Personalnot an Berliner Schulen lässt Bildungsenatorin Scheeres wackeln

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BERLIN. In Berlins Schulen brodelt es. Diesmal geht es um die Kleinsten, um zu wenige Lehrer und viele Flüchtlinge. Die zuständige Bildungssenatorin Scheeres wird offen angezählt, und das im Wahljahr.

Die anderen Bundesländer hat Berlin schon abgegrast auf seiner verzweifelten Suche nach neuen Lehrern. «Revierwechsel gefällig?», warb die Hauptstadt im Ruhrgebiet. «Kohle gibt’s auch bei uns.» Im Südwesten hieß es «Hochdeutsch? Können hier auch nicht alle». Geholfen hat es ein wenig – doch nicht genug.

Zwar fehlen fast überall in Deutschland Grundschullehrer – in Berlin jedoch sind es so viele, dass jetzt sogar im Ausland gesucht werden soll. In Österreich zum Beispiel, wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) diese Woche in einem Zeitungsinterview verriet.

Will der "Drehtürverbeamtung" einen Riegel vorschieben :Sandra Scheeres (SPD). Foto: Senatsverwaltung Berlin
Senatorin Sandra Scheeres (SPD) ist um ihren Job gerade nicht zu beneiden. Foto: Senatsverwaltung Berlin

Berlin hat ein Problem mit seinen Schulen – wieder einmal. Etwas mehr als fünf Jahre ist die letzte große Schulreform her. Damals gab es Brandbriefe, Hilferufe überforderter Schulleiter und die Reduzierung auf zwei weiterführende Schulformen: Gymnasium und Sekundarschule. Danach wurde es vergleichsweise ruhig um die Berliner Problemschulen.

Jetzt ist Bildungssenatorin Scheeres unter Beschuss. Denn in der Hauptstadt kommen mehrere Probleme zusammen, die nach einer OECD-Auswertung der PISA-Studien Kinder in der Schule scheitern lassen.

Eines davon: Lehrermangel. Rund 1000 Grundschullehrer braucht die Hauptstadt in diesem Jahr – nur 175 aber beenden ihre Ausbildung. Grob geschätzt bedeutet das: Alle zwei Jahre bekommt jede Grundschule einen neuen Lehrer. Es gebe derzeit keine offenen Stellen, betont Scheeres‘ Verwaltung. Für 33 Arbeitsplätze in einem Bezirk aber sollen zuletzt nur sechs ausgebildete Kandidaten gefunden worden sein. Gestopft werden Lücken durch Gymnasiallehrer und Quereinsteiger.

Genau das aber, kritisiert Bildungsforscher Jörg Ramseger, führe zu einer «Dequalifizierung» an den Grundschulen. «Gymnasiallehrer sind in ihren Fächern sehr kompetent, aber behandeln alle Schüler gleich.» An Grundschulen mit Kindern unterschiedlicher Leistungsstufen funktioniere das nicht. Kaum ein Studienrat oder Quereinsteiger wisse, wie man Kindern das ABC beibringe.

Ramseger kritisiert Versäumnisse in der rot-schwarzen Berliner Landesregierung: «Eine vorausschauende Personalplanung ist mir nicht bekannt.» Scheeres‘ Verwaltung entgegnet, der Bedarf sei viel höher als vor Jahren erwartet. Zudem hätten die Berliner Unis ihre Studienplätze für Grundschulpädagogik vor drei Jahren schon verdoppelt, eine weitere Aufstockung sei geplant. Das helfe aber erst in sieben Jahren, entgegnet Ramseger.

Auch der unvorhersehbare Flüchtlingsandrang sei keine Ausrede für die Personalnot. Er macht es aber schwieriger. An mehr als jeder dritten Schule in Berlin lernen Flüchtlingskinder. Es gibt spezielle Willkommensklassen für fast 7000 Kinder. Ihre Zahl steigt ständig – und damit der Bedarf an Lehrern. Weil in den normalen Schulen bald kein Platz mehr ist, könnte eine Schule nur für Flüchtlinge kommen. Darauf angesprochen, reagiert die Bildungsverwaltung gereizt: Wenn, dann sei das nur vorübergehend. Eigentlich sollen die Kinder schnell in reguläre Klassen integriert werden.

Auch ohne die Flüchtlingskinder wäre die Situation nach Einschätzung der Lehrergewerkschaft GEW dramatisch. «Diese Schulentwicklung fällt der Stadt so richtig auf die Füße», kritisiert die Landesvorsitzende Doreen Siebernik. Das große Problem aus ihrer Sicht: Grundschullehrer würden bei gleicher Ausbildungszeit schlechter bezahlt als andere Pädagogen. Dabei habe Berlin derzeit eigentlich Geld – der Stadtstaat baue ja Schulden ab.

Über die Bezahlung der Grundschullehrer lasse sich doch diskutieren, heißt es bei der mitregierenden CDU. Schließlich ist Wahljahr. Die Kritik am Koalitionspartner SPD ist deutlich: «Lehrerversorgung gehört zu den Kernaufgaben einer Schulsenatorin», sagt CDU-Bildungsexpertin Hildegard Bentele. An Grundschulen keine Fachkräfte einzustellen, sei ein «Kardinalfehler».

Andere werden noch deutlicher: Die FDP, nicht im Parlament, fordert bereits den Rücktritt der Senatorin. Und Grünen-Bildungsexpertin Stefanie Remlinger bilanziert kaum weniger offensiv: «Scheeres hat als Senatorin vier Jahre lang rein gar nichts getan. So einen Totalausfall haben die Kinder, Lehrer und Eltern nicht verdient.» Theresa Münch, dpa

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dickebank
8 Jahre zuvor

Jau, Esel meinen und Sck schlagen.

Wie viele Stellen sind denn von den Haushältern bzw. dem Finanzsenator bewilligt worden?