Lehrerverband: Länder lassen Schulen bei Integration von ukrainischen Schülern im Stich

17

Der Deutsche Lehrerverband fordert mehr Unterstützung für Schulen bei der Integration geflüchteter ukrainischer Kinder und Jugendlicher. «Die Politik droht das Projekt einer gelungenen Integration der Schüler aus der Ukraine in den deutschen Schulen an die Wand zu fahren», warnte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger in der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten».

Rund 200.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine besuchen derzeit deutsche Schulen (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

«Wir brauchen dringend zusätzliche Unterstützung für Schulen, die besonders viele geflüchtete Schüler aufgenommen haben – sonst droht die Integration zu scheitern», so Meidinger.  An vielen Schulen gebe es ein bewundernswertes Engagement für geflüchtete Kinder, sagte der Lehrerfunktionär. «Doch die große Mehrheit der Bundesländer lässt die Schulen bei der Bewältigung dieser Aufgaben weitgehend im Stich.»

Nach Erhebungen der Kultusministerkonferenz werden in Deutschland infolge des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland aktuell etwa 205.000 Schüler aus der Ukraine unterrichtet. Insgesamt gibt es rund 11 Millionen Schüler.

«Das bedeutet einen großen sozialen und gesellschaftlichen Sprengstoff, weil es die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen massiv schmälert»

«Wenn man davon ausgeht, dass ein zusätzlicher Schüler etwa 7000 bis 10.000 Euro an zusätzlichem Aufwand in Personal- und Sachkosten erfordert, hätten die Länder bis zu zwei Milliarden Euro in die Integration ukrainischer Schulkinder stecken müssen», sagte Meidinger. Sie hätten aber «nur sehr überschaubar investiert». Er forderte auch langfristige Beschäftigungsangebote an ukrainische Lehrer, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollten, sowie Fortbildungsangebote für deutsche Lehrer, die an Schulen mit vielen geflüchteten Kindern arbeiten.

Der Lehrerverbands-Präsident verwies darauf, dass der IQB-Bildungstrend massive Lernrückstände von Kindern mit Migrationsgeschichte aus der ersten Zuwanderungsgeneration ergeben habe. «Auf dieses katastrophale Ergebnis hat die Politik bislang kaum reagiert – und sie macht nun, durch Ignoranz der Herausforderungen bei den geflüchteten Kindern aus der Ukraine alles noch schlimmer“, sagte er. «Das bedeutet einen großen sozialen und gesellschaftlichen Sprengstoff, weil es die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen massiv schmälert.» News4teachers / mit Material der dpa

GEW-Chefin: Schüler aus der Ukraine bringen unterbesetzte Schulen über das Limit

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

17 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor

…nicht nur in Bezug auf ukrainische Kinder (und Lehrkräfte), da sind noch Afghanen, Iraker, Türken, Kurden, Serben, Mazedonier, Albanier, Inder, Syrier, Afrikaner… und weitere aus europäischen Ländern…
Es wäre doch schön, wenn die Lehrerverbände mal die ganze Bandbreite der Überlastung des Systems thematisieren würden!
Wir müssen es stemmen, mit gleichen oder weniger Mitteln als „vorher“, egal wie, letztenendes auf Kosten der Schüler und der Kollegen, die immer wieder irgendwie rausreißen, was Politik verbummelt hat.

Tyconius Africanus
1 Jahr zuvor

Bei allem Respekt vor Herrn Meidinger & Co. wäre es wichtig, die Situation der betroffenen Kinder und Jugendlichen genau zu studieren. Es sei daher auf den vorausgegangenen Beitrag auf dieser Webseite verwiesen:
https://www.news4teachers.de/2023/04/viele-jugendliche-setzten-ukrainischen-unterricht-in-deutschland-fort/#comments
Viele Ukrainer vermissen ihre Heimat und möchten schnellstmöglich zurück. Ferner werden viele Kinder doppelt beschult und dadurch zusätzlich belastet. Umso wichtiger ist es, adäquate Beschulungsmodelle zu entwickeln. Letzteres ist freilich in einem … hm … dysfunktionalen Schulsystem wie dem hiesigen kaum möglich.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor

Nach einem Jahr hat sich dann leider bewiesen: Einen vorhandenen kostenlosen Stuhl dazustellen war im Nachgang wohl nicht ausreichend.
Einfach beschämend, wenn man heute (?) sogar behauptet, zwei Milliarden wären mindestens erforderlich gewesen … Doppelwumms hin oder her.
Und wieder leiden die Schwächsten, die Kinder!

Die Statistik für 2022 belegt es klar und deutlich; Zunahme der SuS um 1,9 % und dies waren meist Ukrainer (meinerseits absolut wertunsgfrei!)

Last edited 1 Jahr zuvor by gehtsnoch
Klaus Lehmkuhl
1 Jahr zuvor

Die Länder , die so vehement auf ihrer verfassungsgemäßen Bildungshoheit bestehen , lassen die Schulen bei so ziemlich Allem im Stich . In NRW hatte sich das Schulminsterium Pontius Pilatus zum Vorbild genommen und seine Hände in Unschuld gewaschen … Stichwort “ Distanzunterrichtverordnung “ : So musste man sich dann auch keine Klagen von wütenden Eltern anhören . Oder Inklusion : Keine Mittel , kein Personal , keine Räume . Einfach “ Macht mal … „

Johann F.
1 Jahr zuvor

Gegenfrage: Wann werden idealistische LuL von der Kultusverwaltung nicht im Stich gelassen?
Einzelfälle sind die Ausnahmen, welche die Regeln bestätigen.

Oberkrämer
1 Jahr zuvor

Was genau soll denn „der Staat“ mehr tun, um die ukrainischen Kinder besser zu integrieren und woher soll das Geld dafür kommen? Wer soll es bezahlen bzw. wo soll es eingespart werden? Es ist immer so leicht, mehr Geld zu fordern…

Und wenn mehr Lehrer gefordert werden, Lehrer, die sich extra um diese Kinder kümmern, woher sollen die denn dann kommen? Bei den Streiks für kleinere Klassen, was ja immer auch mehr Lehrer für dadurch mehr Klassen bedeutet, lese ich andauernd, das sei angesichts des Lehrermangels unrealistisch und deshalb seien diese Streiks illusorisch und sinnlos.

Alex
1 Jahr zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Es hieß ja immer, es kämen auch jede Menge ukrainische Lehrer. Wo sind die und warum werden die nicht eingesetzt?

Franca Thielecke
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alex

Ukrainische Lehrer haben ein nicht vergleichbares Studium und oft nur ein Fach. Auch mangelt es Ihnen an Deutschkenntnissen. Deutschlehrer, die Daf anbieten können, sind auch nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Carabas
1 Jahr zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Hm. In dem in anderen Bereichen sparsamer gehaushaltet wird. Die knapp 800 neuen Beamtenstellen in der Bundesregierung kosten rund 50 Mio jährlich und dauerhaft. Dafür könnte man wohl rund 1000 oder mehr neue Lehrer einstellen.

Ingo Völzke
1 Jahr zuvor

Es gibt so viele spezielle Anforderungen in Schule, die so speziell sind, dass sie oft mit Schule im Kern nichts zu tun haben. Die vielen Schutzsuchenden aus der Ukraine könnten ihre Kinder in Selbstverwaltung betreuen. Räume müssten gestellt werden. Dieser Personenkreis wird zu 90% zurück in die Heimat gehen. Alle anderen Zuwandernden sollten erst in Kita und Schule aufgenommen werden, wenn das Aufenthaltsrecht klar geregelt ist. Hier müssen auch in Erstaufnahmen Betreuungsräume gestellt werden und dann Selbstverwaltung. Das alles würde hoch belastete Stadtteile „schützen“ und die extrem Bedingungen für Kitas und Schulen erleichtern. Es muss mal was Konkretes, Lösenden, Wirkungsvolles organisiert werden. Die Kitas und Schule „saufen“ ab mit dieser Problemlast. Ganz nebenbei, Lehrerberuf und auch Erziehungsberufe werden immer weniger gewählt. Wer soll auch die ganzen Probleme ertragen?

Leo Lausemaus
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ingo Völzke

90% werden zurückgehen? Hier lese ich, dass 42% langfristig bleiben wollen. Da wurden vermutlich nicht die Kinder befragt, nur wenn deren Eltern bleiben, werden ja auch die minderjährigen Kinder bleiben.

https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/ukrainische-fluchtlinge-42-prozent-wollen-in-deutschland-bleiben/

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Leo Lausemaus

42% haben zu dem Zeitpunkt der Befragung entschieden, dass sie bleiben wollen.
Unklar ist, wie viele zusätzlich bleiben, je länger sie schon hier sind oder je weniger lebenswert ihr Herkunftsort sein wird.

Gerade weil wir qualifizierte Personen benötigen, sollte man sofortige Beschulung unterstützen, um eine Integration zu erleichtern und nicht zu behindern.

Die Schulen werden AUCH hinsichtlich der Ukrainer vernachlässigt, aber der Lehrkräftemangel besteht seit über 10 Jahren. An der Problemlast wird sich erst etwas ändern, wenn die Länder die Schulen massiv unterstützen, da sind die zusätzlich aufgenommenen Ukrainer nur ein Teil eines viel größeren Bedarfs.
Es ist richtig, auch für die Beschulung der Ukrainer mehr Ressourcen zu fordern, jedoch falsch, alles darauf zu begrenzen.

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ingo Völzke

Sowas hatten wir vor 30 Jahren. Die Zuwandererkinder DURFTEN nicht in die Schulen, Schulen DURFTEN sie nicht aufnehmen.
Später hatten sie die Möglichkeit, aber kein RECHT auf Beschulung.
Folge: Langeweile, Bildungslücken ohne Ende, die Jugendlichen kamen auf krude Gedanken und machten ihr eigenes Beschäftigungsprogramm, das sozial dann wieder negativ auffiel – incl. Bandenauseinandersetzungen, Polizeieinsätzen etc.
Dahin will ich auch nicht zurück!
Allerdings sollte dringend den Eltern und allen anderen Beteiligten (Ehrenamtlern, Sozialarbeitern…) kommuniziert werden, dass nicht alle zu 100% beschult werden können, solange es zu wenig Lehrer gibt. Auch „die“ (natürlich nicht alle!) zugewanderten Eltern haben ein recht hohes Anspruchsniveau und wünschen Beschulung rund um die Uhr und zusätzliche Nachhilfe, die ihnen bezahlt wird, nachdem die Kids die Angebote der Schule nicht wahrgenommen bzw. ausgesessen haben.

Ich möchte zu einem Verständnis von Schule, das heißt: Nutzen, was angeboten werden kann!

Das Glas ist halb voll und nicht halb leer. Die Kollegen tun mehr, als sie eigentlich müssen und auch mehr, als sie eigentlich können.
Damit das Glas für die Lehrer nicht ganz leer wird, müssen alle (Schüler, Eltern etc.) zurückstecken und optimal nutzen, was angeboten werden kann. Schule kann kein Selbstbedienungsladen sein. Dazu sind die Ressourcen zu knapp.

Carabas
1 Jahr zuvor

In diesem Fall kommen die Kinder aber aus einem immer noch funktionalen Staat. Sie haben Nachmittags eigenen Online-Unterricht. Wir müssten diesen nur ergänzen bzw. mit Räumlichkeiten und Technik unterstützen. Stattdessen erzwingt man die oftmals sinnlose Teilnahme der Kids am deutschen Vormittagsunterricht mit dem berühmten Stuhl. Bringt wenig bis gar nichts.

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carabas

Noch lange nicht alle sind online angebunden!
Außerdem gibt es auch unter diesen Schülern durchaus (sehr) schwache Exemplare, die alleine nicht lernen können.
Bin übrigens gegen eine Zweiklassen-Beschulung (Ukrainer und die anderen). Das geht in vielerlei Hinsicht nach hinten los und tut m.E. weder unserer Gesellschaft gut noch den Betroffenen.

Palim
1 Jahr zuvor

Danke, @ kanndochnichtwahrsein,

„Schule kann kein Selbstbedienungsladen sein.“ richtet sich auch an Politiker:innen, die immer noch meinen, jegliche Aufgabe in der Schule abladen zu können, ohne sich weiter um Ressourcen kümmern zu müssen.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ingo Völzke

„Dieser Personenkreis wird zu 90% zurück in die Heimat gehen.“

Das wissen wir noch nicht. Das können wir erst abschätzen, wenn irgendwann Friedensverhandlungen aufgenommen werden und es eine realistische Rückkehrperspektive gibt.
Bis dahin greift ab Tag der Meldung bei der Stadt oder Kommune die Schulpflicht bzw. das Recht auf Beschulung.

„Alle anderen Zuwandernden sollten erst in Kita und Schule aufgenommen werden, wenn das Aufenthaltsrecht klar geregelt ist.“

Das kann lange dauern, unter Umständen Jahre.

Sie verkennen, dass Integration, und sei sie zeitlich nur vorübergehend, primär durch Sprache passiert. Wenn wir anfangen, Kinder und Jugendliche davon auszuschließen und sie sich selber überlassen, führt das zu nichts Gutem. Da treiben dann die alten Blüten (Gettobildung, Bandenkriminalität, etc), mit denen wir uns schon seit vielen Jahren mühsam auseinandersetzen müssen, wieder verstärkt aus.