Studie: Trotz steigender Belastung überwiegt Freude am Lehrerberuf

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BERLIN. Bei den meisten Lehrern überwiegt die Freude an ihrem Beruf. Gleichzeitig berichten sie von wachsenden Belastungen durch schwierige Schüler, durch die Übernahme von Aufgaben, die eigentlich Sache der Eltern sind, und durch zu große Klassen.

Heute wurden die Ergebnisse der Studie "Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik: Eine Studie zum Prestige des Lehrerberufs und zur Situation an den Schulen in Deutschland" in Berlin vorgestellt; Foto: Vodafone Stiftung Deutschland
Heute wurden die Ergebnisse der Studie "Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik: Eine Studie zum Prestige des Lehrerberufs und zur Situation an den Schulen in Deutschland" in Berlin vorgestellt; Foto: Vodafone Stiftung Deutschland

Die Mehrheit der Lehrer in Deutschland äußert sich positiv über ihren Beruf. 71 Prozent aller Lehrkräfte an den Grundschulen und weiterführenden Schulen macht ihre Arbeit Freude und jeder zweite Lehrer hält seinen Beruf für attraktiv. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen Studie „Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik: Eine Studie zum Prestige des Lehrerberufs und zur Situation an den Schulen in Deutschland“, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Vodafone Stiftung Deutschland durchgeführt hat. Befragt wurden Lehrer allgemeinbildender Schulen in Deutschland sowie mehr als 2.000 Personen, die repräsentativ für die Bevölkerung sind, darunter auch 382 Eltern schulpflichtiger Kinder.

Die konkrete Situation im täglichen Lehrbetrieb an deutschen Schulen beurteilen die Pädagogen überwiegend positiv: 82 Prozent halten die Motivation ihrer Kollegen für gut bis sehr gut. Ähnlich viele sagen dies auch über das Leistungsniveau ihrer Schule. Etwa drei Viertel beurteilen ihre eigenen Spielräume bei der Unterrichtsgestaltung und die Stimmung im Kollegium als gut. Auch das Verhalten der Schüler und Eltern ihnen gegenüber finden die Lehrer mit 76 und 74 Prozent mehrheitlich positiv.

Steigende Belastung durch schwierige Schüler

Gleichzeitig klagen auch viele Lehrer über steigende Belastungen. Der Studie zufolge ist jeder zweite Lehrer davon überzeugt, dass das Unterrichten in den vergangenen zehn Jahren deutlich schwieriger geworden ist. 42 Prozent begründen das mit dem Verhalten ihrer Schüler und beklagen mangelnde Disziplin, Respektlosigkeit und die Missachtung von Regeln ebenso wie ein geringes Konzentrationsvermögen, fehlende Motivation oder allgemeine Erziehungsdefizite. Real- und Hauptschullehrer betonen dies mit 55 Prozent besonders häufig. Die Studie zeigt:  Je älter die Lehrer werden, und desto länger sie unterrichten, desto häufiger finden sie, dass das Unterrichten in den letzten Jahren schwieriger geworden ist und desto weniger attraktiv beurteilen sie den Lehrerberuf. Dennoch kommt für die große Mehrheit der Lehrer – unabhängig von der Schulform – nicht in Betracht, ihren Beruf aufzugeben.

Der Studie zufolge kritisiert ein knappes Drittel der Lehrer, dass sie vermehrt auch Aufgaben übernehmen müssten, die eigentlich Sache der Eltern sind, und 28 Prozent gaben an, dass der Umgang mit den Eltern zunehmend schwieriger werde.

Genau auf diesen Umgang mit Schülern und Eltern fühlt sich gemäß der Untersuchung mehr als die Hälfte der Lehrer nicht ausreichend auf die berufliche Praxis an den Schulen vorbereitet. Besonders die jungen Lehrer unter 35 Jahren leiden zu 60 Prozent unter diesem „Praxis-Schock“. Lehrer, die in den alten Bundesländern studiert haben, fühlen sich häufiger schlechter vorbereitet als Studienabsolventen aus den neuen Bundesländern.

Lehrer und Bevölkerung sind für „Erschwernis-Zulage“

Wie die Studie zeigt, finden drei Viertel der Pädagogen, dass die Zahl der geleisteten Unterrichtsstunden entscheidend für die Bezahlung seien sollte, und gut jeder zweite Lehrer fordert eine Bezahlung auf Basis der Berufserfahrung. Weiterhin sprechen sich 38 Prozent der Lehrer dafür aus, dass bei der Besoldung berücksichtigt wird, ob die Schule in einem sozialen Brennpunkt mit einer hohen Kriminalitäts- oder Arbeitslosenquote liegt. Bei dieser Forderung werden sie von einem knappen Viertel der Bevölkerung unterstützt.

„Lehrer sehen sich heute vielen Herausforderungen und Zumutungen ausgesetzt – insbesondere dann, wenn sie sich in sozial schwierigen Lagen für chancengerechte Bildung einsetzen. Diesen besonderen Leistungen sollte im Besoldungssystem stärker Rechnung getragen werden, ganz unabhängig von der Schulform“, sagte Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland heute bei der Vorstellung der Studienergebnisse in Berlin.

28 Prozent der Lehrer sind der Meinung, dass die Schulform bei der Bezahlung eine Rolle spielen sollte. 17 bis 18 Prozent der Lehrer an Grund-, Haupt- und Realschulen sprechen sich für eine schulformbezogene Bezahlung aus. Bei den Gymnasiallehren sind es der Studie zufolge mit 44 Prozent deutlich mehr.

Jüngere Lehrer sind stärker an Rektorenstelle interessiert

Nach der Studie ist das Interesse von älteren Lehrern, die schon lange an der Schule unterrichten, eine Rektorenstelle zu übernehmen, gering. Hingegen gab in der Studie jeder dritte Lehrer, der seit weniger als fünf Jahren tätig ist, an, dass er gerne eine Rektorenstelle übernehmen würde. Gegen die Übernahme einer Rektorenstelle sprechen vor allem die hohen Belastungen durch Verwaltungsaufgaben (61 Prozent), bei vielen Lehrern verbunden mit der Sorge, nur noch wenig unterrichten (47 Prozent) und damit auch nur noch eingeschränkt direkt mit den Schülern arbeiten zu können, heißt es in der Studie weiter.

Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Kollegen gibt es auch im Hinblick auf das Ansehen des Lehrerberufes. Insgesamt zeigt die Studie, dass Zweifel am Ansehen des Lehrerberufs innerhalb der Lehrerschaft weitverbreitet sind. Fast jeder zweite Lehrer ist der Meinung, dass das Ansehen der Lehrer in der Gesellschaft eher oder sogar sehr schlecht ist. Mit 58 Prozent ist das vor allem bei Lehrer mit langjähriger Berufserfahrung häufiger der Fall. Die jüngeren Kollegen sind optimistischer. Allerdings zeigen Bevölkerungsbefragungen, dass der Lehrerberuf seit Jahren mit zu den angesehensten Berufen gehört und Lehrer mehr Ansehen als Ingenieure und Rechtsanwälte genießen, ist in der Studie zu lesen.

Wachsende Kluft zwischen Schülern verschiedener sozialer Schichten

Einig sind sich der Studie zufolge die Lehrer vor allem bei einem: Mit 97 Prozent meinen fast alle Lehrer, dass der soziale Hintergrund des Elternhauses die Leistung von Schulkindern beeinflusst. 90 Prozent halten diesen Einfluss sogar für sehr groß oder groß. 60 Prozent gaben an, dass die Leistungsunterschiede zwischen Schülern aus verschiedenen sozialen Schichten zugenommen hätten. In den neuen Bundesländern ist das sogar bei 75 Prozent der Fall.

Knapp drei Viertel der Lehrer gaben gleichzeitig an, dass die soziale Herkunft der Schüler keine Rolle bei der Vergabe der Noten spielt.  In der Gesamtbevölkerung wird diese Meinung noch von 55 Prozent geteilt. 28 Prozent glauben, dass Kinder aus sozial schwächeren Schichten bei der Benotung benachteiligt würden.

Klassengröße ist Hauptproblem, wenig Durchlässigkeit zwischen Schulformen

64 Prozent der Pädagogen bemängeln, dass die Klassen zu groß sind. Drei Viertel gaben an, dass die Verkleinerung der Klasse die mit Abstand drängendste Maßnahme zur Verbesserung der Situation an deutschen Schulen ist. Das findet auch jeder zweite der Gesamtbevölkerung. Mit 67 Prozent kritisieren mehr als zwei Drittel der Lehrer, dass Schüler selbst mit guten Leistungen kaum die Chance hätten, später auf eine höhere Schulform zu wechseln.

Die Studie zeigt, dass sich mit 56 Prozent (Eltern) und 58 Prozent (Lehrer) die Mehrheit grundsätzlich für den Erhalt eines mehrgliedrigen Schulsystems mit einer Mischform aus Haupt- und Realschulen und eigenständigen Gymnasien ausspricht. Nur jeweils rund ein Drittel ist für das Konzept einer einheitlichen weiterführenden Schule für alle Schüler. Besonders zurückhaltend sind dabei Lehrer an den Gymnasien, aber auch unter Pädagogen an Grund-, Haupt- und Realschulen überwiege bei Weitem die Skepsis gegenüber einer „Einheitsschule“, heißt es in dem Bericht. Die Ablehnung der Pädagogen dürfte laut der Studie auch damit zusammenhängen, dass das Abitur an einem eigenständigen Gymnasium aus ihrer Sicht höherwertiger ist und es den Schülern damit auch mehr Chancen eröffnet. Lediglich 23 Prozent halten das Abitur an einer Gesamt- oder Sekundarschule beziehungsweise an einem „reinen“ Gymnasium für gleichwertig.

Kritik an Bildungspolitik

Aufgrund der vorangegangenen Ergebnisse verwundert es nicht, dass viele Lehrer der Bildungspolitik in ihrem jeweiligen Bundesland nicht gut bewerten. Die Mehrheit findet der Untersuchung zufolge, dass die Bildungspolitik in ihrem jeweiligen Bundesland weniger oder gar nicht gut ist. Darüber hinaus kritisieren 53 Prozent der Pädagogen, dass die Vorgaben der Schulbehörden dem tatsächlichen Alltag an den Schulen nicht gerecht würden. Etwa gleich viele finden auch, dass die Anpassung der Lehrpläne von G9 auf G8 bislang „nur unzureichend“ erfolgt sei. FRAUKE KÖNIG

(24.4.2012)

 

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