Corona-Bilanz – Kultusminister lobt sich selbst: „Wir haben keine Abstriche gemacht“

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DRESDEN. Corona hat auch die Schulen betroffen. Sie waren im Lockdown zum Improvisieren gezwungen, mussten lange schließen. Zwei Jahre nach Pandemiebeginn zieht der Kultusminister von Sachsen ein optimistisches Fazit – und lobt sich selbst.

„Mehr und mehr zur Normalität“: Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Foto: Sächsisches Kultusministerium / Ronald Bonss

Corona hat nach Einschätzung von Kultusminister Christian Piwarz keine «verlorene Generation» von Schülerinnen und Schülern hervorgebracht. «Wer die Oberschulen und Gymnasien verließ, hatte vollwertige Abschlüsse in der Tasche», sagte der CDU-Politiker in Dresden. «Wir haben an der Qualität keine Abstriche gemacht. Wegen Corona wurde keine Prüfungsaufgabe verändert.» Eine gezielte Prüfungsvorbereitung habe bei den Abschlussklassen sogar zu einem besseren Notendurchschnitt geführt. «Wir hätten nur dann eine verlorene Generation produziert, wenn wir etwa ein Notabitur angeboten hätten. Doch das ist nicht geschehen.»

Piwarz (46) räumte ein, dass Corona im Schulsystem wie eine Bremse wirkte: «Umso wichtiger ist es, jetzt wieder Fahrt aufzunehmen. Das tun wir bereits.» Alle Kultusminister hätten dafür plädiert, die Schulen trotz der Infektionen offen zu halten. Schon seit einem Jahr gebe es keine flächendeckenden Schulschließungen mehr. «Es war nach dem Frühjahr 2021 klar, dass wir uns das nicht noch einmal erlauben können – weder mit Blick auf die Kinder und Eltern, noch auf das Schulsystem insgesamt.»

„Wir brauchen Zeit, genau wie die Kinder Zeit brauchen. Wir können ihnen nicht auf ‚Teufel komm raus‘ etwas eintrichtern“

«Auch mit dem Programm ‚Aufholen nach Corona‘ haben wir Fahrt aufgenommen. Damit sprechen wir gezielt Schülerinnen und Schüler an, die unter Corona besonders gelitten haben», sagte Piwarz und warb sogleich um Geduld. Nicht alles könne sofort funktionieren. «Wir brauchen Zeit, genau wie die Kinder Zeit brauchen. Wir können ihnen nicht auf ‚Teufel komm raus‘ etwas eintrichtern. Sie müssen erst wieder an das Lernen und den schulischen Alltag herangeführt werden.»

Manche Einwände selbst ernannter Experten seien in der Pandemie nicht hilfreich gewesen, betonte der Minister. Sie hätten nur immer wieder gesagt, was nicht gehe. Er habe bei Schülern und Eltern eine klare Erwartungshaltung gespürt – nämlich so viel Schule wie möglich anzubieten. «Es gab Verständnis für die Maßnahmen, aber auch Ungeduld. Störend waren eher die Versuche von außen, die den schulischen Betrieb schlechtgeredet und die Maßnahmen torpediert haben.»

Piwarz zufolge gilt es nun zu untersuchen, was die Pandemie mittel- und langfristig mit dem Schulsystem macht. «Wir stellen uns die Frage, wie wir uns auf so etwas besser einstellen können. Wie können unsere Erkenntnisse das Bildungswesen über die Pandemie hinaus beflügeln? Dieser Prozess ist in vollem Gange.» Die Digitalisierung habe Möglichkeiten offenbart. «Wir haben aber auch festgestellt, wie wichtig Präsenzunterricht ist.» Nun gehe es darum, außerschulisches Lernen und Unterricht in der Schule zu kombinieren.

«Wir müssen den nächsten Schritt gehen und die Vorteile digitaler Lernmethoden besser nutzen», sagte Piwarz. Als Beispiel nannte er intelligente tutorielle Systeme – Systeme, die Schüler bei ihrem Lernen differenziert nach Lerngeschwindigkeit begleiten können. Lehrer bekämen so Kenntnisse von den Lernfortschritten.

Mit den Pandemie-Erfahrungen werde sich auch die Diskussion um das «Bildungsland Sachsen 2030» beleben, erläuterte Piwarz. Das betreffe nicht nur die Lehrpläne, sondern auch schulische Abläufe und moderne Formen der Wissensvermittlung. «Bis Ende 2022 wollen wir mit dem Landesbildungsrat und anderen Partnern diskutieren, im kommenden Jahr werden wir dann die Öffentlichkeit einbeziehen. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 soll das abgeschlossen sein.»

Piwarz warnte davor, alles nur auf die Entschlackung der Lehrpläne zu reduzieren. «Das wäre zu billig, das allein bringt es nicht. Die Lehrpläne sind schon viel entschlackter, als viele meinen.» Schon heute würden sie den Lehrern viele Möglichkeiten bieten, Prioritäten zu setzen und Stoff zu vertiefen. «Reduzierte Lehrpläne machen das Bildungssystem nicht automatisch besser. Es geht mehr darum, auf den einzelne Schüler einzugehen und spezielle Angebote zu unterbreiten.»

Abschließend äußerte sich der Minister zu Forderungen aus den Reihen der Koalitionspartner nach einer umfassenden Bildungsreform: «Wir tun gut daran, das Bildungssystem evolutionär weiterzuentwickeln und nicht mit einer Revolution ein völlig neues System zu etablieren. Das ist Common Sense. Dass Schule nach Corona nicht so weiterlaufen kann wie vor Corona, ist wohl allen Beteiligten klar.»

Der Freistaat Sachsen hat in der Pandemie wenig Wert auf wirkungsvolle Schutzmaßnahmen in Kitas und Schulen gelegt

Zur Einordnung: Sachsen gehört zu den Bundesländern, in denen wenig Wert auf wirkungsvolle Corona-Schutzmaßnahmen in Kitas und Schulen gelegt wurde. Aus dem Förderprogramm des Bundes für Luftfilter in Bildungseinrichtungen rief der Freistaat keine Mittel ab – offenbar störte der geforderte Eigenanteil. Die eigentlich zwischen Bund und Ländern im vergangenen Herbst vereinbarte Maskenpflicht im Unterricht wurde nicht konsequent umgesetzt; sie galt in sächischen Grundschulen nicht. Sachsen war das erste Bundesland, das die Schulen und Kitas nach dem Lockdown 2020 ohne Abstandsregel öffnete. Sachsen ist das Bundesland, das mit Abstand die meisten Corona-Toten auf 100.000 Einwohner verzeichnet: 364 – viereinhalb mal so viel wie beispielsweise Schleswig-Holstein. News4teachers / mit Material der dpa

Kommentar: Wenn sich Nichtstuer für ihr Nichtstun noch als Kinderschützer aufspielen

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9 Kommentare
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Skeptiker
2 Jahre zuvor

Beeindruckend.

Ich selbst bin Lehrkraft in Sachsen und habe genauso wie die Kinder und die Eltern die Abstriche deutlich gespürt. Statt geordnetem Lockdown gab es immer wieder spontante Teilschließungen, ehe nach den Winterferien zweitwiese jegliche Vorsicht wegfiel und ein großer Teil der Lehrerschaft auf Grund der Häufung von positiven Fällen selbst mit Corona infiziert wurde.

Ich selbst darf mich trotz Booster mit Long-Covid auseinandersetzen. Geregelter Unterricht? Fehlanzeige. Gibt ja auch keine Vertretungslehrer.

Aber wir haben keine Abstriche gemacht.
Wenn man die Augen ganz fest zumacht und sich das oft genug sagt, glauben das die Leute vielleicht – sieht man ja auch in anderen politischen Systemen, wo Unwahrheiten einfach so oft wiederholt werden, bis es alle glauben.

Nur schade, dass einige unter den Folgen der Ignoranz leiden.

Hoffnung
2 Jahre zuvor

Sich dafür zu beklatschen, dass die Kinder ganze 2 Jahre unter Pandemie Bedingungen lernen mussten ( Schulausfall, kalte Klassenzimmer, frierende Hände, Masken Luft, Quarantäne, etc.) und die Lehrpläne.icht angepasst wurden, das ist schon eine Leistung!
Für den nächsten Winter lade ich alle Politiker in unsere Klassenzimmer ein.

Realist
2 Jahre zuvor

Dass dieses Eigenlob Herrn Piwarz nicht peinlich ist. Wahrscheinlich muss man Politiker sein, um so etwas durchzuziehen. Zumindest in dieser Zusammenfassung seiner Aussagen kein einziges Wort des Dankes an diejenigen, die seine „offenen Schulen trotz Infektionen“ erst möglich gemacht haben. Stattdessen neue Forderungen:
„Schon heute würden sie den Lehrern viele Möglichkeiten bieten, Prioritäten zu setzen und Stoff zu vertiefen. «Reduzierte Lehrpläne machen das Bildungssystem nicht automatisch besser. Es geht mehr darum, auf den einzelne Schüler einzugehen und spezielle Angebote zu unterbreiten.»“

Erst bei der Unterstützung der Schulen in der Pandemie kläglich versagen und außer Erlassen und Handreichungen zum „richtigen Lüften“ nichts sinnvolles produzieren, die Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten ignorieren, und dann am Ende, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, schwülstiges Eigenlob und neue Forderungen an das „Kanonenfutter an der Front“ stellen.

Maike, Niedersachsen, 37
2 Jahre zuvor

In Niedersachsen gab es keine Masken, aber Plakate, die den dummen/gehirnamputierten Lehrkräften erklären, was 20 Minuten sind, damit die ja das Lüften nicht vergessen.
Die kleine Doofis. Meine Schüler/innen haben gefragt, ob ich den „Schrott“ wegwerfe oder ob sie das machen dürfen.
Die Kumis dürfen sich gerne selber loben, wenn sie endlich mal anfangen, perspektivisch zu denken! Gerade hat die FDP…äh, ich meinte, der Bundestag entschieden, dass es keine Impflicht und nicht mal eine ab 50 geben soll.
Ich freue mich auf den nächsten Winter. Ohne Abstriche.

Ullrich
2 Jahre zuvor

Typisches Politiker Geblubber. Völlig substanzlose wie immer.

«Wir tun gut daran, das Bildungssystem evolutionär weiterzuentwickeln und nicht mit einer Revolution ein völlig neues System zu etablieren. Das ist Common Sense.“

Evolutionär klingt besser als allmählich und stetig voranschreitend.
Und wo ist das Common Sense? Dieses rumdoktorn erlebe ich jetzt schon seit Jahrzehnten, da kommt am Ende immer nur Mist raus. Ist aber halt keine Arbeit für die glorreichen 16. Und auf Arbeit stehen die ja nicht so, haben wir die letzten 2 Jahre ja gemerkt.

Wir müssen das ganze Ding endlich wirklich revolutionieren. Das heutige Schulsystem in diesem Land ist eine Schande. Wir versündigen uns an den Kindern.

Sissi
2 Jahre zuvor

@ Maike
“ Ohne Abstriche “ * – ist das herrlich! danke für Ihre Ironie

* schon die in Nase und Gaumen?

Trulla
2 Jahre zuvor

Tjo, unsere genial, geilen 16 KMs. Unfehlbar, heldenhaft, weitsichtig, umsichtig …

dauerlüfterin
2 Jahre zuvor

Das stimmt!
Sein Kollege Lorz hat sich dahingehend zitieren lassen, dass die Schulen das größte Testzentrum der Republik seien.
Abstriche haben wir trotzdem nicht gemacht! Das gibts nur bei den „richtigen“ Testzentren.
(Hätte mal das Wording mit der Pressestelle abstimmen sollen, der Herr Minister.)

Woelki-Fan
2 Jahre zuvor
Antwortet  dauerlüfterin

Das Erzbistum Köln- Meister woelki- hatte mal wieder die richtigen Tricks parat: Testzentrumscontainer aufs Schulgelände, Elternbrief mit Aufforderung zur dortigen Registrierung- und schwupps, war man das leidige Testen und Gefährden von Kollegen los. Zwar verboten, aber vom Gesundheitsamt Köln oder Bonn (?) genehmigt. Übrigens- verboten, weil so der Test rund 10x so teuer war wie einer an der Schule.
Nachzulesen beim WDR oder Tagesschau.de