Musikschulverband will Inklusion an Schulen fördern

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POTSDAM/BONN. Laut dem Musikpädagogen Ulrich Rademacher gebe es viel mehr Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens in der Musikschule als dies in der allgemeinbildenden Schule der Fall ist. In Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen wollen die Musikschulen diese Möglichkeiten nun stärker nutzen.

Die Musikschulen wollen sich flächendeckend für den gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder qualifizieren. «Gerade die Musik bietet viele Chancen und Möglichkeiten der Inklusion», sagte Rademacher, Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Musikschulen im Interview. Das Thema stand auch im Mittelpunkt bei der zweitägigen Arbeitstagung der Leiter von Musikschulen an diesem Wochenende in Potsdam.

Blockflötenspieler - Bundesweit beklagen die Musikschulen knappe Finanzen. Wegen unsicherer Strukturen und niedriger Bezahlung herrsche Personalnot, beklagt Verbandsvorsitzender Ulrich Rademacher. Foto: Dieter Schütz / pixelio.de
Bundesweit beklagen die Musikschulen knappe Finanzen. Wegen unsicherer Strukturen und niedriger Bezahlung herrsche Personalnot, beklagt Verbandsvorsitzender Ulrich Rademacher. Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Was sind die aktuellen Herausforderungen für die Musikschulen?

Das Thema Inklusion und die Diskussion um dessen Finanzierung und fachgerechte Umsetzung sind überall in den Schulen präsent. Wir möchten Inklusion weiter fassen – als generelle Haltung für unsere Musikschularbeit. Für eine Musikschule, die grundsätzlich offen ist und alle Menschen willkommen heißt, mit ihrer Sehnsucht nach musikalischer Bildung, nach Ausdrucksmöglichkeit, emotionaler Anregung und auch ihrer Sehnsucht nach Gemeinschaft durch Musik. Menschen mit Behinderung sind auf eine besondere Weise ansprechbar mit Musik. Dies bietet besondere Chancen. Es gibt viel mehr Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens in der Musikschule als dies in der allgemeinbildenden Schule der Fall ist. Dafür wollen und müssen wir uns qualifizieren und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. In Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen aber auch in den eigenen Programmen – wie beispielsweise bei der Ensemblearbeit.

Was ist dafür in der Praxis nötig?

Das fängt bei baulicher Barrierefreiheit an. Die Informationsmaterialien dürfen keine intellektuell überhöhten Produkte von Pädagogen sein. Das muss alles knackig auf den Punkt kommen – auch für die Eltern oder Betreuer. Die Materialien müssen einladen, mitzumachen. Kinder müssen zum Unterricht gebracht und abgeholt werden können. Instrumente müssen möglicherweise umgebaut werden. Musikalische Arrangements müssen so angelegt werden, dass es lösbare aber auch reizvolle und anspruchsvolle Aufgaben für alle gibt, damit ein Orchestermitglied nicht zum Statisten degradiert wird. Kurzum: Es müssen viele Rahmenbedingungen geschaffen werden, die alle – Pädagogen, Organisatoren, Bauarbeiter – herausfordern.

Wie ist die Situation bislang?

Es gibt schon lange Musikschulen, die sich auf Integration konzentriert haben. Dabei wurde aber der Unterschied zwischen Gesunden und Behinderten nicht generell aufgehoben. Inklusion folgt einem viel grundsätzlicheren Gedanken: Jeder ist von Anfang an mitgedacht als ganzwertiger Teil. Wir unterscheiden nicht. Aufgabe der Institutionen ist es, Lernbedingungen zu schaffen, die gemeinsames Lernen ermöglichen. Es gibt einige Musikschulen, die Vorreiter waren und die uns jetzt weiterbringen. Ich finde es faszinierend, wie wir im Verband von unseren Mitgliedsschulen, deren Erfahrung und Begeisterungsfähigkeit lernen.

Der Musikpädagoge Prof. Ulrich Rademacher leitet seit 1989 die Westfälische Schule für Musik in Münster. Zudem lehrt der 62-Jährige das Fach Liedinterpretation an der Musikhochschule Köln. (Interview: Marion van der Kraats, dpa)

zum Bericht: Sachsen Musikschulen gehen die Lehrer aus

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