Fußball-Nationalspielerin und Uni-Dozentin Turid Knaak: Schulausfall für Lernschwache eine «Katastrophe»

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ESSEN. Turid Knaak ist Fußball-Nationalspielerin. Sie arbeitet aber auch an der Uni Köln als Dozentin und schreibt ihre Doktorarbeit. In der Corona-Krise macht sich die 29-Jährige Sorgen um bestimmte Kinder. Über eine Episode mit dem Bundestorwarttrainer muss sie schmunzeln.

Das Skandälchen mit DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke hat Turid Knaak fast schon wieder vergessen. «Ich glaube, er ist ein bisschen überrumpelt gewesen von der Frage», sagt die Fußball-Nationalspielerin über die Episode im November bei der Pokal-Auslosung. In einem Einspielfilm war der nicht ganz alltägliche Alltag der 29-Jährigen gezeigt worden: Turid Knaak spielt in der Bundesliga für die SGS Essen und zählt zu den erfahrenen Spielerinnen in der Auswahl von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Turid Knaak bringt die Doppelbelastung als Uni-Dozentin und Fußball-Nationalspielerin unter einen Hut. Männlichen Fußballern scheint das schwerer zu fallen. Foto: El Loko Foto / Wikimedia Commons (CC-BY 4.0)

Turid Knaak ist aber auch wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Köln und arbeitet dort im Bereich Sonderpädagogik. Für ihre Doktorarbeit erforscht sie den Schriftspracherwerb von Kindern mit Lernschwierigkeiten. Auf die Frage, ob ein solches Pensum auch etwas für die männlichen Kollegen wäre, antwortete Köpke damals in der ARD-Sportschau: «Wir trainieren so viel, da ist keine Zeit mehr.» Sofort entgegnete Knaak: «Wir doch auch» – und ein dezenter Shitstorm in den sozialen Netzwerken ob der vermeintlich arroganten oder frauen(fußball)feindlichen Aussagen Köpkes war entbrannt.

«Für uns war das gar keine große Sache. Wir hatten auch keinen Klärungsbedarf hinterher», sagt Knaak und schiebt lächelnd hinterher: «Ich glaube, wir trainieren genug.» Was natürlich erst recht gilt, wenn man sich bewusst für eine zweigleisige Karriere aus Profifußball und akademischer Laufbahn entschieden hat – so wie Turid Knaak.

«Ich schätze das sehr, weil jedes für sich wieder ein Ausgleich für das andere ist», sagt sie. Im Moment hat die Corona-Krise jedoch auch ihr Leben grundlegend verändert. Statt wie sonst gegen halb acht am Morgen ihre Wohnung in Grevenbroich bei Neuss zu verlassen und zur Uni zu fahren, Prüfungen zu korrigieren, Unterricht vorzubereiten, Seminare oder Vorlesungen zu halten oder Sprechstunden mit den Studierenden durchzuführen, heißt es nun auch für Knaak Homeoffice.

Dort arbeitet sie vormittags für die Uni und an ihrer Doktorarbeit. «Ich versuche einigermaßen, den Rhythmus und meinen Tagesablauf beizubehalten, um nicht in einen Trott zu verfallen», erzählt Knaak am Telefon. «Nachmittags absolviere ich dann meine Trainingseinheiten. Ich mache viel Lauf-, Sprint- und Krafttraining», sagt Knaak und scherzt: «Ich wohne ja auf dem Dorf, da gibt es auch genug Felder und Wiesen.»

Ernst wird ihre Stimme dann wieder bei einem Thema, zu dem sie nicht nur promoviert, sondern das ihr ganz offenkundig am Herzen liegt. Bereits beim Algarve-Cup Anfang März erläuterte Knaak bei einem Gespräch in der Hotel-Lobby ausführlich ihre Sichtweise zu Themen wie Schriftspracherwerb in der Grundschule und Lesen als wichtiger Faktor für Kinder oder schilderte ihre persönliche Perspektive, nach der Karriere möglicherweise als Lehrerin an einer Schule zu arbeiten.

Dass derzeit wegen der Corona-Krise die Schulen geschlossen sind, betrachtet Knaak vor allem im Hinblick auf lernschwache oder sozial benachteiligte Kinder mit großer Sorge. «Gerade für die Schülerinnen und Schüler mit Lernschwäche ist die aktuelle Situation eine Katastrophe. Das sind oft auch Kinder, die wenig Unterstützung von zu Hause bekommen und denen oft die Mithilfe der Eltern fehlt», sagt sie. Zudem sei es mit digitalem Lernen oder video-basierter Unterstützung «nicht in jeder Familie und jedem Haushalt so einfach. Oft fehlt auch eine technische Ausstattung wie ein Drucker.»

Doch nicht nur im doppelten Berufsleben beweist Turid Knaak, dass sie über den sogenannten Tellerrand hinausblickt. Als die Bayern-Profis Joshua Kimmich und Leon Goretzka die Hilfsaktion «#wekickcorona» initiierten, zählte Knaak zu den ersten Nationalspielerinnen, die sich beteiligten. «Es geht nicht darum, riesige Summen zu spenden», sagt sie. «Aber ich möchte meinen Teil dazu beitragen.» (Wolfgang Müller, dpa)

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