ERFURT. Es war nur noch eine Frage der Zeit – nun kommt der Wechsel im Kabinett von Thüringens Regierungschef Ramelow. Ein norddeutscher Ex-Bauminister soll als neuer Bildungsminister Reformen durchziehen. Die Kritik der Opposition lässt nicht auf sich warten.
Umbau im rot-rot-grünen Kabinett von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke): Nach etwa der Hälfte der Amtszeit gibt die glücklose und seit einigen Monaten kranke Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) ihr Amt auf. Ihr Nachfolger steht mit dem norddeutschen Linken-Politiker Helmut Holter bereits fest.
Über den seit Wochen erwarteten Wechsel informierte Ramelow am Dienstag in Erfurt. Holter, der acht Jahre Regierungserfahrung in Mecklenburg-Vorpommern hat, soll die angekündigten Reformen in der Bildungspolitik umsetzen. Er sehe der neuen Aufgabe mit großer Freude, aber auch mit «Riesenrespekt» entgegen, sagte er in Schwerin.
«Viele Probleme, die es jetzt in Thüringen zu lösen gilt – der hohe Unterrichtsausfall etwa oder die Sorge um den Erhalt der kleinen Landschulen – kenne ich auch von hier. Dafür werden wir Lösungen finden. Ich bin es gewohnt anzupacken.» Als wichtige Aufgabe sehe er etwa die Umsetzung der in Thüringen beschlossenen Lehrerverbeamtung.
Nach Angaben der Staatskanzlei wird Holter in der nächsten Landtagssitzung nach der parlamentarischen Sommerpause – voraussichtlich am 30. August – als Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport vereidigt. Bis dahin wolle er sich ins Amt einarbeiten und verschiedene Gespräche führen.
CDU vermisst Kompetenz
Der Thüringer CDU-Generalsekretär Raymond Walk warf Holter fehlende bildungspolitische Kompetenz vor. Zudem kritisierte er, das Ministerium bleibe nach Klauberts Rücktritt die gesamten Sommerferien über führungslos. «Doch die Liste der Probleme und Baustellen in seinem (Holters) künftigen Ressort wird von Tag zu Tag länger.»
Ramelow dankte der 62-jährigen Linken-Politikerin für ihre Arbeit, mit der sie den von der Vorgängerregierung verursachten Stillstand in der Thüringer Bildungspolitik aufgebrochen habe. «Ich zolle der Entscheidung von Frau Klaubert großen Respekt, dass sie auf eigenen Wunsch um Entlassung aus ihrem Amt gebeten hat.»
Klassenfahrt in einen Freizeitpark bringt Klaubert unter Druck – Lehrerverband zeigt sich irritiert
Innerhalb der Koalition, bei der Opposition sowie bei Interessenvertretern von Lehrern und Eltern war Klaubert jedoch umstritten. Vor allem SPD und Grüne kreideten ihr an, Reformen wie bei den Schulhorten oder die Neueinstellung und Verbeamtung von Lehrern zu zögerlich angegangen zu sein.
Ihren designierten Nachfolger bezeichnete Ramelow als «herausragende Wahl». «Er ist der richtige Mann für Thüringen und steht für Reformen mit Augenmaß.» Holter kenne das Regierungsgeschäft als Minister und Vize-Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern. Dort gehörte der 64-Jährige von 1998 bis 2006 der Regierung als Arbeits- und Bauminister an. Der mdr erinnerte daran, dass Holter im Jahr 2001 durch die sogenannte “Ehefrauen-Affäre” in die Schlagzeilen geriet. So soll eine private Bildungseinrichtung mit Fördermitteln seines Ministeriums begünstigt worden sein, in der auch seine Ehefrau als auch die Frau seines Staatssekretärs arbeiteten. Der Landesrechnungshof habe die Vorwürfe später im Wesentlichen bestätigt.
Ramelow hatte Holter, der zunächst an der an der Bauingenieurhochschule in Moskau studiert hatte und dann an der dortigen Parteihochschule noch ein Studium des Marxismus-Leninismus absolvierte, vor einigen Monaten in eine Kommission zur Zukunft der Thüringer Schulen berufen, die kürzlich ihren Abschlussbericht in Erfurt vorlegte. Dabei hatte der Mecklenburger sein Interesse an einem Regierungsamt in Thüringen signalisiert. Die Kommission «Zukunft Schule» war zu dem Ergebnis gekommen, dass Thüringen sein Schulsystem grundlegend reformieren muss, um die von der Landesregierung abgegebene Unterrichtsgarantie zu erfüllen.
Holters Regierungserfahrung sei «gerade bei einem sensiblen und emotional besetzen Thema wie Bildung von hohem Wert», so Ramelow. Bis zu dessen Vereidigung wird Staatskanzlei-Chef und Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) das Bildungsministerium weiter kommissarisch führen. N4t/mit Material der dpa
Die notwendige Kompetenz hat er sicher nicht. Aber welcher Minister hat sie schon. Er muss ja nur leiten. Die Kompetenz haben seine Berater (je nachdem …).
Ein Minister muss nicht nur leiten, sondern vor allem die Parteipolitik seiner Partei zu Geltung bringen. Die Berater werden selbstverständlich nach diesem Kriterium ausgewählt. Genau deshalb steht es ja so jammervoll um die Bildungspolitik in den 16 Bundesländern, allerdings mit Unterschieden.
Was wird wohl die Linkspartei an der Schule verändern wollen? Das wird vermutlich im Parteiprogramm bzw. im Koalitionsvertrag stehen. Zu vermuten ist, dass es um “Gerechtigkeit, Heterogenität, Inklusion” und andere Schlagwörter gehen wird. Was die Absolventen der Schulen tatsächlich gelernt haben, ist vermutlich Nebensache.
Den Unterrichtsausfall zu bekämpfen ist löblich, aber dazu braucht man nur mehr Lehrer und keine Reform des Schulsystems. Oft genug läuft eine solche Reform darauf hinaus, den Unterrichtsausfall einfach in einer Statistik zu verschleiern. Zum Beispiel gibt es verschiedene Definitionen dafür, wann eine Schulstunde als “ausgefallen” zu gelten hat. An dieser Schraube kann man drehen. In NRW hatte die Schulministerin Löhrmann eine andere Definition als die Oppositionspolitikerin Gebauer, die jetzt Ministerin ist.
Auch Hochschulpolitik ist Ländersache, und da gibt es ebenfalls viel zu tun. Ich selbst finde das Thema der Stellenkürzungen und -befristungen der wissenschaftlichen Angestellten an den Hochschulen besonders prekär. Vor allem wenn man es auch einmal aus der Sicht der Studentinnen und Studenten betrachtet, gewinnt es eine doppelte Brisanz. Denn dann muss man leider feststellen, dass die Befristung wissenschaftlicher Stellen sowohl zu Lasten der Beschäftigten wie auch stark zu Lasten der Studierenden geht. Dem aktuellen Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs und der Kommentierung der GEW zufolge (siehe z.B. die Zusammenfassung bei https://www.textundwissenschaft.de/2017/05/02/1272/ ) hat sich diesbezüglich seit Jahren nicht wirklich etwas zum Besseren gewendet. Nach wie vor hat die Mehrzahl der Nachwuchswissenschaftler nur sehr begrenzte Chancen, eine echte Lebensplanung zu machen – wie sollen sie es da ihren Studentinnen und Studenten beibringen? Ich sehe hier die politisch Verantwortlichen, aber auch die Hochschulleitungen selbst gefordert, eine für alle betroffenen Gruppen akzeptable Lösung zu finden. Das Geld kann letztlich in einem reichen Land wie Deutschland nicht die Ausrede sein. Studierende und Hochschulbeschäftigte sollten hier gemeinsam mit den Gewerkschaften versuchen, mehr zu erreichen – im beiderseitigen Interesse. Und natürlich wäre es zu begrüßen, wenn sich auch die Bildungsminister dieses Themas endlich annehmen würden.