Saurer Apfel: Rewe sagt Obst-Aktion an Grundschulen ab

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WIESBADEN. Auf den ersten Blick war die Idee gut: Die Supermarktkette Rewe wollte jeden Grundschüler in Hessen mit einem Apfel beglücken. Doch die Piraten in Hessen waren von der Marketing-Aktion des Lebensmittelhändler nicht begeistert – und schlugen Alarm. Das Kultusministerium musste handeln. 

Der Rewe-Konzern musste in den saueren Apfel beißen - und den "Apfel-Tag" an Deutschlands Schulen absagen. Foto: Justus Blümer/Flickr (CC BY 2.0)
Der Rewe-Konzern musste in den saueren Apfel beißen – und den „Apfel-Tag“ an Deutschlands Schulen absagen. Foto: Justus Blümer/Flickr (CC BY 2.0)
Am 30. August sollte der Tag der Äpfel sein – Rewe-Äpfeln, um genau zu sein. Eine Million deutscher Grundschüler sollten von dem Lebensmittelhändler mit Äpfeln beglückt werden. Und das mitten in der Unterrichtszeit. Unter dem Slogan „Gemeinsam Gutes tun“ sollten sie alle exakt um 11 Uhr ins Obst beißen. Für jeden angebissenen Apfel wollte Rewe zehn Cent an SOS-Kinderdörfer in Ghana spenden. Dann wurde die Aktion kurzfristig abgesagt. Ein Widerspruch der hessischen Piraten-Partei gegen die Aktion hatte den Konzern unter Druck gesetzt.

Matthias Tampe-Haverkock aus Biebertal, der für die Piraten im Gießener Kreistag sitzt, hatte einen Offenen Brief an Kultusministerin Nicola Beer (FDP), Schulämter und Landeselternbeirat geschrieben, in dem er sich gegen die geplante Rewe-Aktion wehrte. Kinder würden den Schulen „nicht als Werbeträger ausgeliehen“, stand laut „Frankfurter Rundschau“ darin. Ministerin und Ämter sollten die Kampagne stoppen.

Werbender Charakter stand im Vordergrund

Das hessische Kultusministerium reagierte promt. Wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet, stand laut den Juristen des Hessischen Kultusministeriums trotz der „karitativen Begleitumstände“ der „werbende Charakter eindeutig im Vordergrund“. Das sei mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag in den Paragrafen 2 und 3 des Hessischen Schulgesetzes nicht vereinbar. „Werbung hat an Schulen nichts zu suchen“, sagte Sprecher Christian Henkes. Das Schulgesetz erlaube Sponsoring nur in engen Grenzen. „Wir haben nichts gegen gesunde Ernährung, und dazu gehören auch knackige Äpfel“, sagt Henkes, „aber morgens um 11 Uhr findet Unterricht statt. Ein Unternehmen kann nicht einfach eine Schulapfelpause einführen.“

Zwar dürfen Hessens Schulleiter geschäftliche Werbung zulassen, das aber nur in engen Grenzen. Wenn sie zum Beispiel erhebliche Zuwendungen bekommen haben, dürfen sie darauf hinweisen. Musikinstrumente, die von Firmen bezahlt werden, dürfen also zum Beispiel das Logo des Spenders tragen. Produktwerbung ist aber ausdrücklich unzulässig.

Die „Frankfurter Rundschau“ hatte recherchiert, dass die Schüler sich samt Äpfeln auf den Schulhof stellen sollten, Rewe wollte einen Fotografen vorbeischicken. Nach Darstellung der Supermarktkette organisieren einzelne Märkte den Aktionstag. Es sei möglich, dass hier und da ein Marktleiter einen Fotografen schicken wollte. Die Märkte hätten oft gute Beziehungen zu Schulen, unterstützen zum Beispiel deren Feste.

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Rewe: „Gezielte Negativ-Kampagne“ der Piraten

Laut Rewe hatten die schriftlich angefragten Leiter von bundesweit rund 500 Schulen der Aktion zugestimmt. Die Eltern sollten ihre Zustimmung auf einem den Schülern von der Schule mitgegebenen Informationsschreiben geben. Das hat sich jetzt erledigt: Die „gezielte Negativkampagne der hessischen Piratenpartei“ habe für Verunsicherung gesorgt, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser der „Frankfurter Rundschau“. Deshalb fand das große Apfelessen nun ganztags in den Rewe-Märkten statt, nicht um 11 Uhr an Schulen.

Rewe gibt die Schuld der Piratenpartei: Unter deren „Druck“ habe das Kultusministerium „juristische Zweifel angemeldet“. Eine Formulierung, die Henkes mit Blick auf die Gesetzeslage zurückweist: „Es findet einfach nur wie vorgesehen Unterricht statt.“

Dieser Argumentation hatte sich auf Nachfrage von „hr-online“ auch das hessische Kultusministerium angeschlossen. Die Aktion sei nicht abgesprochen, sagte Sprecher Christian Henkes am Dienstag zu „hr-online“. „Um 11 Uhr wird an den Grundschulen Unterricht gemacht und kein Apfel gegessen“, so Henkes. Werbemaßnahmen an Schulen, wie Rewe sie geplant habe, seien nicht zugelassen. „Wir haben nichts gegen karitative Aktionen an Grundschulen. Dafür darf aber kein Unterricht ausfallen.“ Es habe juristische Bedenken gegeben, weil der Werbecharakter bei der Aktion überwiege. Die Äpfel hätte Rewe kostenlos verteilt. Das haben sie auch tatsächlich getan – allerdings lediglich in den Rewe-Supermärkten. Für  jeden verspeisten Apfel spendet der Konzern weiterhin 10 Cent an ein Projekt der SOS-Kinderdörfer.  jh
(30.08.2012)
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