Baden-Württemberg kürzt bei der Bildung – und ruft nach dem Bund

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STUTTGART. Grün-Rot in Baden-Württemberg hat einerseits angekündigt, bei den Schulen sparen zu wollen. Andererseits kostet der versprochene Ausbau der Ganztagsschulen im Ländle enorme Summen. Für Ministerpräsident Wilfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel ist mittlerweile klar, dass Baden-Württemberg dies nicht alleine stemmen könne. Ihre Lösung: Frisches Geld vom Bund müsse her.
Wollen bei der Bildung sparen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD). Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg
Wollen bei der Bildung sparen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD). Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Zur Finanzierung von Ganztagsschulen fordert Kretschmann zusätzlich Geld von der Bundesregierung. Alleine könnten die Länder den vereinbarten Ausbau der Schulen nicht schultern, sagte Kretschmann bei der Hauptversammlung des baden-württembergischen Städtetags heute in Offenburg. Deutschlandweit seien mindestens acht bis zehn Milliarden nötig, der Südwesten brauche davon rund eine Milliarde Euro. «Wir können das so in dem Tempo nicht stemmen.» Der Bund müsse mit den Ländern neu verhandeln und mehr Geld bereitstellen. Sonst drohe das Vorhaben des Schulausbaus zu scheitern.

Zuvor hatte Schmiedel die Aufhebung des «Kooperationsverbots» gefordert. Dieses sieht vor, dass sich der Bund so gut wie nicht in die Bildungspolitik der Länder einmischen darf. Nach Einschätzung von Schmiedel schafft der Südwesten ohne finanzielle Unterstützung vom Bund nur den Ausbau von Grundschulen zu Ganztagsschulen in diesem Jahrzehnt. Helfe der Bund, könne der Ausbau für alle Schulen in dem Zeitraum gelingen. «Und wenn man die Inklusion ernst nimmt, dann geht das auch nicht mit Bordmitteln», sagte er zum behindertengerechten Umbau von Schulen. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) forderte ebenfalls: «Wir brauchen dringend Mittel des Bundes, um den notwendigen Ausbau der Ganztagsschulen und die Inklusion umsetzen zu können.»

Kretschmann und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) zeigten sich allerdings weniger bereit, Berlin ein Mitspracherecht einzuräumen. «Baden-Württemberg wird sehr darauf achten, dass die im Grundgesetz festgeschriebene Bildungshoheit der Länder gewahrt wird», erklärten sie. Bauer kritisierte mit Blick auf Schmiedel: «Worauf es jetzt ankommt, sind pragmatische Lösungen zwischen Bund und Ländern anstatt vollmundiger Bekenntnisse, die an Zweidrittelmehrheiten scheitern.»

FDP: „Bildungspolitische Heuchelei pur“

Der Landesvorsitzende der Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker und bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Patrick Meinhardt, übte scharfe Kritik an dem Vorstoß: «Das ist ja wohl bildungspolitische Heuchelei pur. Die grün-rote Landesregierung will massiv Lehrerstellen kürzen, zwei Drittel der demografischen Rendite aus der Bildung rausnehmen und ist dann so unverschämt, um auch noch vom Bund Gelder für Ganztagsschulen einzufordern.» Die Landesregierung dürfe sich bei der Finanzierung der Ganztagsschule nicht in die Büsche schlagen und müsse endlich ihre Verantwortung übernehmen.

Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg hat versprochen, den Ganztag auszubauen. „Wir werden die Versäumnisse beim Ausbau der Ganztagsschulen der vergangenen Jahre Schritt für Schritt abbauen“, kündigte Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, noch im Juni an.

Die Landesregierung steht allerdings seit der Ankündigung, 11.600 Lehrerstellen bis 2020 streichen zu wollen – die ersten 1.000 Stellen bereits im nächsten Jahr -, in der Schulpolitik unter massivem Druck. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) etwa warf Kretschmann Wortbruch vor. Wenn Lehrerstellen gestrichen würden, könnten die meisten der angekündigten Reformen nicht mehr umgesetzt werden, meinte die Landesvorsitzende Doro Moritz. «Grün-Rot bricht die Wahlversprechen und den eigenen Koalitionsvertrag, in dem bessere Bildung für alle angekündigt wurde.»

Kretschmann hält trotzdem am Sparziel fest: «Die Zahl steht, und ich sehe nicht, dass wir da abrücken», sagte er unlängst. Baden-Württemberg verliere jedes Jahr etwa 25.000 Schüler. Man dürfe nicht nur auf die Zahlen schauen – es gehe vor allem darum, den Unterricht qualitativ zu verbessern. dpa
(4.11.2012, aktualisiert am 5.11.2012)

 

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