Zu starke Leistungsorientierung? Rabe verteidigt Entwürfe für neue Bildungspläne

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HAMBURG. Hamburgs Schülerinnen und Schüler haben in bundesweiten Leistungsvergleichen in den vergangenen Jahren aufgeholt. Die Schulbehörde will diesen Trend mit neuen Bildungsplänen weiter vorantreiben. Doch an diesen Plänen gibt es Kritik.

«Ich bin sicher: Leistung macht glücklich»: Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe. Foto: Daniel Reinhardt / Senatskanzlei Hamburg

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat die aktuellen Bildungsplanentwürfe seiner Behörde gegen Kritik verteidigt. Es handele sich um Entwürfe, die nicht in Stein gemeißelt seien, sagte erin der Bürgerschaft. Verbesserungsvorschläge würden mit Sicherheit noch eingearbeitet. 150 Verbände seien zum Dialog aufgefordert worden. «Aber wir werden uns nicht abbringen lassen von unserem Ziel, Hamburgs Kinder und Jugendliche mit einer guten und anspruchsvollen Schulbildung auf das Leben in und die erfolgreiche Teilhabe an unserer Gesellschaft bestmöglich vorzubereiten.»

Die Überarbeitung der Bildungspläne ist Teil des sogenannten Schulstrukturfriedens, auf dessen Verlängerung sich SPD, Grüne, CDU und FDP vor drei Jahren verständigt hatten. Unter anderem sollen klare Inhalte für den Unterricht festgelegt und dadurch die bisherige abstrakte «Kompetenzorientierung» mit klareren Vorgaben ergänzt werden.

An den Planentwürfen der Behörde war heftige Kritik laut geworden. Unter anderem forderte die Elternkammer Hamburg, den laufenden Prozess zu stoppen. Durch die verstärkte Berücksichtigung von Klausurnoten, zusätzliche schriftliche Arbeiten in der Oberstufe sowie ein erhöhtes Anforderungsniveau in der Grundschule werde die Zukunft der Kinder gefährdet, hieß es. Kritik kam auch von der Lehrerkammer, den Grundschulleitungen und den Leitungen der Stadtteilschulen.

«Es müssen sich erst Öffentlichkeit, Schulen und Fachwissenschaft gemeinsam auf einen zeitgemäßen Bildungsbegriff verständigen»

«Es muss unser Ziel sein, eine möglichst breite Akzeptanz zu erlangen», sagte die CDU-Bildungsexpertin Birgit Stöver. Sie kritisierte, dass der Anteil an vorgegebenen Lerninhalten in der gymnasialen Oberstufe zu hoch sei. «In der Grundschule und der Sekundarstufe I, wo die inhaltlichen Grundlagen gelegt werden, sollte der Anteil an verbindlichen Inhalten dagegen höher liegen.»

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus, forderte einen Stopp des laufenden Prozesses. Eine «Verschlimmbesserung» der vorliegenden Entwürfe werde niemandem helfen. «Es müssen sich erst Öffentlichkeit, Schulen und Fachwissenschaft gemeinsam auf einen zeitgemäßen Bildungsbegriff verständigen.» Die Forderung ihrer Fraktion nach einem Moratorium fand keine Zustimmung.

Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Wolf, begrüßte, dass nach Jahren einer «Abitur- und Noteninflation» in Hamburg, die mit einer tatsächlichen Leistungssteigerung wenig zu tun gehabt habe, nun eine «Rückkehr zu einer verstärken Stofforientierung» in den Bildungsplanentwürfen festzustellen sei. Die AfD stehe für ein «leistungsorientiertes und leistungsbelohnendes Lernen».

Nach der Corona-bedingten Reformpause sei es überfällig, die Ziele aus dem überparteilichen Schulfrieden umzusetzen, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. «Ideologische Debatten von der Einheitsschule bis zu Prüfungsreduzierungen gehören in die bildungspolitische Mottenkiste.»

Rabe verwies darauf, dass Hamburger Schulabgänger in bundesweiten Vergleichen zwar aufgeholt hätten, aber noch immer im Mittelfeld steckten. Zu viele Schülerinnen und Schüler scheiterten bei Bewerbungsprüfungen an Rechtschreibtests, würden im Studium abgehängt oder fänden keinen Ausbildungsplatz. «Diese Ungerechtigkeiten beenden wir nicht, in dem wir Leistungsstandards bekämpfen, Klausuren weglassen und uns bei bundesweiten Prüfungen wegmogeln.» Auch für die Kinder sei es gut, gefordert zu werden. «Ich bin sicher: Leistung macht glücklich», sagte der Senator. News4teachers / mit Material der dpa

Vorbildlich? Neue Hamburger Bildungspläne: Mehr Vorgaben, mehr für Klassenarbeiten üben

 

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lehrer002
1 Jahr zuvor

Die Abiturquote ist in Hamburg auch noch zu hoch! 60 Prozent Abiturienten sind fast 30 Prozent zu viel. Niedersachsen und Bayern stehen diesbezüglich deutlich besser da.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

„zu hoch“ ?
Ein anderer SPD-Genosse (ehem. Staatssekretär in SH) fordert nicht nur ein Abitur für alle, sondern sogar ein Hochschulstudium für alle:
http://www.zwd.info/oberstufe-wie-studium-fuer-moeglichst-alle.html
Wie wird das wohl hier im Forum gesehen?

Stefan
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Kommt darauf an, ob mehr aus moral-ideologischen Gründen geurteilt wird oder aus verstandesmäßigen.
Ideologisches Denken hat vor allem die Armen und Schwachen im Blick, denen geholfen werden soll.
Nüchternes Denken ist auf das Wohl möglichst aller Schüler gerichtet, auch auf lernstarke Kinder aus den sogenannten bildungsbewussten Elternhäusern. Ihre Bedürfnisse sollen nicht vernachlässigt werden.

Mal sehn, ich bin auch gespannt wie die Meinung hier ist. Bisher scheint das Thema aber wenig zu interessieren.

Georg
1 Jahr zuvor

Kritik wegen zu starker Leistungsorientierung?!? Da kickt der Bildungsmarxismus …
Zu wenig würde ich ohne die Lehrpläne zu kennen, noch immer nachvollziehbar finden.

Markus Webber
1 Jahr zuvor

Kurios ist ja, dass die Schultage immer länger, aber der Output immer weniger wird. Würde man die Schultage kürzen, müsste der Staat weniger Geld für Lehrer ausgeben und bekäme zusätzlich besser ausgebildete und fittere Schulabgänger.

Pit2020
1 Jahr zuvor

Bildungspläne …

„Die Antwort auf fast alles“, etwa 28 Minuten, die zwar allein nicht gebildeter machen, allein nicht unbedingt intelligenter machen … aber einige Dinge verständlicher machen, auch für Entscheidungsträger, Weisungsbefugte und andere Stars im „vanity fair of education“. 😉
https://www.youtube.com/watch?v=_dAtdSVeiLM
Herzliche Grüße nach Hamburg und auch an die anderen 15 „Schmieden von Erfolgsgeschichten der Bildung“.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Danke für den Link. Mir scheint es, als ob Kompetenzen jenseits von Fachwissen schlechter für das Gehirn sind als umgekehrt. Allerdings bin ich aber auch zu wenig Soziologe, um zu verstehen, was an der Kompetenzorientierung das Allheilmittel sein soll.

Last edited 1 Jahr zuvor by Georg
Mutter_aus_HH
1 Jahr zuvor

Meiner Meinung nach (aus Elternsicht mit persönlicher Erfahrung mit dem Hamburger Schulsystem) liegt ein großes Problem in Hamburg darin, dass SchülerInnen nicht sitzenbleiben können sowie auch nicht freiwillig eine Klassenstufe wiederholen können.
Ja – beide Szenarien sind möglich, aber die Kriterien hierfür sind extrem hoch angesetzt.

Es wird stattdessen mit der Fahne Fördern gewunken. Wie der Förderumfang dann im Alltag aussieht brauche ich wohl nicht ausführen.

Also sitzen die Kinder und Jugendlichen in den Klassen mit wichtigen Wissenslücken und der Lehrplan läuft munter weiter. So werden die Lücken oftmals von Jahr zu Jahr größer.

Vater_aus_HH
1 Jahr zuvor

Mit einer Abiturquote von 60%+ in Hamburg und anderswo habe ich kein Problem. Es sollte jede(-r) sein Abitur machen dürfen, welche (-r) auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür mitbringt und ja, die Anforderungen dürfen hier und da gern steigen… Ich erinnere mich in Hamburg daran, dass vor ein paar Jahren viele SuS in die Abi-Matheprüfungen viel zu schwer fanden…

Im scheinbaren Gegensatz verweist die Wirtschaft immer wieder über unbesetzte Stellen und Fachkräftemangel. Alle wollen Abi machen. Man sollte aber hier sehen, dass viele Auszubildende ihre Ausbildung nicht beenden. Der daraus resultierende Mangel hat nicht zwangsläufig etwas mit dem Abitur als Konkurrenz zu tun.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Vater_aus_HH

Auch ich habe kein Problem damit, dass alle das Abitur machen dürfen. Ich habe ein Problem damit, dass es 60% tatsächlich schaffen. Bezogen auf eine — angenommene — Normalverteilung bei der Intelligenz reicht ein IQ von um 90 schon für das Hamburger Abitur. Mir persönlich wäre ein Abitur, das mit IQ 110 nur mit viel Fleiß machbar ist, lieber.