Warnstreiks: Im Kita-Tarifstreit geht es auch darum, was Kinder wert sind

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DÜSSELDORF. Eltern wollen eine gute Betreuung ihrer Kinder. Doch viele Fachkräfte sind überlastet, gut ausgebildete Sozialarbeiter und Erzieherinnen fehlen. Im Tarifstreit zwischen Verdi und den Arbeitgebern geht es auch um die Frage, was der Gesellschaft der Nachwuchs wert ist.

Kita-Fachkräfte haben alle Hände voll zu tun. Foto: Shutterstock

Vor der dritten Verhandlungsrunde im Tarifstreit der Beschäftigten in den kommunalen Sozial- und Erziehungsdiensten erhöht die Gewerkschaft Verdi weiter den Druck auf die Arbeitgeber. Für Mittwoch (10.30 Uhr) ist in Gelsenkirchen eine landesweite Kundgebung geplant. Hauptredner ist der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Werneke. Rund 8000 Teilnehmende werden zu der Demo auf dem Heinrich-König-Platz erwartet. Weitere Warnstreiks sind in dieser Woche zu erwarten.

Worum geht es in dem Tarifstreit?

Kurz gesagt: um bessere Bezahlung, mehr Anerkennung für den Beruf, und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, das heißt eine bessere personelle Ausstattung. «Die Beschäftigten streiken dafür, dass sie ihre Arbeit besser im Sinne von Kindern und Familien erfüllen können. Das geht nur über Entlastung und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel», sagte Verdi-NRW-Landesfachbereichsleiterin Andrea Becker. Hintergrund sind bislang ergebnislose Verhandlungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst und die angespannte Situation in den Einrichtungen der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern.

Wer verhandelt in dem Tarifstreit mit wem?

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verhandelt auf Bundesebene mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für etwa 330 000 tarifgebundene Beschäftigte im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst, rund 60 000 bis 70 000 davon in NRW. Die vorangegangenen beiden Tarifrunden im Februar und im März waren ergebnislos verlaufen. Die dritte Verhandlungsrunde findet am 16. und 17. Mai in Potsdam statt. Etwaige Tarifabschlüsse haben auch Signalwirkung für Einrichtungen in zum Beispiel kirchlicher Trägerschaft.

Welche Berufsgruppen werden von Verdi vertreten?

Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Erzieher, Kita-Beschäftigte und Beschäftigte des schulischen Ganztags und der Behindertenhilfe.

Was muss aus Sicht der Gewerkschaft besser werden?

Um wirklich pädagogisch sinnvoll arbeiten zu können, fehlen aus Sicht der Gewerkschaft in NRW etwa 30 000 Fachkräfte. Die Überlastung führe dazu, dass 25 Prozent der Berufsanfänger in den ersten fünf Jahren das Arbeitsfeld wieder verlassen.

Nach Angaben der Krankenkassen sind die Beschäftigten in diesem Arbeitsbereich diejenigen, die am häufigsten an Burnout erkranken. Ein von Verdi im Vorjahr durchgeführter «Kita-Personalcheck» habe gezeigt, dass die Fachkräfte das Gefühl haben, ihren pädagogischen Aufgaben und den Kindern nicht gerecht zu werden.

Was sagen die Arbeitgeber?

Die VKA kritisierte die Streiks in den zurückliegenden Wochen als unverhältnismäßig. Sie belasteten die Eltern zusätzlich. Erzieherinnen verdienten beispielsweise bei kommunalen Kitas deutlich mehr als bei anderen Trägern.

Was sagen die von den Streiks an Kitas betroffenen Eltern?

Der Landeselternbeirat (LEB) der Kindertageseinrichtungen in NRW kritisiert die Warnstreiks. Wieder einmal seien es die Eltern, die kurzfristig nach einer Betreuungsmöglichkeit suchen oder dem eigenen Arbeitgeber absagen müssten, hieß es von Eltern-Seite. Nach zwei Jahren mit Kita-Schließungen, Quarantänemaßnahmen und Betreuungskürzungen sei dies ein untragbarer Zustand für Kinder und Eltern. Von Ulli Brünger, dpa

Tarifstreit: Zig-Tausende Kita-Fachkräfte streiken – Hunderte Kitas geschlossen

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4 Kommentare
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Realist
1 Jahr zuvor

Hier noch einmal zur Erinnerung, wie eine ECHTE Gewerkschaft an die Sache rangeht:

„Die IG Metall fordert in der kommenden Tarifrunde für die Beschäftigten der Stahlindustrie 8,2 Prozent mehr Lohn.“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/ig-metall-will-8-2-prozent-mehr-lohn-fuer-beschaeftigte-in-der-stahlindustrie-a-186b6019-70cb-425f-81ea-2153c09108f5

TROTZ massenhafter Kurzarbeit (vom Steuerzahler finanziert, wohlgemerkt!) und TROTZ drohender Rezession.

Ist ja auch klar, es vor kurzem hat der Bund der „notleidenden“ Industrie wieder 5 Milliarden zur Beschäftigungssicherung wegen der gestiegenden Energiekosten genehmigt, da wird sich die energieintensive Stahlindustrie schon einen Großteil von sichern und die IG Metall will dann natürlich auch etwas abhaben. „Leere öffentliche Kassen“ ist halt immer relativ…

Die „schlaue“ Verdi (mit ihrem GEW-Ableger) hat natürlich eine Nullrunde für 2022 „verhandelt“, hat sich über den Tisch ziehen lassen, wie man so sagt.

Und die aktuelle Forderung nach „verbesserter Personalsituation“ in den Kitas ist natürlich auch wieder grober Unsinn, denn erstens gibts es die Leute nicht und zweitens ist der Personalschlüssel sowieso völlig willkürlich und wird auch gerne einmal von den Kitaträgern freihändig „angepasst“, wenn die „Notsituation“ es erfordert. Und „Notsituation“ ist ja sei Jahren regelmäßig: 2015, Corona, Ukraine, „Kassen leer“ usw.

Am Ende wird Verdi praktisch wieder NICHTS erreichen (wollen): Keine angemessen Lohnerhöhung, während die Inflation mit fast 8 Prozent wütet (vergleiche IGM-Forderung) und auch nicht mehr Personal (das es entweder nicht gibt oder was von den Kommunen sowieso „kreativ“ immer wieder aufs Neue durch Anpassung der Betreuungsschlüssel (Notlage, s.o.) ignoriert wird).

Verdi wird über den Abschluss wie immer jubeln, und die Beschäftigten an der Basis bekommen wieder nichts außer leerer Versprechungen!

Angelika
1 Jahr zuvor

Schon vor 2009 haben Kita-Träger am Personal gespart und leider wurde und wird es ihnen vermutlich immer noch zu leicht gemacht.

Allzu liebe Erzieherinnen schaffen es leider immer noch nicht, bestimmtes Verhalten ihrer Arbeitgeber im Langzeitgedächtnis zu behalten. Als während der Pandemie Kitas geschlossen blieben, haperte es an der Zahlungsmoral mancher Träger, obwohl sie das Geld zur Bezahlung der Erzieherinnen bereits erhalten hatten. Und Träger wie die so genannte Lebenshilfe haben nicht-fachliche Schulbegleiter anlässlich der Schulschließungen nicht weiterbeschäftigt und mussten dann erleben, dass diese Kräfte bald darauf bei einem anderen Träger zu weniger schlechten Konditionen angefangen haben.

Hier der Link zu einem gut recherchierten Artikel: https://www.welt.de/wirtschaft/article165648351/Der-Staat-bezahlt-fuer-Kita-Personal-das-es-gar-nicht-gibt.html

Bla
1 Jahr zuvor

Nach zwei Jahren Pandemie ist es untragbar für Eltern? Die Streiks sind unverhältnismäßig? Wenn vereinzelt an einzelnen Tagen gestreikt wird?
Meiner Meinung nach, könnte man gerne noch mehr Druck machen.

Wie lange sind die Zustände untragbar für viele Angestellten im sozialen Bereich?
Man (viele Instanzen) prangern das seit Jahren bzw. Jahrzehnten schon an … Oft bekommt man dann auch noch zu hören „Jammern auf hohem Niveau“, „stellt euch nicht so an“, „das ist doch easy, bisschen aufpassen auf die Kids“, „das kann jede(r)“ und dergleichen. Und wenn man das rechtliche Streikrecht anwendet, dann wird man auch noch als „die Faulen“ dargestellt und man muss doch an xy denken. Die Anderen leiden darunter …
Viele leiden unter den Umständen – nicht erst seit Corona – und das wurde geduldet bis mal beklatscht. Oder auch gesagt „das könnte ich mir nicht vorstellen – diesen Beruf zu machen“. Aber das war es dann auch schon.

Wie soll sich denn bitte ohne Streik was ändern? Entweder die Gesellschaft zieht mit und hilft für bessere Bedingungen zu sorgen oder es „müssen“ halt mehr darunter leiden, als nur die sozialen Berufsgruppen. Das ist dann einfach so. Ohne Druck durch eben auch Eltern usw. wird es keine Verbesserungen geben. Das sollten sich halt auch die Eltern klar machen. Und dort geht es nicht nur für Beaufsichtigung der Kinder. Angesprangert werden viele „Bildungslücken“, „Pisa-Ergebnisse“, Erziehungsmängel, Differenzierung, Chancengleichheit usw.
Macht etwas dagegen. Wenn „wir“ so weiter machen, dann wird das alles nur noch schlimmer.
Nicht gegen die Erzieher, Pfleger und Lehrer arbeiten – sondern gemeinsam arbeiten. Bei Entgegenkommen der Arbeitgeber (oft der Staat) stehen mit Sicherheit die Verbände/Gewerkschaften/Bildungseinrichtungen und alle darin Arbeitenden nicht quer. Sie haben über Jahre sowieso schon aufgefangen…

Wenn man allerdings die Schuld permanent auf eben diese richtet und auch (politische) Versprechungen nicht einhält. Die Rahmenbedingungen verschlechtert, statt verbessert. Die Gelder kürzt. Dazu auch nicht transparent handelt und alles beschönigt. Den sozialen Institutionen mit Arbeitnehmern immer mehr zumutet an Arbeit und sich (AG/Politiker) wegduckt, dann wird ein „wir“ als soziale Gemeinschaft schwer.
Leider hat mitunter die Pandemie wieder einmal gezeigt, wie groß die Wertschätzung einiger Leute (v. A. politischer Entscheidungsträger) tatsächlich gegenüber dieser Berufe ist.

Auch Arbeitnehmer/innen in sozialen Berufen sind Menschen und wollen als diese wertgeschätzt werden.
Sind mitunter Eltern bereit generell für bessere Bedingungen einzutreten? Dann bitte auch soweit möglich mal etwas mit abfangen. Das tun viele im sozialen Bereich nämlich schon ihr gesamtes Berufsleben lang …anders käme man auch nicht immer auf die Sätze „da leiden aber doch die Falschen darunter“. Was der Arbeitgeber und die Politik sehr gerne aufgreift in „Verhandlungen“.

Und ja, ich weiß, dass die Falschen darunter leiden. Aber anders geht es leider nicht (mehr)… Das sieht man immer und immer wieder. „Die Falschen“ werden so oder so drunter leiden – egal ob mit oder ohne Streik. Das ist leider das moralische Dilemma in diesen Jobs.
Darauf vertraut eben auch der AG.

Sapperlot
1 Jahr zuvor

Kinder sind nichts wert und Erzieherinnen auch nicht…Ende