Wenzel (10) hat Asperger – und ist ein Mathe-Wunderkind

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MÜNSTER. Ein kleiner Junge aus Niedersachsen löst im Kopf Matheaufgaben, die die meisten Erwachsenen nicht mal mit dem Taschenrechner hinkriegen. Bei der Kopfrechen-WM für Kinder misst sich der Zehnjährige mit anderen Zahlengenies.

Bei der Deutschen Meisterschaft im Kopfrechnen im vergangenen Jahr in Münster wurde der damals neunjährige Wenzel (Mitte) zweiter in der Altersklasse zehn bis zwölf. Foto: Westfälische Wilhelms Universität Münster
Bei der Deutschen Meisterschaft im Kopfrechnen im vergangenen Jahr in Münster wurde der damals neunjährige Wenzel (Mitte) zweiter in der Altersklasse zehn bis zwölf. Foto: Westfälische Wilhelms Universität Münster

Wenzel Grüß kann 467 mal 621 mal 644 im Kopf ausrechnen. Dafür braucht er noch nicht einmal eine Minute. Mit einem Bleistift kritzelt der blonde Junge die neunstellige Lösung auf einen Schreibblock. Der Zehnjährige ist ein Mathegenie. Wenn seine Eltern ihn für gute Schulnoten mit einem Kinobesuch belohnen wollen, sagt er: «Schreibt mir lieber eine Liste mit Aufgaben!» Der hibbelige Viertklässler kann die siebte Wurzel aus mehrstelligen Zahlen ziehen und hat Bruchrechnen in eineinhalb Stunden mit seinem Vater gelernt. An diesem Wochenende nimmt der kleine Zahlenkünstler an der Weltmeisterschaft im Kopfrechnen für Kinder und Jugendliche in Münster teil.

«Gib mir noch eine Aufgabe, los!», brüllt Wenzel. Er springt von seinem Stuhl im Foyer der Jugendherberge am Aasee auf, hüpft in seinem grauen Kapuzenpulli wild herum. Die Aufgaben, die ihm seine Mutter Maria zu Hause stellt, bestehen aus sogenannten «Brocken», 36-stelligen Zahlen, die Wenzel in ihre zwölf dreistelligen Primzahlen zerlegt. Die meisten Erwachsenen bekämen das selbst mit dem Taschenrechner nicht hin. «Aber er rechnet im Kopf schneller als ich Aufgaben aufschreiben kann», sagt Maria Grüß.

Mit drei konnte Wenzel bis 1000 zählen

Wie der Zehnjährige das macht, ist seinen Eltern ein Rätsel. «Ich kann richtig gut rechnen», sagt Wenzel selbst. «Alles andere ist Berufsgeheimnis.» Der Junge aus dem kleinen Bad Iburg im südlichen Niedersachsen hat das Asperger-Syndrom, er ist leicht autistisch. Auch damit hält er seine Eltern auf Trab. «Manchmal muss man bei ihm schon harte Nerven haben», sagt sein Vater Werner.

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Mit drei Jahren konnte Wenzel bis 1000 zählen. Auf dem 80. Geburtstag seiner Großmutter bat der Vater seinen kleinen Sohn aus Spaß, auszurechnen, wie viele Tage die Oma denn schon am Leben sei. «Ich habe das nicht ernst gemeint», erzählt Werner Grüß. «Aber innerhalb von ein paar Minuten wusste Wenzel das» – unter Berücksichtigung der Schalttage.

Sogar der neunfache Kopfrechen-Weltmeister der Erwachsenen, Gert Mittring, ist von dem kleinen Wirbelwind beeindruckt. «Wenzel hat mit neun Jahren das Produkt von drei dreistelligen Zahlen im Kopf korrekt berechnen können», sagt der 46-Jährige. «Das haben die meisten anderen nicht hingekriegt.» Bei den deutschen Meisterschaften der Kinder im Kopfrechnen belegte Wenzel im letzten Jahr auf Anhieb den zweiten Platz. Bei der Weltmeisterschaft an diesem Samstag tritt er gegen 35 andere Kinder und Jugendliche aus acht Ländern an.

Der Zehnjährige ist aber kein «Inseltalent», wie Pädagogen ein einseitig begabtes Kind nennen. Wenzel ist auch gut in Deutsch, schreibt regelmäßig Zweien, erzählt seine Mutter. «Er macht aber viel Blödsinn in der Schule, weil er unterfordert ist.» Die Eltern haben Probleme, die richtige Schule für das kleine Mathe-Genie zu finden. «Rechnen ist seine Leidenschaft», sagt seine Mutter Maria Grüß. Als sie ihm diese Woche Möhrensuppe kochte, sagte Wenzel zu ihr: «Ich mag keine Wurzeln essen, ich ziehe sie lieber!» dpa
(2.11.2012)

Zum Bericht: „Mathe-Genie: Deutschlands jüngster Professor ist erst 24“

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