Schulgemeinde nach dem Massaker zusammengehalten: Gutenberg-Direktorin geht in den Ruhestand

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ERFURT. 31 Jahre lang war Christiane Alt Direktorin des Gutenberg-Gymnasiums. Beim Wechsel in den Ruhestand bestimmt nicht nur der Schrecken des Schulmassakers die Erinnerung.

Außenaufnahme des Haupteingangs des renovierten Gutenberg-Gymnasiums in Erfurt. Foto: CTHOE / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Das Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Nach dem Amoklauf blieb die Schule für drei Jahre geschlossen und wurde aufwändig umgebaut. Foto: CTHOE / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Nach dem Schulmassaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium mit 16 Toten vor fast 21 Jahren wurde sie zum bundesweit bekannten Gesicht der Schule, jetzt ist ihre berufliche Laufbahn beendet: Direktorin Christiane Alt geht in den Ruhestand. Am Dienstag absolvierte die 66-jährige Pädagogin, die das Gymnasium 31 Jahre lang geleitet hatte, ihren letzten Arbeitstag. An jenem Ort, an dem sie am 26. April 2002 das wohl Schlimmste erlebt hatte, was einer Schuldirektorin widerfahren kann: Ein 19 Jahre alter Ex-Schüler, der des Gymnasiums verwiesen worden war, erschoss dort innerhalb von knapp zehn Minuten zwölf Lehrkräfte, zwei Schüler, eine Polizistin, die Schulsekretärin und sich selbst.

Am letzten Arbeitstag war aber nicht nur die Erinnerung an diese Tragödie präsent. Verabschiedet wurde die Lehrerin für Deutsch, Russisch und Englisch, die auf insgesamt 45 Arbeitsjahre im Schuldienst zurückblickt, mit einer Festveranstaltung und «vielen schönen Überraschungen von Lehrern und Schülern», wie sie auf Anfrage sagte. Auch ehemalige Schüler hätten sich gemeldet. «Ich habe viele Mails bekommen.»

«Sie hat den gleichsam schmerzvollen wie guten Prozess der Bewältigung des schrecklichen Ereignisses mit großer Würde und beeindruckender Kraft gestaltet»

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) würdigte die Verdienste der Pädagogin. Es sei vor allem auch ihr zu verdanken, dass das Gymnasium den schwersten Angriff, den eine Thüringer Schule je erlebt habe, als Schulgemeinschaft überstehen konnte, teilte er auf Anfrage mit. «Sie hat den gleichsam schmerzvollen wie guten Prozess der Bewältigung des schrecklichen Ereignisses mit großer Würde und beeindruckender Kraft gestaltet», zitierte ihn das Bildungsministerium.

Alt will ihre Tätigkeit an dem Gymnasium aber nicht nur als Krisenmanagerin nach der Tragödie reduziert wissen. Es gebe auch viele schöne Erinnerungen, sagte sie. Sie nannte die Zeit nach dem Ende der DDR, als das Bildungssystem in Thüringen umgekrempelt wurde. «Diese Aufbauzeit war spannend, wir mussten viel improvisieren.» Auch nach dem Abschied werde das Gymnasium einen Platz in ihrem Herzen haben. «Da wird es bleiben.» Wie genau sie ihren Ruhestand gestalten wolle, stehe noch nicht fest.

Am Gutenberg-Gymnasium lernen rund 650 Kinder und Jugendliche. 60 Lehrkräfte sind dort tätig. Von Mittwoch an wird der 36-jährige Sebastian Starke die Schule leiten, der bisher stellvertretender Direktor war. Von Katrin Zeiß, dpa

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