Kultusministerium behauptet, Lehrermangel an Grundschulen sei bis 2025 erledigt

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Bis 2030 werden nach Vorausberechnungen der Bildungsgewerkschaft GEW in Hessen Tausende Lehrer fehlen. Je nachdem, welche Situation man zugrunde legt, schwanken die Zahlen stark, sind aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen aber immer beunruhigend. Erstaunlich: Das Kultusministerium widerspricht – und kündigt an, dass sich «bis Mitte der 20-er Jahre», also in zwei Jahren, der Lehrkräftemangel erledigt habe, an Grundschulen jedenfalls.

Es sieht nicht gut aus… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

«Das Ergebnis dieser Berechnung bestätigt unsere Befürchtungen», sagte der Vorsitzende der GEW Hessen, Thilo Hartmann, am Dienstag in Frankfurt. «Wir werden, wenn die Landesregierung nicht endlich entschieden gegensteuert, nicht einmal den Status quo halten können.» Schon in der konservativsten Simulation gäbe es bis Ende des Jahrzehnts rund 3500 Lehrkräfte in Hessen zu wenig. In diesem Fall würde die aus Sicht der GEW unzureichenden Bedingungen des Schuljahres 2021/22 einfach nur fortschreiben.

Bezieht man sicher bevorstehende Veränderungen mit ein – zum Beispiel den Anspruch auf einen Ganztagsplatz oder Inklusion – wächst die Lücke laut GEW bis 2030 bereits auf 12.000 Lehrkräfte an. Das wären rund 15 Prozent des Lehrkörpers. Am größten wäre der erwartete Mangel an Haupt- und Realschulen, so die Autoren der Prognose.

Würde man, wie von der GEW gefordert, die Arbeitsbedingungen für Lehrer und die Lernbedingungen für Schüler verbessern, bräuchte man 23 000 zusätzliche Lehrkräfte. In dieser Version ist eine Absenkung der Pflichtstunden und eine Reduzierung der Klassengrößen mit einberechnet.

Das hessische Kultusministerium widersprach den Prognosen: «Aussagen der GEW, die Landesregierung würde auf den hohen Lehrkräftebedarf nicht reagieren, sind schlicht falsch und Wahlkampfgetöse einer Gewerkschaft», hieß es auf Anfrage. Die Landesregierung steuere seit vielen Jahren mit vielfältigen Maßnahmen gegen. «Alleine im Grundschulbereich wurden in Hessen die Studienplatzkapazitäten seit 2017 um 50 Prozent erweitert, so dass sich hier in den kommenden Jahren nach und nach das Lehrkräfteangebot vergrößern wird.»

Zudem gebe es in Hessen umfangreiche Maßnahmen, um Quereinsteiger für im Haupt- und Realschulbereich zu gewinnen. «Die Maßnahmen der Landesregierung führen beispielsweise im Grundschulbereich dazu, dass ab Mitte der 20er Jahre das Lehrkräfteangebot wieder über dem Lehrkräftebedarf liegen wird», so ein Ministeriumssprecher. Bemerkenswert: Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hatte unlängst mit Blick auf ganz Deutschland einen Lehrkräftemangel für 20 Jahre vorhergesagt. News4teachers / mit Material der dpa

KMK-Kommission sagt 20 Jahre Lehrermangel voraus – sie empfiehlt: Mehrarbeit für Lehrkräfte, Hybridunterricht, größere Klassen

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Lera
1 Jahr zuvor

Bis 2025 sind es noch 18 Monate – zufällig genau so lange dauert auch der Vorbereitungsdienst.

Einfacher Faktencheck:

1. Wie viele Referendare haben in diesem Schuljahr angefangen?

2. Ist diese Zahl größer als die Summe aus bestehender Lücke und Pensionierungen?

Keke
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Hab gehört, dass es wirklich recht viele neue Grundschul LiVs geben würde aber anscheinend wird es mit den Haupt und Realschul LiVs eng und es kommen fast keine nach.

Konfutse
1 Jahr zuvor
Antwortet  Keke

Wer bei Sinnen ist, wird kein Sek1 Lehrer mehr.

Lera
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Es sind nur 15 Monate – war ein langer Tag 😉

Bla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Seiten- und Quereinsteiger. Dazu reduziert man halt weiterhin die Anforderungen. Sooo einfach ist es dann auch nicht. Dazu halt: Wieviele brechen das Ref ab? Das weiß auch keiner.

Alisia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Bla

Meiner persönlichen Erfahrung nach macht es leider fast keinen Unterschied ob einer Lehramt studiert hat oder nicht. Ob die Person gut unterrichten kann hat mit der Ausbildung erschreckend wenig zu tun…

Also ja, an sich sind (gut ausgebildete) Quereinsteiger eine gute Lösung, nur wie man studierte Informatiker dazu bringen will Lehrer zu werden (oder irgendeine hochqualifizierte Person dazu an einer Brennpunktgrundschule gleichzeitig DaZ und Mathe zu unterrichten sowie dabei noch den Erziehungsauftrag der Eltern zu übernehmen) hat mir noch keiner schlüssig erklärt.

PaPo
1 Jahr zuvor

“Die Landesregierung steuere seit vielen Jahren mit vielfältigen Maßnahmen gegen. «Alleine im Grundschulbereich wurden in Hessen die Studienplatzkapazitäten seit 2017 um 50 Prozent erweitert, so dass sich hier in den kommenden Jahren nach und nach das Lehrkräfteangebot vergrößern wird.»”

Der exorbitante Antiintellektualismus der Landesregierung evoziert meinerseits allerlei unangenehme psychische und physische Reaktionen: https://www.youtube.com/watch?v=dlog3Bwd4Rs.
Ein Mehr an Studienplatzkapazitäten resultiert nicht automatisch in einem Mehr an Lehrkräften in den kommenden Jahren. Sollte selbst dem Dümmsten klar sein. Und selbst wenn jeder dieser Studienplätze mit einem Lehramststudenten besetzt würde, bleiben die Probleme der Abbrecherquote (s. https://www.news4teachers.de/2023/07/woher-kommt-der-lehrermangel-fast-die-haelfte-der-lehramtsstudierenden-geht-auf-dem-weg-in-den-beruf-verloren/#comment-531078 – leider nicht nach Schulformen aufgeshclüsselt…), des Ausscheidens im oder nach dem Referendariat und des Umstands, dass (iirc) ca. die Hälfte aller Berufseinsteiger im Lehramt binnen der ersten fünf Jahre hinschmeisst.

Wenn die Erhöhung der Studien- resp. Ausbildungsplatzkapazitäten (etc.) das Panazee aller Personalprobleme wäre, dann dürfte der allg. Fachkräftemangel hierzulande ja bald Geschichte sein: Da bspw. immer mehr Ausbildungsplätze frei werden, weil immer weniger potenziell Auszubildene diese besetzen, wird sich “in den kommenden Jahren” das Angebot an Fachkräften vergrößern. Beeindruckende Argumentationslinie.

“Zudem gebe es in Hessen umfangreiche Maßnahmen, um Quereinsteiger für im Haupt- und Realschulbereich zu gewinnen. «Die Maßnahmen der Landesregierung führen beispielsweise im Grundschulbereich dazu, dass ab Mitte der 20er Jahre das Lehrkräfteangebot wieder über dem Lehrkräftebedarf liegen wird», so ein Ministeriumssprecher. Bemerkenswert: Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hatte unlängst mit Blick auf ganz Deutschland einen Lehrkräftemangel für 20 Jahre vorhergesagt.”

Und die Quereinsteiger auch nicht lang; s.o.
Die GEW liegt hier richtig, an der massiven(!) Verbesserung der Rahmenbedingungen führt kein Weg vorbei… aber wir beobachten ja jetzt allerortens, wie sich die polit. Verantworltichen hierbei winden……… und damit schulische Bildung hierzulande mit Vollgas und irreparabel an die Wand fahren. Der Ofen ist aus, es glimmt nur noch ärmlich vor sich hin. Bis irgendwann mal die Milliarden fließen, ist es zu spät und wir dürfen weit mehr als 20 Jahre lang zusehen, wie wir (so ganz ohne Ressourcen) vom Rest der Welt überholt werden.

GS in SH
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Wenn es schon in 15 Monaten wieder eine Lehrerschwemme im GS-Bereich gibt, sollte man unbedingt vom GS-Studium abraten!

Rainer Zufall
1 Jahr zuvor

Ich stimme der Aussage zu. Viel länger wird der Lehrkräftemangel die Gesellschaft nicht mehr interessieren.
Die KMK hat Schwierigkeiten eingeräumt, (irgendwie) Besserung versprochen und sich sehr viel gelobt.

Jetzt werden sich die Menschen wieder Landtagswahlen, Trump und viel, viel Rassismus zuwenden….

Einer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Wichtiges Stichwort: “interesieren”
Es sind dann nicht weniger Schüler oder mehr Lehrer in der Schule. Es istcdann nur langweilig jede Woche davon zu lesen oder zu hören.

NichtErnstZuNehmen
1 Jahr zuvor

Das HKM nimmt doch schon lange niemand mehr ernst. Völlig abgekoppelt von der Realität, schwurbeln die sich da in Wiesbaden einen zusammen. Wenn’s nicht so bitter wäre…
Wer zur Zeit durch Hessen fährt, sieht überall König Boris mit dem grandiosen Spruch:
Die wichtigste Bank in Hessen ist die Schulbank.
Habe einen Schreikrampf bekommen im Auto, als ich das das erste Mal gesehen habe.
Im Altbau des Gymnasiums hier in Ort sind seit mehr als zehn Jahren die Toiletten gesperrt, weil sie baufällig sind. In den Klassen kommt der Putz von den Wänden und es gibt Klassen, da ist die Tür kaputt. Es ist einfach nur dreist. Und Professor Dr. Lorz aka Smokey Eyes betet seit Jahren rauf und runter, wie genial alles läuft. Soviel kann ich gar nicht essen, wie ich da k…. will.

Bernd
1 Jahr zuvor

Das HKM hat aber mit den Zuständen in der genannten Schule nichts zu tun, zuständig ist der Schulträger und damit die Stadt.

Ansonsten gibt es generell genug Kritik an den diversen Kultusministerien.

NichtErnstZuNehmen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Bernd

Wenn schon der Kreis Bernd. Um auf deinem Niveau zu bleiben.
Und da hat die CDU auch die Mehrheit.
Dass das in Deutschland getrennt ist, ist mMn mit Schuld an der Misere.

Bernd
1 Jahr zuvor

Kreis und Stadt ist im Endeffekt dasselbe. Und ob CDU, SPD, sonstwer die Mehrheit hat, spielt auf kommunaler Ebene ebenso kaum eine Rolle, weil fast alle Kommunen, Städte, Kreise im Haushaltssicherungsverfahren oder kurz davor sind.

Woher kennen Sie eigentlich mein Niveau?

NichtErnstZuNehmen
11 Monate zuvor
Antwortet  Bernd

Naja dann lassen wir die Schulen halt verrotten. Geht ja nicht anders. Kann man nix machen.

Dein Niveau ist eben unter dem Türspalt durchgekrochen, da hab ich es kurz gesehen.

Mika
1 Jahr zuvor

„Wahlkampfgetöse einer Gewerkschaft“?
Kann denen mal einer Nachhilfe in politischer Bildung geben? Oder kann man in Hesse neuerdings Gewerkschaften in die Landesregierung wählen? Man, man, man…
Ansonsten, in Bezug auf die Aussage, in zwei Jahren gibts in Hesse sogar Grundschullehrerüberschuss (ausgebildet oder einfach von der Straße vor die Tafel?), halte ich es (man glaubt es kaum) hier mit PaPo:
Ahahahahahahahahahahahahahahaaaaaaa, Ahahahahahahahahahahahahahahaaaaaaa, Ahahahahahahahahahahahahahahaaaaaaa…..

Integrado
1 Jahr zuvor

Die Diskrepanz zwischen Bildungsgewerkschaft und Kultusministerium bezüglich des Lehrermangels in Hessen illustriert, wie divergent Wahrnehmungen in Bildungsdebatten sein können. Es ist, als würden verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Hörgeräten die Debatte verfolgen, wobei die feinen Nuancen der Argumente im Ohr verloren gehen. Die vitalen Fragen rund um Lehrermangel und Bildungspolitik verdienen mehr als nur oberflächliche Betrachtungen und vorübergehende Lösungen. Wir müssen über den Horizont hinausschauen und innovative, nachhaltige Ansätze entwickeln, die nicht nur den Status quo herausfordern, sondern auch den zukünftigen Anforderungen gerecht werden. Dazu gehört eine offene, konstruktive Kommunikation zwischen allen Beteiligten und die Bereitschaft, voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.

Realist
1 Jahr zuvor

2025: Hessisches Kultusministerium verteidigt sich: “Den aktuellen Lehrkräftemangel haben wir nicht voraussehen können. Die Berechnungen unserer Ministerialbeamten und anderer wissenschaftlicher Experten haben eindeutig vorausgesagt, dass wir in 2025 sogar einen Lehrkräfteüberschuss haben. Die aktuelle Situation ist für uns vollkommen überraschend: Keiner hätte noch vor zwei Jahren voraussehen können, dass die Migrationszahlen nicht stark zurückgehen und die Geburtenraten nicht deutlich sinken werden. Wir werden leider nicht vermeiden können, die Unterrichtsverpflichtung unserer Lehrkräfte temporär für wenige Jahre (Fußnote: bis 2035) um zwei Übergriffsstunden zu erhöhen. Diese geringfügige Mehrarbeit sollte jede Lehrkraft im Interesse der Kinder gerne auf sich nehmen wollen. Wir werden die Lehrkräfte weiterhin zusätzlich an anderer Stelle entlasten, so ist unter anderem geplant, Stellen aus dem Lehrkräftepool auch in den nächsten Jahren zugunsten multiprofessioneller Teams umzuschichten, damit sich die Lehrkräfte voll auf ihre Unterrichtstätigkeit konzentrieren können. Hessen wird auch weiterhin ein äußert attraktiver Arbeitgeber für Lehkräfte mit und ohne Hochschulabschluss sowie Quereinsteigende aus anderen Studien- und Ausbildungsrichtungen sein.”

Lessi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

So wird`s passieren.