Krise! Kommunen: Bund und Land müssen Versprechen (bei Bildung) einkassieren

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STUTTGART. So geht es nicht mehr weiter – das ist der Tenor bei den (baden-württembergischen) Kommunen. Sie ächzen unter der Last von Energiekrise, Inflation, Corona und den Kosten für Flüchtlinge. Ihre klare Forderung: Bund und Land müssen Versprechen einkassieren.

Schluss mit lustig. Foto: Shutterstock

Die Kommunen im Südwesten halten angesichts der Krise Einschnitte bei staatlichen Standards für unvermeidlich und fordern Bund und Land zum Umsteuern auf. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger sagte: «Schon vor der Zeitenwende war die Vielzahl der politischen Versprechen und Zusagen in der Summe nicht mehr erfüllbar – dies war eine klare Erkenntnis der kommunalen Ebene.» Wegen der aktuell wohl größten Herausforderung der Nachkriegszeit sei es nun höchste Zeit, eine echten Aufgaben- und Standardkritik sowohl für künftige Ziele als auch für bestehende Standards zu machen.

Der Gemeindetag dringt darauf, dass in Bund und Land die Koalitionsverträge aufgeschnürt und an die von Kanzler Olaf Scholz im Zuge des Ukraine-Kriegs verkündete «Zeitenwende» angepasst werden. Denn: Die Koalitionsverträge der Ampel und des grün-schwarzen Bündnisses im Südwesten vermittelten den Eindruck, «dass es immer weitergehende staatliche Zusagen geben könne». Das ist aber aus Sicht der Kommunen nicht mehr möglich. Bei einer ehrlichen Betrachtung müsse festgestellt werden, dass 100 Milliarden Euro Ausgaben für die Bundeswehr und 95 Milliarden Euro für Entlastungspakete der Anfang für eine Änderung politischer Prioritäten seien.

Der Gemeindetagschef geht davon aus, dass der Staat noch stärker in die innere und äußere Sicherheit, in einen besseren Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie in weitere Grundbedürfnisse des Gemeinwohls investieren muss. «Gleichzeitig muss eine Antwort gefunden werden, ob und wie die Summe der bisherigen Zusagen tatsächlich bezahlt werden kann. Dabei gilt jedoch weiterhin: Jeder Euro, den der Staat einnimmt, kann nur einmal ausgegeben werden.»

Jäger erwartet auch, dass Bund und Land künftig stärker darauf achten, ob ihre Zusagen von den Kommunen auch umgesetzt werden können. Als Beispiele nennt der Gemeindetagschef immer wieder den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule von 2026 an. Der Landesvorstand des Gemeindetags will am Donnerstagvormittag ein Positionspapier zum Absenken der Standards beschließen.

Bei Grünen und CDU stoßen die Kommunen teilweise auf offene Ohren. Zuletzt hatte die Grünen-Vorsitzende Lena Schwelling erklärt, sie könne sich Abstriche bei bestimmten staatlichen Standards etwa bei der Kinderbetreuung oder beim Wohnungsbau vorstellen. Unterstützt wurde sie dabei von Innenminister und CDU-Landeschef Thomas Strobl. News4teachers / mit Material der dpa

 

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Schattenläufer
1 Jahr zuvor

War nicht anders zu erwarten.

Ist aber extrem mutig für ein Land dessen einzig Ressourcen Bildung und Ausbildung sind.

Sonst haben wir keinerlei Standortvorteile im internationalen Vergleich.
-keine Rohstoffe
-keine billigen Arbeitskräfte

Rein Garnichts.

TaMu
1 Jahr zuvor

Es wird also nicht darüber nachgedacht, den Ganztagsanspruch zurück zu nehmen, sondern die Massenbetreuung in qualitativ schlechterer Form durchzuziehen und das Ganze dann „Kindswohl“ zu nennen?

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Gute Zusammenfassung. Also das übliche Zeug von oben.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Korrekt, denn: „Abstriche bei bestimmten staatlichen Standards“

Der grün-lackierte Ober-Kapitalist in B-W hat es ja auch schon angekündigt: Größere Gruppen in den Kitas. Demnächst dann wahrscheinlich auch in den Grund- und weierführenden Schulen. Bundesweit. Und die Lehrkräfte müssen dann halt „effizienter“ arbeiten und nicht so viel herumtrödeln, empfohlen von diversen Landesrechnungshöfen. Dann schafft man auch mehr Schüler pro Lerngruppe und die 30-Unterrichtsstunden-Woche. Sind halt auch nur Abstriche bei „staatlichen Standards“… ebenso bei den Teilzeitregelungen im Schulbereich. Wird halt momentan jeder Mann / jede Frau „an der Front“ gebraucht… sieht man ja auch anderswo… und wer nicht freiwillig mehr arbeitet, den wird die Inflation dank massiver Reallohnssenkungen demnächst dahin treiben. Zumindest wenn er oder sie beim Staat unter der Fuchtel von Verdi / TV-L bzw. als Landesbeamter arbeitet.

Es wiederholt sich: In „guten“ Zeiten (also noch vor ein paar Jahren) war kein Geld für die Bildung und die Schulen da, und jetzt, in „schlechter“ Zeiten, wird wieder gespart… der seit Jahrzehnten bekannte Kreislauf halt. Hat doch aus Sicht der Politik bisher funktioniert, warum also dieses „Erfolgsrezept“ ändern? Der Esel zieht den Karren doch immer weiter, der „Kinder zuliebe, denn die können doch nichts dafür“…

Stromdoktor
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Man könnte das ja an eine bestimmte „Bedürftigkeit“ knüpfen:

Rechtsanspruch haben Kinder von Geringverdienern, Geflüchteten, Kinder mit besonderem Förderbedarf, vernachlässigte Kinder…

Kein Rechtsanspruch hat die Mitte der Gesellschaft mit guten Einkommensverhältnissen.

Zudem könnte man Arbeitgeber ab einer kritischen Größen gesetzlich verpflichten, Kinderbetreuungsplätze für (Arbeitnehmer + anteilig für die Gesellschaft) zu schaffen.

Damit es nicht zu einer Separierung der unterschiedlichen Gruppen kommt, müsste man noch eine Verteilung / Durchmischung der Plätze organisieren.

Letztlich besteht das Ausgangsproblem darin, dass alle zusätzlichen Investitionen in die innere und äußere Sicherheit, zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie mit der Verfügbarkeit von Fachkräften zusammenhängt.

Die KiTa und Grundschule sind dabei von zentraler Bedeutung. Einerseits, um Chancengleichheit zumindest in Ansätzen zu ermöglichen und andererseits, um die Verfügbarkeit der heutigen (Eltern) und zukünftigen (Kinder) Fachkräften zu gewährleisten.

Meiner Meinung nach ist es daher legitim, Wirtschaftsunternehmen an der Finanzierung zu beteiligen und die Standards und Bezahlung entsprechend (nach oben) anzupassen.

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung haben alle Kinder ab dem 1. Geburtstag. Wer ehrlich ist, weiß, dass ein Kind in diesem Alter bei 5 Stunden an 3 Tagen in einer kleinen Kindergruppe mit einer oder zwei Bezugspersonen bereits sehr ausreichend frühkindlich gefördert ist, das heißt, ausreichend mit anderen Kindern in einem Erfahrungsumfeld außerhalb des Elternhauses gespielt, neue Regeln erlernt und Abnabelungsprozesse gemeistert hat. Alles, was zeitlich darüber hinaus geht, hilft nur noch anderen, nicht aber dem Kind, es sei denn, es wird zu Hause vernachlässigt oder misshandelt. Aber auch dann greift die Frühkindliche Förderung nicht mehr, das ist ein anderes Thema.
Also sollten alle Kinder diesen Rechtsanspruch nutzen dürfen, egal mit welchem Lebenshintergrund.
Betreuungszeiten, die über 15 Stunden pro Woche hinausgehen, sollten begründet und gegebenenfalls anders bezahlt werden müssen. Es sollte dann auch nicht mehr Frühkindliche Förderung heißen, sondern Elternarbeitszeitunterstützung oder Frühe Hilfe (bei Kindswohlgefährdung). Bei der Elternarbeitszeitunterstützung darf dann gerne die Wirtschaft mit an Bord geholt werden, gerade bei den Kosten.