HAMBURG. Die Studierfähigkeit junger Menschen könne die Universität nur selbst herstellen. Dies sei keine Aufgabe für das Gymnasium, betont Dieter Lenzen und fordert im Hinblick auf den internationalen Vergleich ein Festhalten am umstrittenen Turbo-Abitur.
Die vielfach geforderte Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren für Gymnasiasten wäre nach Ansicht des Vorsitzenden des Aktionsrates Bildung, Dieter Lenzen, ein großer Fehler. «Ich halte gar nichts davon», sagte der Präsident der Universität Hamburg. «Ein Bundesland, das international denkt, würde überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, G9 bestehen zu lassen oder gar wiedereinzuführen.»
Das klassische Abitur nach 13 Jahren Schulzeit erlebt derzeit im Westen Deutschlands eine Renaissance. Einige Länder haben schon Wahlmöglichkeiten eingeführt. Die Hamburger Volksinitiative «G9-Jetzt-HH» kämpft für die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium. Rund 17 000 Unterschriften sind schon gesammelt. Es wird bereits spekuliert, ob es zu einem Volksbegehren kommt. Der Senat ist gegen eine Abschaffung des sogenannten Turbo-Abis und verweist auf die Möglichkeit, an Stadtteilschulen die Hochschulreife nach neun Jahren abzulegen. Im Juni 2011 hatten die ersten Hamburger Schüler das Abitur bereits nach der 12. Klasse abgelegt.
«Dass die Zeit in der Oberstufe in die Länge gezogen war, ist ja schon daran zu sehen, dass Eltern, die es sich leisten konnten, ihre Kinder im 11. Schuljahr nach Amerika geschickt haben», sagte Lenzen. Die Verkürzung führte nicht zu mehr Druck auf die Schüler: «Das ist eine Klage von Eltern aus der Mittel- oder gar Oberschicht, die ihre Kindern nachmittags Tennis spielen lassen wollen.» Das Hamburger System solle so bleiben, wie es ist, Ruhe und Planungssicherheit würden gebraucht. Zudem befürchtet er Kosten in Millionenhöhe für zusätzliches Lehrpersonal an den Gymnasien, wenn das Schulsystem wieder umgekrempelt wird.
Lenzen sieht kein Problem darin, dass nun auch 17-Jährige an die Uni-Tür klopfen, die für die Einschreibung noch die Unterschrift der Eltern brauchen. Derzeit sind bis zu 50 Studienanfänger pro Neusemester an der Universität Hamburg noch nicht volljährig.
Lenzen betont, dass der Ausgangspunkt der Verkürzung nicht nur Sparmaßnahmen gewesen seien, sondern auch das zu hohe Alter der Studienanfänger: «Wir hatten im internationalen Vergleich für den Sekundarbereich einfach eine zu lange Lerndauer.» In China, den USA, aber auch in Teilen Europas werde die Hochschulzugangsberechtigung zwischen dem 16. und dem 17. Lebensjahr erworben, berichtete Lenzen.
Darauf folge dort normalerweise ein Bachelor-Studiengang von acht Semestern – und nicht nur sechs wie in Deutschland. Darin enthalten sei in diesen Ländern die Vermittlung von Grundlagenwissen. Eine Aufgabe, die zu Zeiten von G9 noch an den deutschen Gymnasien in der Oberstufe vorgesehen gewesen sei, erklärte der Erziehungswissenschaftler. «Aber da gehört sie nicht hin. Die Studierfähigkeit der jungen Menschen kann die Universität nur selbst herstellen, das kann ein Gymnasium nicht.» Das heutige Bildungsverständnis der Schulen unterscheide sich dafür zu sehr von dem der Universitäten.
Deshalb sei – wie in Hamburg bereits eingeführt – ein Universitätskolleg notwendig. Dieses sei Bindeglied zwischen Schule und Universität. Es vermittle das Handwerk für das wissenschaftliche Studium, aber auch Elemente allgemeiner Bildung, erklärte der Professor. Dieses Angebot sei auch wichtig für die Studienanfänger, die kein Abitur haben, sondern lediglich einen Berufsabschluss. (Stephanie Lettgen, dpa)
zum Bericht: Volksbegehren in Sicht: Hamburg vor der Rückkehr zu G9?
zum Bericht: Aktionsrat Bildung fordert mehr Ganztagsschulen – aber echte
Da steht der Präsident aber recht alleine mit seiner Meinung.
Hat er die überhaupt mit seinen Kollegen/anderen Unis abgesprochen?
In China und den USA …. Ja wo leben wir den hier?
Völlig weltfremd Herr Präsident!
Das ist ja lustig. Nicht mehr das Abitur soll Studierfähigkeit bestätigen, sondern erst die Uni stellt sie her.
Da fragt man sich allerdings, wieso man überhaupt studienvorbereitende Schulen braucht, wenn
die Uni eh alles selbst bewältigt.
Entweder muss man dem Herrn Präsidenten attestieren, dass er Unsinn redet oder er möchte die
ganzen Lehrerstellen, die seinerzeit wegen der Schulzeitverkürzung weggefallen sind, jetzt an die
Uni holen. Das Jahr, das weggefallen ist, wird als studenivorbereitende Vorsemester in die Uni integriert.
Verkürzung der Schule – Ausweitung der Uni. Sehr schlau, Herr Lenzen!