Eingebrochen und Abituraufgaben aus dem Tresor des Direktors gestohlen – Bewährungsstrafen

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BAMBERG. Mit dieser Tragweite hätten sie nicht gerechnet: Drei Schüler klauen aus dem Tresor eines Bamberger Gymnasiums Abi-Aufgaben – und das hat Konsequenzen für Prüflinge in ganz Bayern. Nun ist das Urteil gefallen.

Das Gericht hat geurteilt. Foto: Carlo Schrodt / pixelio

Wegen gestohlener Abitur-Prüfungsaufgaben haben drei ehemalige Schüler eines Bamberger Gymnasiums Bewährungsstrafen von zwei Jahren erhalten. Es sei eine geplante Tat mit «krimineller Energie» gewesen, sagte der Richter bei der Urteilsverkündung am Montag vor dem Amtsgericht Bamberg.

Zwei der Beschuldigten waren im Mai 2020 vor ihren Abi-Prüfungen in das Büro des Direktors eingedrungen, hatten den Tresor aufgebrochen und Aufgaben in den Fächern Deutsch, Englisch und Latein entnommen. Dafür bekamen die 19-Jährigen wegen Sachbeschädigung und Diebstahl eine Jugendstrafe von neun Monaten, ausgelegt auf zwei Jahre Bewährung. Zudem  müssen sie an einem Projekt für gemeinnützige Tätigkeiten teilnehmen.

Von den schulischen Leistungen hätten die jungen Männer dies nach Angaben ihrer Verteidiger nicht nötig gehabt

Einer der beiden hatte darüber hinaus sensible Daten von einem Schul-Computer geklaut, darunter Passwortlisten und Daten mit denen er Zugriff auf Leistungsnachweise und Unterrichtsmaterialien bekam. Deshalb muss er sich zudem einer Maßnahme zur Verhinderung erneuter Straffälligkeit unterziehen.

Auch der dritte Angeklagte muss dem Richter zufolge an dieser Maßnahme teilnehmen. Da er das Schulgebäude vor dem Entwenden der Aufgaben verlassen hatte, erhielt dieser wegen Sachbeschädigung eine Jugendstrafe von sechs Monaten, ausgelegt auf zwei Jahre Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Schüler waren nach Überzeugung des Gerichts mehrfach in das Kaiser-Heinrich-Gymnasium Bamberg eingedrungen, erstmals im Sommer 2019. Später lieh sich einer der Beschuldigten unter einem Vorwand einen Generalschlüssel aus dem Sekretariat. Mittels eines Knetgummi-Abdrucks und Fotos bestellten sie im Internet einen nachgemachten Schlüssel. «Am Anfang war es Abenteuerlust», sagte einer der Angeklagten. «Anerkennung» sei ebenso ein Grund gewesen. Von den schulischen Leistungen hätten die jungen Männer dies nach Angaben ihrer Verteidiger nicht nötig gehabt.

Vor Gericht entschuldigten sie sich bei den geschädigten Schülern, der Schule, dem Direktor und dem Kultusministerium

Bei einem der nächtlichen Streifzüge durch die Schule sollen die drei Beschuldigten den Plan gefasst haben, die Aufgabentexte und Lösungen der Prüfungen zu kopieren und abzufotografieren und dann wieder zurückzulegen, so dass niemand davon etwas mitbekommt. Nachdem zwei der Angeklagten im Mai 2020 den Safe aus dem Wandschrank im Büro des Direktor gelöst und im Werkstattraum des Hausmeisters, zu dem sie wegen des Generalsschlüssels Zugang hatten, aufgesägt hatten, seien ihnen die Siegel an den Kuverts aufgefallen. Daraufhin entwendeten sie die Umschläge mit den Prüfungen.

Rund 33.000 Prüflinge hatten nach Angaben des Bayerischen Kultusministeriums anschließend Ersatzaufgaben gestellt bekommen. Die zur Tatzeit 18-Jährigen wären sich der eskalierenden Dynamik nicht bewusst gewesen. Vor Gericht entschuldigten sie sich bei den geschädigten Schülern, der Schule, dem Direktor und dem Kultusministerium.

Nachdem die Ermittler den Schülern auf die Schliche gekommen waren, mussten diese sich einem Disziplinarverfahren unterziehen und einen Geldbetrag zur Schadenswiedergutmachung leisten. Zudem wurde das bestandene Abitur aberkannt. Zwei der Angeklagten holen das Abitur nun nach. Dafür mussten sie die Schule wechseln.

Es ist nicht das erste Mal, dass Abitur-Prüfungen geklaut wurden: Im Jahr 2018 brachen Diebe in ein Gymnasium in Niedersachsen ein. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Prüfungsaufgaben aus einem länderübergreifenden Aufgabenpool bekanntgegeben wurden, mussten kurzfristig neue Aufgaben für das Mathe-Abitur in mehreren Ländern her.

Im selben Jahr hatte ein Konrektor die Abschlussaufgaben fotografiert und dem Sohn seiner Lebensgefährtin zukommen lassen. Nachdem der Betrug auffiel, wurde der Mann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seinen Job. Auch im Jahr zuvor musste in mehreren Bundesländern wegen geklauter Mathe- und Englisch-Abitur-Aufgaben in einem Stuttgarter Gymnasium die Prüfungen ausgetauscht werden. 2015 wurden in Thüringen die Abitur-Aufgaben im Fach Physik geklaut. Eine Passantin fand sie in einem Beutel auf einer Straßen und gab sie beim Bildungsministerium ab. dpa

Nach Einbrüchen: Lehrer müssen Abi-Aufgaben künftig entschlüsseln und kopieren

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Alx
3 Jahre zuvor

Das Urteil ist mMn viel zu streng. Wenn man so manches Urteil der letzten Tage als Vergleich anlegen mag, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.

Nicht so allgemein bitte
3 Jahre zuvor
Antwortet  Alx

Korrektur: „… dann kann ICH nur noch mit dem Kopf schütteln“.

Ich persönlich kann mich sehr gut mit dem Urteil im Namen des Volkes anfreunden.

Tacheles
3 Jahre zuvor
Antwortet  Alx

Wie bitte? Dienstschlüssel klauen und sich aus dem Darknet eine Replik besorgen, mehrfach in einer Schule einbrechen, einen Tresor knacken und einen Dienstrechner mit sensiblen Daten hacken – das sind doch alles keine Kavaliersdelikte mehr. Und auch keine “Jungenstreiche”, die mal eben nach einem Bier zu viel passieren. Ich finde, mit einer Bewährungsstrafe und Psychotherapie sind die Jungs doch noch gut weggekommen. Wenn nur einer von denen in ein paar Jahren eine steile kriminelle Karriere hinlegt, wird man sonst zurecht fragen, warum nicht den deutlich erkennbaren Anfängen gewehrt wurde.

epimetheus
3 Jahre zuvor

Welche Urteile meinen Sie denn?
Bei den Urteilen, die ich zum Vergleich heranziehen würde, sind die Jungs angesichts der gezeigten kriminellen Energie mit einer moderaten Bewährungsstrafe meines Erachtens sehr gut weggekommen …

Barbora Emilija K.
3 Jahre zuvor

Ich habe da an diesen ex fussballer und seine Strafe gedacht. Heilige Madonna, sag ich nur. Nicht, dass diese Schueler keine Strafe bekommen sollten, das versteht auch ein Pferd (sagt man bei uns so:)). Aber… Also, kein Kommentar mehr.