Nach Niedersachsen streitet jetzt auch Schleswig-Holstein über Arbeitszeit – GEW schlägt Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden für alle vor

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KIEL. Mehrere Gymnasiallehrer haben in Schleswig – Holstein eine Pflichtstundenzahl von 24,5 statt 25,5 Stunden pro Woche gefordert und dafür Klage beim Verwaltungsgericht Schleswig eingereicht. Die Klage wurde abgewiesen.

Die Kläger hatten beanstandet, dass die geltende Regelung in der Pflichtstundenverordnung gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoße. Die tatsächliche und im Laufe der Zeit deutlich angestiegene Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern sei nicht sorgfältig und nachvollziehbar ermittelt worden. Das Ministerium hatte demgegenüber darauf verwiesen, dass die seit 2014 geltende Pflichtstundenverordnung lediglich die alte Rechtslage fortgeschrieben habe.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht wies die Klagen ab. Es hält sie bereits für unzulässig, da die Kläger eine Verletzung von Begründungsanforderungen nicht rügen könnten. Darüber hinaus sei sie aber auch unbegründet. Die Regelung der Pflichtstundenzahl sei nicht rechtswidrig. Sie sei in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen. Auch der Umfang der Pflichtstundenzahl sei bei der gebotenen Berücksichtigung der Gesamtarbeitszeit vertretbar geregelt.

Schleswig-Holsteins Lehrer haben mehr Pflichtstunden als in Niedersachsen

Zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts sagte Astrid Henke, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Aus juristischer Sicht überrascht uns das negative Urteil nicht. Inhaltlich bleibt es aber dabei: Arbeitszeit und Arbeitsbelastung der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein sind viel zu hoch. Bildungsministerin Britta Ernst sollte nicht nur ständig von Bildungsqualität reden, sondern auch endlich die Pflichtstunden der Lehrkräfte in allen Schularten reduzieren. Das dient der Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer und führt zu qualitativ besserem Unterricht.“

Bis 16 Uhr dauert am Elsa-Brandström-Gymnasium in Oberhausen der Unterricht. Foto: timlewisnm / flickr (CC BY-SA 2.0)
Die Diskussion um die Lehrerarbeitszeit kocht hoch. Foto: timlewisnm / flickr (CC BY-SA 2.0)

Zur Untermauerung der hohen Arbeitszeitbelastung der Lehrkräfte verwies die GEW-Landesvorsitzende auf eine neue Arbeitszeitstudie der GEW Niedersachsen. Dort hatten Wissenschaftler von der Universität Göttingen festgestellt, dass Lehrkräfte in Niedersachsen mehr arbeiten als der Sollwert, die 40-Stunden-Woche der Verwaltungsbeamten. 2869 Lehrkräften aus 255 Schulen beteiligten sich an der Studie. Sie besitzt daher eine hohe Aussagekraft.

„Ich bin fest davon überzeugt: Auch in Schleswig-Holstein arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mehr als die 41 Stunden pro Woche, die für Verwaltungsbeamte vorgeschrieben sind“, so  die GEW-Landesvorsitzende. „Dies umso mehr, weil die Pflichtstunden in Schleswig-Holstein teilweise erheblich höher als in Niedersachsen liegen.“ So müsse zum Beispiel eine Gymnasiallehrerin in Niedersachen 23,5 Pflichtstunden leisten, in Schleswig-Holstein 25,5. An einer niedersächsischen Gesamtschule (vergleichbar den Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein) beträgt die Pflichtstundenzahl 24,5; in Schleswig-Holstein 27.

GEW schlägt Arbeitszeitkommission vor

„Deshalb muss die Landesregierung endlich etwas für die Lehrkräfte tun“, forderte Astrid Henke. Um „die wirkliche Arbeitszeit“ der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein konkret zu ermitteln, schlug sie die Einrichtung einer Arbeitszeitkommission vor.

Auch Helmut Siegmon, Vorsitzender des Philologenverbandes Schleswig-Holstein sagt: „Wir werden Wege finden, die Ministerin endlich zu einer unabhängigen, objektiven Erhebung der zeitlichen und psychischen Belastungen zu bewegen. Empfehlungen, die Kollegen mögen im Gegenwert der Erhöhung an der Unterrichtsvorbereitung oder an der Zeit für Schülerinnen und Schüler sparen, sind nicht akzeptabel.“

Vorschlag: Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden

Im Durchschnitt wird an den Gymnasien in Niedersachsen 3:05 Stunden, an Grundschulen 1:20 Stunden über dem Soll gearbeitet. Bei Teilzeit-Lehrkräfte sieht es noch schlimmer aus: Sie arbeiten an Gymnasien 4:07 Stunden, an Gesamtschulen 2:31, an Grundschulen 2:00 Stunden mehr pro Woche. Pausen und Erholzeiten während der Schulwochen sind so gut wie nicht vorhanden. Zwei Drittel aller Lehrkräfte arbeiten an fast jedem Wochenende.

Die GEW strebt in Schleswig-Holstein als Ziel eine Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden für die Lehrkräfte aller Schularten an. Im Augenblick liegt die Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte an Grundschulen bei 28, an Gemeinschaftsschulen und Förderzentren bei 27 sowie an Beruflichen Schulen und Gymnasien 25,5 Stunden. nin

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Küstenfuchs
7 Jahre zuvor

Der Richter war sicher kein Lehrerfreund und schien mir juristisch Unerfahrenem befangen. Seine Begründung im Urteil ist abendteuerlich: Als das Land die Stundenverpflichtung von 24,5 auf 25,5 Stunden erhöht hat, wäre nicht die für Beamte geltende Arbeitszeit von 41 Wochenstunden erhöht worden, sondern es hätte sich nur der Anteil von Unterrichtsverpflichtung und Vorbereitungszeit, die dann eben geringer sei, verschoben.

Im Prozess selbst kam der Richter auch irgendwann auf die Idee, dass mal jemand die Arbeitszeit genau erheben müsste. Der Anwalt der Kläger fand die Idee ganz super, der Anwalt des Ministeriums blockte sofort. Angeordnet hat der Richter dann eine solche Untersuchung aber nicht.

Mal sehen, was die Berufungsinstanz so bringt!

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Für erfahrene Lehrer, die nur Dienst nach Vorschrift machen, dürfte die Begründung mit der Arbeitszeitverschiebung halbwegs plausibel sein. Für Berufseinsteiger und die, die ihren Beruf ernst nehmen, kommt neben der Unterrichtsstunde noch die Vorbereitung derselbigen hinzu, was bei nur 15 Minuten Vorbereitung 60 Minuten mehr Arbeit pro Woche bei gleichem Einkommen bedeutet.

Gerade _weil_ das Ministerium sofort blockierte, hätte der Richter die Arbeitszeiterhebung anordnen müssen.

sofawolf
7 Jahre zuvor

Es wird doch niemand abgeschreckt, Lehrer zu werden, weil man dann sehr wenig verdient.

Es sind all die Begleitumstände, die abschrecken und da muss was getan werden, um die Attraktivität des Lehrerberufs wieder zu erhöhen. 24 Unterrichtsstunden maximal wäre ein Beitrag.

sofawolf
7 Jahre zuvor

Ich mache viel für die Schule am Wochenende, ja, aber weil ich das so will und dadurch die Werktage „entschleunige“. Das ist meine private Entscheidung. Darüber würde ich nie jammern.

Küstenfuchs
7 Jahre zuvor

Das mit dem Wochenende ist ja kein Argument, die gesamte Arbeitszeit ist es. Pro Woche muss ein Lehrer in aller Regel viel arbeiten, weil er viel Ferien hat. Also muss man die Jahrarbeitszeit betrachten:

In S-H arbeiten Beamte 41 Stunden/Woche, das bedeutet 1804 Stunden/Jahr.
Nimmt ein Lehrer seinen Beruf ernst, arbeitet er in aller Regel etwa 2000 Stunden/Jahr (plus/minus 100 Std.), also erheblich zu viel.