Daten-Missbrauch: Internet-Betrüger nutzen Listen mit Abiturienten-Namen, um Menschen auf ihre Lockangebote zu führen

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DÜSSELDORF. Man stelle sich folgende Situation vor: Ein junger Mensch sitzt in einem Bewerbungsgespräch um einen Ausbildungsplatz – und wird plötzlich gefragt, was er denn mit einer Schweizer Porno-Seite zu tun habe. Sein Name sei dort gelistet, wie eine schlichte Google-Suche ergeben habe. Ein Albtraumszenario? Soll aktuell so passiert sein. Tatsächlich sind komplette Namenslisten von Abiturienten aus dem niederrheinischen Kreis Neuss, die noch vor mehreren Jahren (wie früher üblich) von den lokalen Zeitungen veröffentlicht wurden, auf mehr als einem Dutzend dubioser Seiten mit der Schweizer Kennung .ch aufgetaucht – darunter Seiten mit Titeln wie „Wie Du Das Herz Einer Frau Tatsächlich Eroberst“ oder „Gangbang With The Newly Wed“.

Die Abiturienten wurden Opfer einer plumpen, aber wirkungsvollen Form des Datenmissbrauchs. Illustration: Shutterstock

Entsetzen herrscht bei den möglicherweise Hunderten von Betroffenen und ihren Eltern – sowie der Schulleitung, die umgehend die Polizei verständigt hat (sich aber selbst kaum Chancen ausrechnet, dass das in der Situation helfen kann). Die örtliche Tageszeitung bedauert den Fall außerordentlich und hat die Bilderstrecken, denen die Namen entnommen wurden, mittlerweile gesperrt. Allerdings erklärt die Redaktionsleitung: „Darauf, dass andere Seitenbetreiber die Namen möglicherweise übernehmen, haben wir leider keinen Einfluss. Auch, dass diese Namen dann in der Google-Suche in fragwürdigen Zusammenhängen auftauchen, können wir nicht beeinflussen.“

Dass die Betroffenen selbst sich gegen die unerwünschte Google-Präsenz wehren müssen, stellt auch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) Nordrhein-Westfalen fest. „Damit die personenbezogenen Daten der Betroffenen nicht mehr über Suchmaschinen auffindbar sind, empfehlen wir den Betroffenen als erste Sofortmaßnahme, ihr ‚Recht auf Vergessenwerden“ gegenüber Google geltend zu machen“, so heißt es bei der Pressestelle der LDI.

Und weiter: „Mit Urteil vom 13. Mai 2014 (Az. C-131/12) hat der EuGH auf der Grundlage der Europäischen Datenschutzrichtlinie das grundsätzliche Recht von Betroffenen anerkannt, bei Suchanfragen zu ihrem Namen vom Betreiber der Suchmaschine die Löschung eines Treffers zu verlangen. Zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde für das Unternehmen ist aufgrund der deutschen Google-Niederlassung in Hamburg der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit.“ Beschwerden gegen Google – etwa wenn dem Löschungsanspruch nicht nachgekommen werde – könnten dort eingereicht werden. Auch gegenüber den Anbietern der Internetseiten bestehe ein Löschungsanspruch.

Tageszeitung hat bereits reagiert

Das Problem: Es handelt sich mindestens um ein Dutzend Seiten. Und: Sie sind gar nicht ansteuerbar. Wer versucht, die Homepages aufzurufen, landet auf einem (nicht minder dubiosen) Gewinnspiel. Hintergrund der Geschichte ist offenbar der Versuch, Besucher auf die Gewinnspiel-Seite zu lotsen – mit allen Mitteln. Dafür werden mehr oder weniger wahllos Namen und Begriffe aus dem Netz eingesammelt, die Gegenstand von Google-Suchanfragen sein könnten. So werden Menschen ungefragt und willkürlich mit Lockangeboten verknüpft, was sich in entsprechenden Trefferlisten niederschlägt. Eine plumpe, aber offenbar wirkungsvolle Form des Datenmissbrauchs.

Die Tageszeitung hat bereits auf solche Fälle reagiert – und handhabt das Thema Abiturfotos seit einiger Zeit anders: Aktuelle Bilder und die dazugehörigen Namenslisten sind online nicht mehr frei verfügbar. Pech für die jetzt Betroffenen: Sie betraf die Änderung noch nicht. Ihre Namen waren bislang im Archiv frei zugänglich. Agentur für Bildungsjournalismus

Das Formular, mit dem bei Google Löschungen beantragt werden können, ist hier abrufbar

Reagiert Google nicht, sind Beschwerden hier möglich: https://datenschutz-hamburg.de/beschwerde/

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