Der liebende Gott – Religionsphilosoph Eugen Biser wäre 100 Jahre geworden

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MÜNCHEN. Wo der zierliche Religionsphilosoph Eugen Biser referierte oder predigte, kamen die Zuhörer in Scharen. Seine Idee eines modernen Christentums sprach viele Menschen an. 2018 wäre Biser 100 Jahre alt geworden. Die nach ihm benannte Stiftung hält sein Werk lebendig.

Starre kirchliche Strukturen aufbrechen und die christliche Theologie auf die Zukunft ausrichten – das war das Ziel des Religionsphilosophen Eugen Biser, dessen Geburtstag sich am 6. Januar zum 100. Mal jährt. Mehr als 150 Bücher umfasst sein Werk, das Seniorenstudium in München hat er begründet und dort jahrzehntelang als Universitätsprediger gewirkt. Die nach ihm benannte Stiftung arbeitet Bisers umfangreiches Schaffen auf und widmet sich dem interreligiösen Dialog. Der aus dem südbadischen Oberbergen stammende Universalgelehrte starb im März 2014 im Alter von 96 Jahren.

Die Angst gehört zu den Grundproblemen, mit denen sich Biser in seinem Werk befasst. «Die Angst vor Gott, vor den Mitmenschen, vor dem Fremden und vor sich selbst», bringt es der Theologieprofessor Martin Thurner, Vorsitzender des Stiftungsrates, auf den Punkt. Biser habe den Menschen weniger als fertiges Wesen sehen wollen, sondern vielmehr von seinen Möglichkeiten her. «Wie die Möglichkeit, sich zum Guten hin zu entfalten.» Jedoch könne der Mensch durch Ängste blockiert sein, und hier stelle sich die Frage, woher diese kämen.

Die Angst vor dem strafenden Gott wollte Biser den Menschen mit seiner Vorstellung vom «bedingungslos liebenden Gott» nehmen. Mit ersterem habe die Kirche den Menschen über Jahrhunderte hinweg ein schlechtes Gewissen gemacht, sagt Marianne Köster, Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Gerade sein auf die Zukunft gerichtetes Denken habe Biser bei vielen seiner Zuhörer so beliebt gemacht, ihm aber auch viel Widerspruch eingebracht, ergänzt Köster.

Biser betrachtete den Menschen als mündig und sah einen Wandel vom Autoritäts- zum Verstehensglauben. Ihm ging es um die Überwindung von Dogmen. Er sprach von einer «mystischen» und «therapeutischen» Religion: Das Evangelium soll Heil und Heilung vermitteln. Auch das Bemühen um Frieden – vom persönlichen bis zum Weltfrieden – gehörte zu den Lebensthemen des katholischen Priesters. «Menschsein und Frieden sind Synonyme», sagte er.

„Die Spitze hängt noch in den alten Modellen“

Beim Thema Ökumene mahnte Biser die Kirchenspitze, die Augen für die längst laufende Entwicklung zu öffnen. «Die Basis ist weiter voran als die Spitze. Die Spitze hängt noch in den alten Modellen, während die Basis längst begriffen hat, dass wir das Christentum nur mit einer Stimme vertreten können», sagte er. Biser suchte aber nicht nur den Dialog zwischen den christlichen Konfessionen, sondern mit allen Religionen und Weltanschauungen – ein Thema, das sich die vor 15 Jahren gegründete Eugen-Biser-Stiftung in ihrem Untertitel «Dialog aus christlichem Ursprung» auf die Fahnen geschrieben hat.

«Wir leben in einer Stunde des Dialogs und überleben nur, wenn die wachsenden Konfrontationen durch eine Kultur der Verständigung überwunden werden können», erinnert Köster an ein Zitat Bisers. Die Stiftung fördert insbesondere gemeinsame Projekte der drei Religionen Christentum, Islam und Judentum. Dazu gehören Workshops an Schulen, Vortragsreihen und die Herausgabe von Fachbüchern. Für ihre Arbeit ist die Stiftung in diesem Jahr mit dem Bürgerpreis des Bayerischen Landtags ausgezeichnet worden.

Biser wurde 1918 in Oberbergen (Südbaden) geboren. Sein Studium wurde vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen. In Russland wurde er schwerst verwundet, so dass seine Kameraden bereits seine Kleidung und Schuhe untereinander aufteilen wollten. Biser überlebte, kehrte nach Freiburg zurück, beendete sein Studium und wurde 1946 zum Priester geweiht. Viele Jahre unterrichtete er als Religionslehrer in Heidelberg und promovierte in Theologie und Philosophie.

Ein treuer Freund

Nach seiner Habilitation ging er 1965 als Fundamentaltheologe nach Passau, anschließend nach Würzburg. Von 1974 bis 1986 lehrte er als Nachfolger von Karl Rahner auf dem einst für Romano Guardini geschaffenen Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seine Vorlesungen waren wie seine Gottesdienste bestens besucht. 25 Jahre lang leitete er zudem das Seniorenstudium.

Auch in der Literatur, Musik, Politik und Kunstgeschichte war der Gelehrte Biser zuhause. Zu seinen Vertrauten zählten Politiker unterschiedlicher Couleur, darunter Helmut Kohl. «Wer Eugen Biser je im Gottesdienst oder Vortrag erlebt hat, wird ihn nie vergessen», hatte der 2017 gestorbene Altkanzler anlässlich der Trauerfeier für Biser geschrieben. «Er war mir bis zu seinem Tod ein treuer Freund.»

Mit einem Gottesdienst am 12. Januar, geleitet von Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, erinnern Weggefährten und Freunde an Eugen Biser. Zugleich wird in der in der Ludwigskirche eine Gedenktafel für den einstigen Universitätsprediger enthüllt. dpa

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