternarbeit mehr Dolmetscher und Kulturmittler bereitzustellen.

Ein Appell, den Lehrkräfte sicher bundesweit unterschreiben können.

 

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