Aha-Erlebnisse auf dem Deutschen Kitaleitungskongress: Was eine Delegation aus China an deutscher Frühpädagogik interessiert

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BERLIN. Auf dem Deutschen Kitaleitungskongress in  Berlin kam es zu Begegnungen der besonderen Art: Eine Delegation von 80 Pädagoginnen aus China war eigens angereist, um mehr über die Arbeit deutscher Kitas zu erfahren – ein bislang beispielloser Austausch mit der Volksrepublik in der deutschen Bildungslandschaft. Dabei wurde deutlich: Auch für die deutsche Seite bieten Kontakte mit Fernost Aha-Erlebnisse.

Begegnung der besonderen Art: die chinesische Delegation auf dem Deutschen Kitaleitungskongress. Foto: Frank Metzemacher

Wie schafft es das verhältnismäßig kleine Deutschland,  so innovativ und erfolgreich auf den Weltmärkten aufzutreten? Dass die Duale Ausbildung ein Exportschlager und Deutschland im Bereich der Beruflichen Bildung ein Vorbild für viele Staaten ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Kaum bekannt in der deutschen Öffentlichkeit ist hingegen die Tatsache, dass auch andere deutsche Bildungseinrichtungen international auf wachsendes Interesse stoßen – insbesondere in China, das mit viel Ehrgeiz seine wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt.

Die Blicke aus der Volksrepublik richten sich nun auch auf die deutschen Kitas. Nach welchen pädagogischen Prinzipien arbeiten die Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland? Wie sieht die frühkindliche Bildung in Deutschland in der Praxis aus? Für den Deutschen Kitaleitungskongress in Berlin hatte sich nun  eine chinesische Delegation mit rund  80 Teilnehmern angesagt – ein Austausch dieser Größenordnung und Art mit China ist bisher einzigartig in  der deutschen Bildungslandschaft.

Umfassendes pädagogisches Konzept musikalischer Früherziehung

Vorweg: Zustande kamen Begegnungen auf Augenhöhe. Die Gäste aus dem Reich der Mitte präsentierten in einem Workshop ein umfassendes pädagogisches Konzept musikalischer Früherziehung, das den zahlreich erschienenen deutschen Kitaleitungen eine lebendige Anschauung für ihre Praxis bot – und auf den Prinzipien des deutschen Komponisten und Musikpädagogen Carl Orff (1895 –1982) beruht. „Orff ist in China sehr bekannt“, versicherte Dr. Qi Juan,  Musikpädagogin und Gründerin der Le-Beier Education Group, die den Austausch organisiert hatte.

„Ob Orff, Piaget oder Fröbel – den chinesischen Kolleginnen und Kollegen muss man die nicht vorstellen“, erklärte Gerhard Brandt, Landesvorsitzender des VBE Baden-Württemberg, mit Blick auf die europäischen Pädagogenklassiker. Brandt muss es wissen: Er pflegt gute Kontakte zu Erzieher- und Lehrerverbänden in Fernost und trat auf der jüngsten Asian Preschool Education Annual Conference im chinesischen Chengdu unlängst als Eröffnungsredner auf – vor 10.000 Kitaleitungen. In China gibt es insgesamt mehr als 250.000 Kitas mit 47 Millionen Kindern.

Viele Vorurteile, die es in Deutschland gegenüber chinesischen Bildungseinrichtungen gebe, seien – zumindest bezogen auf den frühkindlichen Bereich – falsch. Drill sei dort keineswegs die Regel, so Brandt. Allerdings werde in chinesischen Kitas mehr Wert auf soziales Lernen gelegt als in deutschen. Von Manieren beim Essen bis hin zu Respekt gegenüber Älteren und gegenseitiger Rücksichtnahme: Solche Themen stünden obenan. Vielleicht könne sich Deutschland hier einige Anregungen aus China holen – angesichts der wachsenden Erziehungsprobleme in Deutschland, meinte Brandt, der den Kontakt zum Deutschen Kitaleitungskongress geknüpft hatte. Der VBE ist dessen Mitveranstalter.

Prinzipien chinesischer Frühpädagogik unterscheiden sich gar nicht so sehr

Wie in chinesischen Kitas solche erzieherischen Lektionen vermittelt werden, ließ der Workshop erahnen – mit viel Musik. Von rhythmischen Klatschspielen, die einen Gesprächskreis (übrigens auch unter Erzieherinnen und Erziehern) einleiten, über Lieder zur Begrüßung, zum Mittagessen, zur Mittagsruhe, zum Zähneputzen bis hin zum gesungenen und getanzten Abschied reichte die Palette der von Dr. Qi Juan demonstrierten Stücke, jeweils lautstark begleitet von einem Chor chinesischer Kitaleiterinnen.

Die Unternehmerin  – die von ihr gegründete Le-Beier Education Group unterstützt 3.000 Kitas in China konzeptionell – erläuterte die Grundprinzipien chinesischer Frühpädagogik, die sich in großen Teilen, wie sie betonte, gar nicht so sehr von den deutschen unterschieden: Erstens, Spielen sei die Basis, zweitens, die Individualität eines jeden Kindes werde anerkannt, drittens (und das ist dann wohl doch etwas anders als in Deutschland), das Alter sei zu respektieren, denn von Älteren könne man lernen.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Wolters-Kluwer-Verlagsleiter Thomas Henseler im Gespräch auf der Bühne des DKLK. Foto: Frank Metzemacher

Von den Referenten auf dem Deutschen Kitaleitungskongress übrigens auch: Begleitet von Simultan-Dolmetschern nutzten die chinesischen Pädagoginnen (der Beruf scheint auch in China vorwiegend von Frauen geprägt zu sein) die zahlreichen Angebote – von „Chancen und Herausforderungen inklusiven Arbeitens“, präsentiert von Prof. Dörte Weltzien, Leiterin des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung, über Konzepte zum Umgang mit „soziokultureller Vielfalt im Kita-Alltag“, dargestellt vom Pädagogen und Autoren Reinhold Gravelmann bis hin zum „Erfolgskonzept für einen reflektiert-systemischen Umgang mit herausforderndem Verhalten“, das die Systemische Beraterin Andrea Lampe vermittelte.

Dass sich aus dem nun entstandenen Kontakt ein nachhaltiger Austausch entwickelt, dies wünschte sich Prof. Dr. Chen Zheng, Zweiter Sekretär der Bildungsabteilung der chinesischen Botschaft. Er betonte das große Interesse auf chinesischer Seite an Kontakten zum deutschen Bildungswesen – und gab den Wunsch zu Protokoll, dass aus dem Zusammentreffen auf dem DKLK womöglich Partnerschaften zwischen Kitas in China und Deutschland entstehen könnten.

Senatorin Scheeres versprach, in die Kita-Quallität zu investieren

Zuvor hatten die chinesischen Gäste eine Begrüßungsrede von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gehört, die vor allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses auf die Herausforderungen einging, vor denen die deutsche Bildungspolitik im Kita-Bereich steht: vom Personalmangel bis hin zur starken Belastung der Erzieherinnen und der Kitaleitungen. Scheeres versprach mit Blick auf Berlin, die Probleme anzugehen und die Gelder aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ in die Verbesserung der Qualität und damit der Arbeitsbedingungen zu investieren.

Die chinesische Delegation spendete freundlich Beifall. Agentur für Bildungsjournalismus

DKLK-Studie: Personalausstattung ist in Kitas so schlecht, dass sogar die Sicherheit leidet

 

 

 

 

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