Lehrerverbände: „Löhrmann zerschlägt das Förderschul-System“

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DÜSSELDORF. Behinderte sollen besser integriert werden. Das Ziel zweifelt niemand an – die Kosten dafür schon. Dem nordrhein-westfälischen Landesrechnungshof kommen die steil steigende Zahl der Förderschülern und der Riesenanteil der Mini-Schulen im Land spanisch vor. Die NRW-Schulministerin reagiert – Lehrerverbände zeigen sich entsetzt.

Reagiert auf Kritik des Landesrechnungshofs: Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Bündnis 90/Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Reagiert auf Kritik des Landesrechnungshofs: Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Bündnis 90/Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Der Landesrechnungshof (LRH) hat zu viele kleine, teure Förderschulen in Nordrhein-Westfalen bemängelt – die rot-grüne Regierung will jetzt Abhilfe schaffen. «Eine Überarbeitung der Mindestgrößenverordnung ist zwingend geboten», bestätigte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags. Das Kabinett habe einen entsprechenden Entwurf bereits gebilligt. Löhrmann will Ausnahmeregelungen für eigentlich zu kleine Schulen streichen.

Heute stellte sie klar: Kleinen Förderschulen in Nordrhein-Westfalen droht durch die geplanten neuen Mindestgrößen nicht automatisch das Aus. Nicht jeder Schulstandort, der unter die Mindestgröße falle, müsse geschlossen werden, teilte Löhrmann mit. Durch die Zusammenlegung von Schulen, Schulen an Teilstandorten und Verbundschulen könnten die Gemeinden und Kreise ihr Schulangebot sinnvoll und effizient organisieren. Die Neuregelung sei eine «zeitgemäße Antwort auf die Entwicklung der vergangenen Jahre». Inzwischen lerne jedes vierte Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht.

Die geplante Heraufsetzung der Mindestgröße werde vor allem Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen betreffen, erläuterte Löhrmann. Die übrigen Förderschulen, etwa mit den Schwerpunkten sprachliche oder geistige Entwicklung, dürften die Mindestgrößen auch in Zukunft durchweg erreichen. Die bisherige Ausnahmeregelung, die eine Unterschreitung der Mindestgrößen um bis zur Hälfte erlaubt, wird gestrichen.

Die Mindestschülerzahl einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen soll 144 betragen – sofern sie Primarstufe und Sekundarstufe I umfasst – und 112, wenn sie nur die Sekundarstufe I anbietet. Die Mindestgrößen der übrigen Förderschulen liegen teilweise deutlich darunter.

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Der Verband „lehrer nrw“ sieht den Anfang vom Ende der Förderschulen eingeläutet. Die Landesregierung zerschlage ein hervorragendes Förderschulsystem, sagte die Vorsitzende Brigitte Balbach. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach von einem Kahlschlag. Viele Förderschulen würden auf kaltem Weg geschlossen. „Der VBE bezweifelt, dass mit dieser Maßnahme tatsächlich der Elternwille beachtet wird“, so kommentierte Verbandschef Udo Beckmann die Ankündigung.

Die Schließung von Förderschulen bedeute zugleich, dass die allgemeinbildenden Schulen jetzt eine zusätzliche große Zahl an Schülern mit sonderpädagogischem Bedarf aufnehmen müssen. „Der VBE sieht nach wie vor nicht, dass die allgemeinbildenden Schulen auf diese Herausforderung personell, sächlich und räumlich vorbereitet sind“, stellt Beckmann klar, „Wir erwarten, dass die Lehrkräfte der von Schließung bedrohten Schulen frühzeitig über ihre zukünftigen Aussichten informiert werden und ihnen die Möglichkeit zur Mitgestaltung gegeben wird.“

Die CDU warf Löhrmann mangelndes Fingerspitzengefühl vor. Auf Dauer würden die Eltern keine Wahlfreiheit mehr haben zwischen einer erreichbaren Förderschule oder dem Regelschulangebot, bemängelte CDU-Fraktionsvize Klaus Kaiser. FDP-Schulexpertin Yvonne Gebauer warf Löhrmann vor, sie schieße völlig über das Ziel hinaus. dpa

Zum Bericht: „Löhrmann hält trotz massiver Kritik an ihrem Inklusionsgesetz fest“

 

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Reinhard
10 Jahre zuvor

Die Schulpolitik bleibt ihren jahrzehntelangen Prinzipien treu:
erst mal machen, Fakten schaffen – im Laufe der Jahre sehen wir dann, ob es gut war.