Luft nach oben: Warum die deutsche Bildungswirtschaft im Ausland ihr Potenzial (noch) nicht ausspielt

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BERLIN. In zwei Wochen beginnt in Köln die größte Bildungsmesse der Welt, die didacta – Leistungsschau der Bildungswirtschaft in Deutschland. Das Thema ist wichtig, klar. Aber nicht allein deshalb, weil nunmal in Kitas, Schulen und Hochschulen an Deutschlands Zukunft gearbeitet wird. Auch die Gegenwart spielt eine große Rolle, sprich: die ökonomische Bedeutung der Branche mit ihren 2,5 Millionen Beschäftigten. Wo deren Chancen und Risiken liegen, hat eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums nun ermittelt. Wir haben darüber mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Christian Hirte gesprochen.

Auf der didacta in Köln werden mehr als 100.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Foto: Koelnmesse

Herr Hirte, aus welchem Anlass hat Ihr Ministerium erstmals eine Analyse der deutschen Bildungswirtschaft in Auftrag gegeben?

Christian Hirte: Wir wissen schon lange, dass Bildung ein enorm wichtiger Standortfaktor für eine innovationsorientierte Volkswirtschaft ist. Ein besseres Bildungsniveau wirkt sich positiv auf die Einkommensmöglichkeiten der Menschen aus und sorgt langfristig für höheres Wachstum. Allerdings wird oftmals übersehen, dass Bildung – rein wirtschaftlich betrachtet – noch weitere positive Seiten hat. Hinter einem hohen Bildungsniveau verbirgt sich in der Regel ein starker Bildungssektor mit einer Vielzahl an staatlichen und privaten Anbietern von Bildungsgütern und Bildungsdienstleistungen. Diese sogenannte Bildungswirtschaft erzeugt selbst Wertschöpfung und schafft Arbeitsplätze. Wie groß ihr wirtschaftlicher Effekt in Deutschland ist, wurde bislang noch nicht untersucht. Diese Lücke wollten wir schließen.

Wir haben zum ersten Mal eine Analyse in Auftrag gegeben, die die wirtschaftliche Bedeutung und die Impulse berechnen soll, die von der Bildungswirtschaft auf die Volkswirtschaft ausgehen. Die Idee war, danach zu überlegen, wie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für die Bildungsbranche gegebenenfalls noch verbessert werden können.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Studie?

Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Foto: Jan Kopetzky
Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Foto: Jan Kopetzky

Christian Hirte: Aus meiner Sicht ist die zentrale Botschaft: Gute Bildung ist nicht nur wichtig für unsere Zukunft, sondern hier und jetzt auch ein wichtiger Wirtschafts- und Arbeitsmotor. Konkret belegt die Studie die hohe ökonomische Bedeutung der Bildungswirtschaft. Folgende Zahlen: In 2017 hat die Branche rund 133 Mrd. Euro, also 4,6 Prozent der deutschen Bruttowertschöpfung, erwirtschaftet. Dafür verantwortlich waren rund 2,5 Mio. Erwerbstätige in der Bildungswirtschaft, dies entspricht 5,6 Prozent aller erwerbstätigen Personen in Deutschland. Zudem: Mit jedem Euro an direkter Wertschöpfung aus der Bildungswirtschaft werden weitere 62 Cent Wertschöpfung in anderen Bereichen der Volkswirtschaft generiert.

Mit Blick auf die Studienergebnisse: Wovon hängt eine weitere erfolgreiche Entwicklung der Bildungswirtschaft ab?

Christian Hirte: Aus meiner Sicht sind hier zwei Faktoren maßgeblich: Erstens brauchen wir ein noch stärkeres Auftreten der deutschen Bildungsanbieter im Ausland. Zweitens muss die Digitalisierung endlich richtig im deutschen Bildungssystem ankommen. Es ist unabdingbar, dass deutschlandweit digitale Kompetenzen und Kenntnisse entlang der gesamten Bildungskette vermittelt werden, beginnend mit der schulischen Bildung über die berufliche sowie akademische Ausbildung bis hin zur lebenslangen Weiterbildung. Dann kann die deutsche Bildungswirtschaft digitale Lerninhalte und Lernformate entwickeln, die sich im In- wie im Ausland erfolgreich vermarkten lassen.

Die Studie zeigt allerdings, dass digitalisierte Lerninhalte und Lernformate in Deutschland bisher nur zögerlich eingesetzt werden. Auch wenn der „Digitalisierungsgrad“ vom Schulbereich über die Hochschule hin zum Weiterbildungsbereich zunimmt, bewegt er sich insgesamt auf eher niedrigem Niveau. Im internationalen Vergleich ist Deutschland maximal im Mittelfeld, andere Länder sind bereits weiter. Entsprechend sind für Anbieter digitaler Lerninhalte und Lernformate internationale Märkte derzeit oft attraktiver als der inländische Markt.

Eine wichtige Herausforderung ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Was muss die Politik hier konkret leisten?

Christian Hirte: Die Förderung von digitaler Bildung in Aus- und Weiterbildung der Menschen in der heutigen Zeit muss auch stets eine gute digitale Ausstattung mitdenken. Beispielsweise fördert das Bundeswirtschaftsministerium Ausstattungsinvestitionen für überbetriebliche Berufsbildungszentren, insbesondere im Handwerk, damit sie Weiterbildungen unter anderem zur Digitalisierung auf hohem Niveau anbieten können. Ziel ist es, die Qualität der beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten aus kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern.

Zwar stiegen in den letzten zehn Jahren die bildungswirtschaftsrelevanten Exporte, jedoch agiert die Branche gesamtwirtschaftlich bislang auf einem sehr geringen absoluten Niveau. Welche Gründe konnte die Analyse erfassen?

Christian Hirte: Der Großteil der „Bildungswirtschaft“ entfällt auf die in der Studie als „Kernbereich der Bildungswirtschaft“ bezeichneten Dienstleistungen der formalen Bildung, darunter Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten Die damit verbundenen wirtschaftlichen Aktivitäten finden nahezu vollständig im Inland statt. Im Export sind maßgeblich nur die Anbieter aus dem „erweiterten Bereich der Bildungswirtschaft“ tätig. Hierzu gehören die non-formalen Bildungsdienstleistungen – zum Beispiel betriebliche Weiterbildungseinrichtungen –, bildungsunterstützende Waren und Dienstleistungen – beispielsweise Schulbuchverlage – oder bildungsrelevante Infrastruktur, wie Hersteller von „Lernfabriken“ für technische Ausbildungen. Die berechneten Exportvolumina entfallen fast vollständig auf diesen „erweiterten Bereich der Bildungswirtschaft“, der aber insgesamt nur knapp ein Fünftel an der deutschen Bildungswirtschaft ausmacht und ebenfalls stark binnenwirtschaftlich orientiert ist.

Dies erklärt den geringen Anteil der Bildungsexporte an den Gesamtexporten. Allerdings lag das Wachstum der Exporte der Bildungswirtschaft in den letzten zehn Jahren mit 7,3 Prozent deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Exportwachstum mit 5 Prozent. Da gibt es „Luft nach oben“. Die bessere Unterstützung der deutschen Exporteure von Bildungsgütern und -dienstleistungen steht deshalb auf unserer Agenda.

Welche Konsequenzen leitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus der Studie ab?

Christian Hirte: Eine der wichtigsten Herausforderungen sehen wir darin, das nachhaltige Wachstum der Exporttätigkeit deutscher Bildungsanbieter intensiver und passgenauer zu unterstützen. Die internationale Konkurrenz ist stark und deutsche Bildungsanbieter erleben im Ausland oftmals eine intensive politische Unterstützung ihrer Mitbewerber, gerade aus dem angelsächsischen Bereich. Die Studie empfiehlt zur besseren Unterstützung der deutschen Bildungswirtschaft im Export eine maßgeschneiderte Nutzung der Instrumente der deutschen Außenwirtschaftsförderung und eine intensivere politische Flankierung größerer Exportprojekte.

Insgesamt steht das Label „Made in Germany“ im Ausland für qualitativ hochwertige – wenngleich hochpreisige – Produkte. Gerade das deutsche Berufsbildungssystem wird im Ausland sehr geschätzt. Wir sollten deshalb das deutsche Berufsbildungssystem noch besser als Türöffner nutzen, um Angebote der deutschen Bildungswirtschaft im ausländischen Markt zu platzieren.

didacta
didacta

Vom 19. bis 23. Februar 2019 führt die didacta als weltweit größte und Deutschlands wichtigste Bildungsmesse wieder Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Köln zusammen. 

Auf dem „Forum didacta aktuell“ wird die im Beitrag angesprochene Studie diskutiert:

Wie kann die Wirtschaftspolitik die Bildungsbranche stärken?

Boris Petschulat, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – Dr. Dennis A. Ostwald, Geschäftsführer WifOR (Auftragnehmer der Studie)
Vertreterinnen und Vertreter der Bildungswirtschaft

Moderation: Jan Hofer
19.02.2019
13:00 bis 13:45 Uhr
Halle 8, B 51
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

Auch die Digitalisierung ist natürlich Thema – etwa hier:

Forum Unterrichtspraxis
LOGINEO NRW – die digitale Arbeits- und Kommunikationsplattform für den Schulalltag

  • Olivier Burchard, Medienberatung NRW
  • Jan Feiter, Medienberatung NRW

22.02.2019
12:00 bis 13:00 Uhr
Halle 8, Stand D 20/E 21
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

 

Forum Bildung
Digitaler Wandel: Wo bleiben die guten Schulkonzepte?

  • Prof.‘in Dr. Birgit Eickelmann, Universität Paderborn, Lehrstuhl für Schulpädagogik
  • Anne Cathrin Nübel, Lehrerin an der Schillerschule Unna
  • Peter Silbernagel, Vorsitzender Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen

19.02.2019
15:45 bis 16:45 Uhr
Halle 7, Stand D 40/E 41
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

Forum Bildung
Digitale Schule: Technologien ohne Pädagogik?

  • Dr. Ilas Körner-Wellershaus, Vorsitzender des Verband Bildungsmedien e. V., Geschäftsleitung Urheberrecht und Kommunikation Ernst Klett Verlag GmbH
  • MinDirig Dr. Stefan Luther, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Leiter der Unterabteilung „Allgemeine Bildung“
  • Ties Rabe, Senator für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg
    Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der GEW

20.02.2019
12:15 bis 13:15 Uhr
Halle 7, Stand D 40/E 41
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

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Gelbe Tulpe
5 Jahre zuvor

Deutschlands schlechte Schulbücher etc. brauchen andere Länder nun wirklich nicht.