BAMBERG. Inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen haben während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 noch ungünstigere Lernbedingungen erlebt als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Das geht aus der Auswertung einer Befragung von fast 2.000 Kindern der Klassenstufen 7 und 8 hervor.
Die Bedingungen für das Lernen zu Hause während der ersten Schulschließung waren für Schülerinnen und Schüler von ganz unterschiedlichen Voraussetzungen geprägt. Eine Gruppe ist dabei besonders betroffen, jedoch weitgehend aus dem Blickfeld geraten: Zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarfen liegen bislang nur wenig empirische Befunde vor. Diese Lücke wollen Forscherinnen in einem Projekt des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) verringern. Cornelia Gresch von der Humboldt-Universität zu Berlin und Monja Schmitt vom LIfBi in Bamberg gehen dabei in einer aktuellen Auswertung der Frage nach, welche Unterschiede es während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 beim Lernen und Wohlbefinden zwischen Schulkindern mit und ohne Förderbedarfe gab. Die Daten dafür lieferten Selbsteinschätzungen von 1.939 Kindern, die im Rahmen der regulären Erhebungen der Langzeitstudie INSIDE im Herbst 2020 erfragt wurden. 13 Prozent dieser Kinder hatten sonderpädagogische Förderbedarfe.
Präsenzunterricht ermöglicht Teilhabe
Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen weisen zu Hause häufig eher ungünstige Lernvoraussetzungen auf. Für sie ist das Fehlen von Präsenzunterricht besonders folgenreich, denn die Teilhabe an Bildungsangeboten wird ihnen dadurch erschwert. Dazu kommt, dass das Lernen zu Hause sich stark von den individualisierten Unterrichtsformaten unterscheidet, die diese Gruppe gewohnt ist: Sie benötigt mehr Motivation, mehr Begleitung und Aufmerksamkeit durch die Lehrkraft und umso mehr das Gefühl, in einer Gemeinschaft zu lernen – Faktoren, die beim Lernen zu Hause im Frühjahr 2020 weitgehend weggefallen sind.
Kinder mit Förderbedarf lernten weniger
Wie auch aus anderen Befragungen zum Lernen zu Hause während der Schulschließung hervorgegangen sei, war die Zeitspanne, die Schülerinnen und Schüler mit schulischen Lerninhalten verbrachten, sehr unterschiedlich, berichten die Wissenschaftlerinnen. Auch bei der INSIDE-Befragung gab es sowohl Kinder, die berichteten, in dieser Zeit deutlich weniger für die Schule gearbeitet zu haben als auch solche, die einen viel größeren Zeitaufwand als zu normalen Schulzeiten angaben.
18 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen gaben an, viel weniger gearbeitet zu haben. Bei den Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Förderbedarfe machten diese Aussage nur 11 Prozent.
Noch deutlicher wurde dieser Unterschied bei der Frage, in welchem Umfang die Aufgaben bearbeitet wurden, die von der Schule zur Verfügung gestellt wurden. 17 Prozent der Kinder mit Förderbedarfen gaben hier „keine“ oder „wenig“ an, im Vergleich zu 8 Prozent bei der Gruppe ohne Förderbedarfe. Bei der Arbeitsumgebung war besonders auffällig, dass Kinder mit Förderbedarfen weniger oft einen Zugang zu Druckern hatten, aber häufiger von Personen berichteten, die auf die Erledigung der Aufgaben achteten.
Schulschließung beeinflusst auch das Wohlbefinden
Die Forscherinnen fragten die Kinder auch, wie es ihnen während der ersten Schulschließung insgesamt gegangen ist. Unabhängig von Förderbedarfen hätten die Kinder debai die Zeit der Schulschließung sehr unterschiedlich wahrgenommen. Die Antworten ergäben insgesamt ein heterogenes Bild. Auffällig sei, dass Kinder mit Förderbedarfen signifikant häufiger extreme Empfindungen („überhaupt nicht gut“ oder „sehr gut“) angaben.
Insgesamt sehen Cornelia Gresch und Monja Schmitt Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen beim Lernen zu Hause benachteiligt. „Sie hatten zusätzlich zu den bestehenden Herausforderungen teilweise ungünstigere Lernbedingungen und verbrachten auch weniger Zeit mit Lernen. Wir sehen hier die Befunde anderer Studien bestätigt, dass Ungleichheit durch fehlenden Präsenzunterricht weiter verstärkt wird“, so Gresch.
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