Gemeinschaftsschulen schneiden gut ab – außer in Naturwissenschaften

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BERLIN. Haben Schüler bessere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss, wenn sie nach der Grundschule gemeinsam weiterlernen? An dieser Idee scheiden sich die Geister. Eine wissenschaftliche Studie meldet nun erste Erfolge aus Berlin.

In immer mehr Bundesländern werden integriert arbeitende Schulen gegründet. Foto: hepingting / Flickr (CC BY-SA 2.0)
In immer mehr Bundesländern werden integriert arbeitende Schulen gegründet. Foto: hepingting / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Nach einer wissenschaftlichen Studie erzielen die jungen Berliner Gemeinschaftsschulen auch in sozial schwachen Kiezen beachtliche Erfolge. Die Lernfortschritte beim Lesen und Schreiben seien sogar größer als im Vergleich zu Hamburger Schulen, sagte Ulrich Vieluf vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Erstaunlich und erfreulich sei, dass die guten Berliner Ergebnisse nicht mehr von der sozialen Lage der Schüler abhingen. Nur beim Wissen über Naturwissenschaften blieben einige Gemeinschaftsschulen hinter den Erwartungen zurück.

In Gemeinschaftsschulen lernen Schüler von der Grundschule bis zur Mittleren Reife oder bis zum Abitur in einer Klasse. Sie wechseln also nicht mehr nach der sechsten Jahrgangsstufe je nach Leistung auf Sekundarschulen oder Gymnasien. Eine Hoffnung bei Gemeinschaftsschulen ist es, mit dem Schwerpunkt auf einer individuelleren Förderung ein allgemeines Schulproblem zu lösen: Kinder aus sozial schwachen Familien haben nach zahlreichen Studien wie PISA in Deutschland generell schlechtere Chancen, einen guten Bildungsabschluss zu erreichen. In zahlreichen Bundesländern stehen Gemeinschaftsschulen zur Gründung an – teilweise unter anderem Namen:  In Nordrhein-Westfalen haben beispielsweise rund 42 sogenannte Sekundarschulen ihren Betrieb aufgenommen.

Die Pilotphase für Gemeinschaftsschulen in Berlin startete 2008/09, inzwischen gibt es 21 Schulen und Schulverbünde, die auf das längere gemeinsame Lernen setzen. Die Umstellung ist aufwendig. Schulforscher Johannes Bastian von der Universität Hamburg spricht von einem «Kulturbruch», den Lehrer, Schüler und Eltern gemeinsam vollziehen müssten. Kinder werden je nach Leistungsstand gefördert, eigenständiges Lernen spielt eine noch größere Rolle. Lehrer planen ihren Unterricht zum Beispiel nicht mehr allein, sondern in Jahrgangs- und Fachteams.

Erster messbarer Erfolg

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Der erste messbare Erfolg scheint für das Konzept zu sprechen. Zwei Jahre lang haben Wissenschaftler an 13 Gemeinschaftsschulen die Lernerfolge zwischen der 7. und 9. Jahrgangsstufe gemessen. Sie untersuchten die Klassen dabei auch nach Kriterien wie Muttersprache der Schüler sowie Bildungsabschlüsse und Bücheranzahl der Eltern. Das überraschende Ergebnis: Gemeinschaftschulen mit überdurchschnittlich vielen Kindern aus sozial schwachen und eher bildungsfernen Elternhäusern hatten mitunter die besten Lernerfolge – ohne, dass gute Schüler auf der Strecke blieben. «Offensichtlich gelingt ein Weg, Lernfortschritte und soziale Lage zu entkoppeln», sagt Vieluf.

Richtig schlecht schnitt ausgerechnet eine Gemeinschaftsschule in bester sozialer Lage ab. Viele Eltern meldeten ihre Kinder dort wieder ab. Das blieb allerdings eine Ausnahme. Rund 80 Prozent der befragten Eltern sind mit ihrer Gemeinschaftsschule zufrieden und würden sich wieder dafür entscheiden. Doch nicht nur Lehrern und Schülern, auch den Eltern wird bei den neuen Lernformen mehr abverlangt. An ausreichendem Elternengagement hapert es nach Einschätzung vieler Lehrer allerdings noch.

Eine Erkenntnis der Studie überrascht wenig: Häufiger Lehrerwechsel und Unterrichtsausfall wirkten sich sofort negativ auf das Leistungsniveau der Schüler aus. Das dürfte an anderen Schulformen nicht anders sein. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sieht aber insgesamt einen positiven Start ins neue Schuljahr. Bei konkreten Problemlagen sollten sich Schulen direkt bei ihr melden. ULRIKE VON LESZCYNSKI, dpa
(29.8.2012)

Zum Bericht: „NRW: Auch an neuen Sekundarschulen kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit“

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