Urteil: Lehrerin bekommt wegen «Reichsbürger»-Verdacht fünf Jahre lang gekürztes Gehalt

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Einer bayerischen Lehrerin, der eine Nähe zum Gedankengut der sogenannten Reichsbürger nachgesagt wird, wird für die Dauer von fünf Jahren das Gehalt gekürzt. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München am Mittwoch entschieden, wie ein Sprecher mitteilte. Die Entfernung aus dem Beamtenstand, wie es die Landesanwaltschaft verlangt hatte, erfolgt hingegen nicht.

Das Gericht hat geurteilt. Foto: pxhere

Die Frau war den Behörden aufgefallen, weil sie einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hatte. Dieses Dokument wird von den «Reichsbürgern» gerne offiziell beantragt, weil diese Personalausweis und Reisepass als Identitätsnachweis ablehnen. «Reichsbürger» lehnen die Bundesrepublik und die staatliche Verwaltung in Deutschland sowie die Justiz generell ab.

Das Verwaltungsgericht in Ansbach hatte als Disziplinarmaßnahme für die Lehrerin zunächst das Gehalt für die Dauer eines Jahres um zehn Prozent gekürzt. Der Landesanwaltschaft, die in dem Verfahren den Freistaat vertritt, reichte dies jedoch nicht – sie wollte die Frau komplett aus dem Beamtendienst entfernen. Dem folgte der VGH nicht. Allerdings wird das Gehalt nun wesentlich länger und deutlicher gekürzt – für fünf Jahre um 20 Prozent.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Dezember 2021 in einem ähnlichen Verfahren entschieden, dass ein Beamter, der die Existenz der Bundesrepublik leugnet, auch aus dem Dienst entfernt werden kann. In dem Fall hatte der Beamte in seinem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburts- und Wohnsitzstaat das «Königreich Bayern» angegeben und sich auf Gesetze mit «Stand 1913» berufen. News4teachers / mit Material der dpa

OVG-Urteil: Reichsbürger-Gedankengut verbreitet – Ex-Lehrerin verliert Pension

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18 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Da hat die Frau noch Glück gehabt. Die Aktion war aber auch selten dämlich.

Friedenstaube
1 Jahr zuvor

Ich kann nachvollziehen, dass jemand, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland abstreitet, nicht Beamter ebendieser sein kann. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, dass man dann 10% Gehaltskürzung „erleidet“ für 5 Jahre. Warum genau 10% und nicht 11% oder 28% oder 73% und warum genau 5 Jahre und nicht 7 oder 3 Jahre? Das verstehe ich nicht.

Und wie wäre es, wenn ein „Reichsbürger-Lehrer“ sowieso nicht verbeamtet, sondern nur angestellt ist?!

Sammelsurium
1 Jahr zuvor
Antwortet  Friedenstaube

Wie wäre es, wenn ein „Reichsbürger-Lehrer“ aus dem Dienst oder Angestellenverhältnis entfernt wird?

TaMu
1 Jahr zuvor

Versteht das jemand? Entweder macht die Lehrerin etwas so falsch, dass sie verurteilt werden muss, dann kann sie auch nicht weiter Lehrerin sein, oder es ist ok, was sie macht, dann kann man ihr auch kein Gehalt kürzen.
Wahrscheinlich unterrichtet sie ein „Mangelfach“ und muss deshalb im Schuldienst bleiben. Und lieber eine Reichsbürgerin als Betreuung, als Kinder wegen Personalmangels nach Hause schicken, wo sie adipös werden.
Wieviel Motivation eine so bestrafte Lehrerin für die Lehrtätigkeit noch mitbringt, wo sie doch ohnehin in einem ganz anderen Reich lebt und in welcher Form sie ihr Märtyrertum ausleben wird, spielt dabei keine Rolle.

Pentaleon
1 Jahr zuvor

Ein Beamter steht in einem besonderen „Treueverhältnis“ zu seinem Staat, der ihm das durch besondere Vergünstigungen lohnt (viele sehen nur diese Vergünstigungen und wollen sie unbedingt auch haben, wie man aktuell sieht). Zu diesem „Treueverhältnis“ gehört auch die Gesinnung im Rahmen der staatlichen Ordnung, die bei uns eine freiheitlich-demokratische Grundordnung ist, also in diesem Sinne ja den Beamten auch nicht sehr einschränkt – es sei denn, der wolle keine freiheitlich-demokratische Grundordnung und wolle dagegen agieren.

Wenn also ein Beamter die Existenz des Staates leugnet/verneint, dem er sich mit dem Antrag auf Übernahme ins Beamtenverhältnis zu dienen bereiterklärt hat, kann er nicht Beamter dieses Staates sein/bleiben. Das ist doch irgendwie logisch.

Ein Angestellter steht nicht in diesem besonderen „Treueverhältnis“ zu seinem Staat. Der Staat „kauft“ von ihm seine Arbeitskraft, sein Wissen, seine Fertigkeiten. Der Angestellte gibt sie ihm gegen das entsprechende Entgelt. Seine Gesinnung ist in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung seine Sache. Sie geht den Staat in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung schlichtweg nichts an, solange keine Gesetze gebrochen werden.

Da sieht man einen wichtigen Unterschied zwischen Beamten und Angestellten, der allerdings nur wichtig ist, wenn der Beamte bzw. Angestellte des Staates keine freiheitlich-demokratische Gesinnung hat.

Last edited 1 Jahr zuvor by Pentaleon
Alx
1 Jahr zuvor

Ich hätte da noch ein paar Fragen zum Verständnis:

Hat die Frau denn ihren Antrag mit der Nichtexistenz der Bundesrepublik begründet oder dürfen Beamte generell so einen Ausweis nicht beantragen, weil das auch Reichsbürger tun?

Soweit ich das verstehe ist in manchen Bundesländern dieser Staatsangehörigkeitsausweis Pflicht um Beamter zu werden und es gibt wohl auch zwingende Gründe, dass man einen solchen Ausweis benötigt, wenn er ausgestellt wird?
Warum wird der Schein überhaupt von den Ämtern ausgestellt, wenn er die Existenz der Bundesrepublik leugnet?

Wie ist es, wenn jemand eingebürgert wird, dazu diesen Ausweis benötigt und dann Beamter wird?

Gilt das auch für Pensionäre, die ihren Lebensabend im Ausland verbringen wollen und dafür diesen Ausweis benötigen?

Gibt es irgendwo brauchbare Infos welche Unterlagen Beamte nicht beantragen dürfen?

Otto Ott
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

Wer Beamter der Bundesrepublik Deutschland sein WILL (muss man ja nicht), kann nicht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen. Das ergibt sich aus sich selbst, wie andere oben auch schon schrieben.

Mich würde auch interessieren, wie in so einem Fall bei einem angestellen Lehrer geurteilt werden würde. Der ist ja eben kein „Staatsdiener“!

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Daher ist ja die Frage:

Leugnet man alleine durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweis schon die Existenz der Bundesrepublik Deutschland?

Und wenn ja, warum kann man das dann in allen Ämtern formlos beantragen und benötigt scheinbar in manchen Bundesländern einen solchen um überhaupt Beamter werden zu können?

Ich will nicht für diesen Ausweis argumentieren, nur würde ich gerne wissen, was die rechtliche Grundlage ist und ob dazu irgendwo etwas handfestes steht.

Seebald
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Wer Beamter der Bundesrepublik Deutschland sein WILL (muss man ja nicht), kann nicht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen.

Das hat sie, soweit ich den Artikel richtig verstanden habe, doch überhaupt nicht gemacht. Im Gegenteil, sie hat einfach ein Dokument dieses Staates in einer Behörde in diesem Staat beantragt.

Das findet man ganz leicht heraus, wenn man etwas recherchiert (ja, ich weiß, ist nervig):

https://www.landkreis-peine.de/Themen-Leistungen/Leistungen/Dienstleistungen-A-Z/Staatsangeh%C3%B6rigkeitsausweis-beantragen.php?object=tx,3583.2.1&ModID=10&FID=2555.1061.1&NavID=3583.14.1

https://service-test.landkreis-osnabrueck.de/online-dienstleistungen-adt/-/egov-bis-detail/dienstleistung/2017/show

https://www2.ingolstadt.de/Service/B%C3%BCrgerservice/An-Ab-Ummeldung/index.php?&object=tx,2789.2&ModID=10&FID=2789.302.1&kat=&kuo=1&ort=0&call=0&sfwort=0&k_sub=0

Wie kann also die Frau dafür verurteilt werden (und scheinbar gibt es da ja nicht mehr), weil sie ein behördliches Formular ausfüllte bei einer Behörde, um ein behördliches Schreiben zu bekommen?

Bin ich der Einzige, der es beängstigend findet, dass es so ein Urteil überhaupt geben kann? Was sagt das über den Rechtsstaat aus?

uesdW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Seebald

Mich stört das auch gewaltig!
Ich kann mich nich dafür anfreunden, das jemand aufgrund eines Verdachtes hin bestraft wird!
Bestrafung darf und kann nur aufgrund eines nachgewiesen Delikts erfolgen!

Ich kürze doch auch keinem Poltiker das Gehalt, wili ich den Verdacht habe, dass er mit einem Deal sich selbst die Taschen voll macht!

SekII-Lehrer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Seebald

Wenn jemand, der deutscher Staatsbürger ist, in einem Verfahren, das der Abklärung von Zweifelsfällen dient, behördlich feststellen lassen will, ob bzw. dass er deutscher Staatsbürger ist, dann tut er das aus einem bestimmten Grund.

Die Frau bezweifelt also entweder, dass ihr Personalausweis bzw. Pass ein Nachweis ihrer Staatsbürgerschaft ist. Dann steht sie den Reichsbürgern nicht nur nahe.
Oder: Sie ist nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Vielleicht gibt es da aber auch Überschneidungen…

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  SekII-Lehrer

Danke, warum sollte diesem Kommentar noch etwas hinzuzufügen sein?

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  unverzagte

Tatsächlich ist der Pass oder Perso kein sicherer Nachweis der Staatsbürgerschaft, wohl aber die Geburtsurkunde.

Und wie ich herausgefunden habe, sollte es kein Problem sein, als Beamter auf Anforderung von Amts wegen einen solchen Ausweis zu beantragen, allerdings sollte man nicht ohne Grund und nicht nach Rustag sonder nach Esta.

Braucht man aber eigentlich nicht.

Seebald
1 Jahr zuvor
Antwortet  SekII-Lehrer

***Wenn jemand, der deutscher Staatsbürger ist, in einem Verfahren, das der Abklärung von Zweifelsfällen dient, behördlich feststellen lassen will, ob bzw. dass er deutscher Staatsbürger ist, dann tut er das aus einem bestimmten Grund.***

Dann müsste ich also den Mitarbeiter, der vor meiner Verbeamtung eben gerade jenes Dokument anforderte, obwohl ich in Deutschland geboren war, „deutsch“ in meinem Personalausweis stand, eine entsprechende Geburtsurkunde („Mit einem solchen Ausweis ist die Staatsangehörigkeit verbindlich nachgewiesen, sofern diese nicht durch anderweitige Dokumente mit gleicher Rechtskraft (z. B. GeburtsurkundePersonenstandsregister) nachgewiesen werden kann“ Wikipedia) beilegen musste, ja auch anzeigen..

Dann also wech (sic) mit den Bundesländern (oder sollte ich sie Reichsländer nennen?), die weiter an einem Staatsangehörigkeitsausweis festhalten!

***Die Frau bezweifelt also entweder, dass ihr Personalausweis bzw. Pass ein Nachweis ihrer Staatsbürgerschaft ist. Dann steht sie den Reichsbürgern nicht nur nahe.***

So, und wegen solchen Nichtwissern (aber dafür umso größeren Dampfplauderern) muss ich also jetzt jedesmal meine Arbeit gefährden, denn ich benötige diesen Ausweis noch mindestens zwei mal, ganz ohne die von ihnen unterstellten Intentionen und da „packe“ ich lieber gleich aus, nicht, dass ich mich auch noch verdächtig mache: 1 mal für die Hochzeit im außereuropäischen Ausland und das 2. mal für die Annahme der doppelten Staatsbürgerschaft (beides mal gefordert vom ausländischen Land).

***Oder: Sie ist nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Vielleicht gibt es da aber auch Überschneidungen…***

Mir würde es schon reichen, wenn jeder vor seiner eigenen Türe kehren würde und, frei nach Dieter Nuhr, nicht den Ruf von SekII-Lehrern (ich fühle mich durch sie peinlich berührt) durch seine offen kommunizierte Ahnungslosigkeit desavouieren würde.

Seebald
1 Jahr zuvor
Antwortet  SekII-Lehrer

PS: Und Denkweisen wie „Die Frau bezweifelt also …
Oder: Sie ist nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Vielleicht gibt es da aber auch Überschneidungen…„, um sie vor Gericht verurteilen zu können, kennt man nur aus Diktaturen, wo es eben nicht auf Beweise, sondern nur auf Vorverurteilung, ankommt.

In einem Rechtsstaat läuft es im Verwaltungsrecht anders ab:
Antragstellung -> Versagung durch Behörde (Bescheid) -> Widerspruch -> Ablehnung -> Klage -> (bis letztinstanzliches) Urteil
und dann hat die gute Frau ihren Wisch oder nicht.

Aber jemanden zu verfolgen (und bei den persönlichen Auswirkungen in dem Fall handelt es sich um eine Verfolgung), weil er einen Antrag gestellt hat… gruselig … und dass es dann noch Menschen gibt, die das unterstützen… Ich kann nur beten, dass sie kein Geschichtslehrer sind.

Sie sollten sich einmal selbst hinterfragen, ob ihr Beamtenstatus, demokratische Grundprinzipien und eigene Denkweisen noch unter einen Hut zu bekommen sind.

Und wenn ich emotional wirke, dann liegt das daran, dass mich dieses Urteil berührt, aber das ist ja vermutlich auch beabsichtigt: bestrafe einen und erziehe hundert (frei nach dem Demokraten Mao). Dass man damit unschuldige Menschen trifft, dürfte den interessierten Kreisen dabei egal sein (und es gibt ja eh immer welche, die das auch noch rechtfertigen „wo man hobelt, da fallen eben Späne“).

1984 lässt grüssen.

Stefan
1 Jahr zuvor

Wenn es einen „Staatsangehörigkeitsausweis“ gibt, den man beantragen kann, verstehe ich nicht, warum die Frau für ihren Antrag bestraft wurde. Nur weil «Reichsbürger» ihn gern beantragen?
Eine Abschaffung dieses „Staatsangehörigkeitsausweises“, wenn er denn ein schlimmes Dokument ist, würde mir einleuchten. Die Bestrafung der Frau kommt mir jedoch seltsam vor.

uesdW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Stefan

Vorsicht, wenn sie demnächst Kleidung kaufen, die Personengruppen bevorzugt kaufen. Wenn nur der Vedacht besteht, dass sie zu der Personengruppe gehören, dannn …. gruselig

uesdW
1 Jahr zuvor
Antwortet  uesdW

Und wenn man dann in einem „Lehrforum“ einen negativen Daumen bekommt, weil man eine Bestrafung basierend auf einem Verdacht gruselig findet, wirds noch gruseliger.