Berlin: Lehrer veröffentlichen Missstände – Behörde droht

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BERLIN. Den Berliner Lehrern reicht es. Eine Gruppe engagierter Pädagogen hat die Internetseite „Bildet Berlin“ ins Leben gerufen, auf der Lehrer anonym Missstände, etwa die dünne Personaldecke oder marode Gebäude, an ihren Schulen veröffentlichen können. Senatorin Sandra Scheeres Behörde hat jetzt offenbar den beteiligten Lehrern mit Strafen gedroht, das berichtet die „Berliner Morgenpost“.

Auf der Webseite werden in der sogenannte „Heißen Kiste“ „Symptome des herannahenden Lehrermangels, die vom Senat bislang als Einzelfälle abgetan werden“, gesammelt, schreiben die Macher. Floian Bublys, einer der Gründer von „Bildet Berlin“ sagte der „Morgenpost“, dass er keine andere Möglichkeit mehr sehe, den Senat unter Druck zu setzen. Ziel sei es, die Qualität des Unterrichts und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Die Initative "Bildet Berlin" legt sich jetzt online mit der Senatorin an. (Foto: Eigener Screenshot unter http://bildet-berlin.de/)
Die Initative "Bildet Berlin" legt sich jetzt online mit der Senatorin an. (Foto: Eigener Screenshot unter http://bildet-berlin.de/)

Eine Lehrkraft der Sekundarschule Hermsdorf schreibt in der „heißen Kiste“ beispielsweise: „Hier arbeiten derzeit gleich mehrere Studenten über die Personalkostenbudgetierung als Vertretungslehrer. …Neben der Frage, wie verantwortlich der Senat handelt, wenn er Studenten, die noch nicht einmal den Master abgeschlossen haben, selbstverantwortlich unterrichten und erziehen lässt, muss betont werden, dass diese Auszubildenden auch die Leistungen der Schüler in Form von Zeugniszensuren bewerten werden.“

Ein Kollege aus einem nördlichen Berliner Gymnasium schreibt: „Für über 500 Schüler gibt es nur einen Lehrerkopierer, und der war jetzt eine Woche lang einfach kaputt. Bei uns hat nicht einmal jeder Lehrer einen Schlüssel für den Kopierraum. Es gibt nämlich kein Geld, Schlüssel nachmachen zu lassen. Unser Gebäude ist in einem maroden Zustand…Als Ersatz für ausgefallene Mathelehrer arbeiten nun Diplomphysiker, die teils mit großen Disziplinproblemen zu kämpfen haben, da sie keinerlei Anleitung haben, wie man Sachverhalte auf dem Niveau der Schüler erklärt.“

Das Thema kocht offenbar immer mehr hoch. Der „Morgenpost“ bestätigte Doris Dreißig vom Bezirkselternausschuss Tempelhof-Schöneberg, dass Lehrer und Schulleiter von Mitarbeitern der Schulbehörde angerufen und unter Druck gesetzt worden seien,um die anonymen Kritiker ausfindig zu machen. Sogar von Dienstaufsichtsbeschwerden soll die Rede gewesen sein.

Wie eine Sprecherin Scheeres der „Morgenpost“ sagte, habe die Schulsenatorin die Initiative aufgefordert, ihr konkrete Fälle, die den kritisierten Qualitätsverlust an Berliner Schulen deutlich machen würden, zu nennen. Das sei jedoch bisher nicht geschehen. Nach ihrer Einschätzung sei die Personalsituation entspannt. „Ungeachtet dessen habe die Senatsbildungsverwaltung jetzt jedoch eine zentrale Stelle eingerichtet, die überprüfen soll, ob die von den Schulen eingesetzten Vertretungslehrer für den Unterricht geeignet sind.“ NINA BRAUN

(26.5.2012)

Zur Webseite „Bildet Berlin“ geht es hier

Zum Kommentar: “Wowereit erhöht den Druck auf Schulen”

Zum Bericht: “New York – Vorbild für deutsche Brennpunkt-Schulen?”

Zum Bericht: “Berlin: Berichte der Schulinspektion werden veröffentlicht”

 

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