BERLIN. Unionsgeführte Bundesländer haben zuletzt Genderverbote in Schulen mit viel politischem Getöse erlassen – offensichtlich im Bemühen, der AfD eines ihrer Kulturkampf-Themen abzunehmen. Berlins Regierender Bürgermeister schert allerdings aus.
In Sachsen und Thüringen werden am 1. September neue Landtage gewählt, Brandenburg folgt am 22. September. Erst vor zwei Wochen hatte Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) für die Schulen des Freistaats angekündigt: In schriftlichen Arbeiten wird die Verwendung von Genderstern, Binnen-I, Unterstrich, Doppelpunkt oder anderem nicht nur als Fehler markiert, «sondern auch in die Benotung einbezogen» – offensichtlich im Bemühen, vor der Wahl bei der rechtspopulistischen Wählerklientel zu punkten. Zuletzt hatten Hessen und Bayern mit Genderverboten für Schlagzeilen gesorgt.
Die Hauptstadt geht einen anderen Weg, wie Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) bereits im März versicherte. Es sei richtig, dass er selbst Gendersprache nicht verwende, sagte Wegner seinerzeit. «Aber ich erwarte von allen Berlinerinnen und Berlinern auch eine gewisse Toleranz. Toleranz für die Menschen, die nicht gendern wollen, genauso wie Toleranz für die Menschen, die gendern möchten.» Und genauso handhabe es der Senat. «Jede Senatsverwaltung kann frei entscheiden. Das ist der Weg, den wir gehen. Völlig offen, genau, wie Berlin eben so ist.»
So offen mag sich Wegner im Vorfeld der Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern nun offenbar nicht mehr gegen die eigenen Parteifreunde stellen – bleibt aber (verklausuliert) auf Distanz. Ein ausdrückliches Verbot von Genderschreibweisen wie in Bayern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein sei zwar in Berlin nicht vorgesehen, so heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hin. Es sei aber auch nicht nötig. „Es gibt keine diesbezüglichen Planungen, da in Berlin weiterhin gilt, dass das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung auf der Basis des Berliner Rahmenlehrplans für das Fach Deutsch zu unterrichten ist.“
Diese Antwort geht allerdings am Thema vorbei, denn ein ausdrückliches Verbot von Gender-Schreibweisen in Schulen und Hochschulen wäre dann in keinem Bundesland nötig. Die Kultusministerkonferenz hatte noch im Juli in einer Mitteilung darauf hingewiesen, dass Wörter mit Gender-Sternchen «weiterhin» nicht zur amtlichen deutschen Rechtschreibung gehören. Das sei auch im neuen amtlichen Regelwerk der Rechtschreibung, die der Rat für deutsche Rechtschreibung unlängst herausgab und die die Kultusministerinnen und Kultusminister absegneten, so enthalten.
«Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie», heißt es lapidar in dem Beschluss. In den Schulen soll die Neufassung des amtlichen Regelwerks nach KMK-Angaben spätestens zum Schuljahr 2027/28 verbindlich umgesetzt werden – was das für das Gendern bedeutet, ist allerdings offen.
Der Rat selbst betont in seinen Erläuterungen, dass die Schule zwar der Ort der Vermittlung der orthografischen Normen sei. Vorgaben für die schulische Bewertung seien aber nicht die Aufgaben des Rates. Derzeit handhaben die Bundesländer den Umgang mit Sonderzeichen mit Geschlechterbezug sehr unterschiedlich – das SPD-geführte Bremen beispielsweise befürwortet die Möglichkeit des Einsatzes des Doppelpunktes im Wortinneren als Ausdruck geschlechtergerechter Schreibung ausdrücklich.
In Schleswig-Holstein oder Hessen sind dagegen Abzüge bei der Notengebung beim Verwenden von Sonderzeichen im Wortinneren als Ausdruck geschlechtergerechter Schreibung laut Philologenverband möglich. In Bayern und Rheinland-Pfalz seien Sonderzeichen zwar nicht erwünscht, hätten aber in der Praxis der Notengebung keine Konsequenzen. Das ist offensichtlich auch die Linie, die Berlin nun fährt: „Es ist geplant, dass die Umsetzung des KMK-Beschlusses zum Schuljahr 2026/2027 den Lehrkräften in geeigneter Weise (z. B. Fachbrief) kommuniziert wird.“
Ein ausdrückliches Verbot, gar mit Sanktionsandrohungen versehen, sähe anders aus. News4teachers / mit Material der dpa
Kulturkampf: Die CDU bricht Streit ums Gendern vom Zaun – als gäbe es keine anderen Probleme im Land
Man kann diese Entscheidung auch als mutlos bezeichnen, Wegner möchte sich nicht festlegen und schiebt den eventuellen schwarzen Peter in die nächst niedrigere Instanz.
Oder er wartet ab, weil bis 2026/27 drängendere Probleme anstehen als Sprachpolizei zu spielen 😉
Wie? Muss er sich dann einen neuen Job suchen? Ja, in der Tat. Das ist definitiv sein Problem.
Unterschätzen Sie bitte nicht die dramatischen Auswirkungen der Genderschriftweisen auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands. Die Sprachpolizei wird es schließlich schon richten (Smile mit zwinkerndem Auge ).
Mutlos? Wohl eher Kalkül. Mit Gendern oder Genderverbot kann man bei der nächsten Wahl keinen Blumentopf gewinnen sondern wohl eher Wählergruppen verlieren.
Unsere Gesellschaft hat ernstere Probleme, die zwingend angegangen werden müssen
Ich bleibe bei mutlos, weil er sich nicht festlegen möchte. Menschen wollen eine Partei für ihr Profil wählen, Fähnchen im Wind halte ich da für wenig konkret.
Bei den ernsteren Problemen gebe ich Ihnen recht, das Gendern wird halt immer wieder als Ablenkungsmanöver eingestreut. Die enorme Produktivität der Menschheit in der “westlichen Welt” machte es überhaupt erst möglich, dass für Gendern zeitliche und monetäre Ressourcen locker gemacht werden konnten. In wirtschaftlich schwierigen oder kriegerischen Zeiten gibt es wichtigere Dinge. Darunter leiden wir aktuell.
Gender halte ich für keine Nebensächlichkeit, sondern für eine brandgefährliche Ideologie – vor allem für Frauen und Kinder. Deswegen bedaure ich auch, dass dafür zeitliche und monetäre Ressourcen locker gemacht wurden und werden.
Sehe ich auch so. Nur muss es lange Zeit den Menschen sehr gut gehen, damit sie auf solche dummen Gedanken kommen.
Wer glaubt denn noch der CDU Berlin? Was hatte die noch mal vor den letzten Wahlen den nicht verbeamteten Lehrern versprochen? Kleeblatt???
Eben. Keiner glaubt mehr der CDU. Von diesem vollmundigen Wahlversprechen ist nichts, aber auch gar nichts mehr zu hören!
Ich kann nur für Sachsen sprechen. Ich halte das Genderverbot und den unbedingten Hinweis, dass man Fall X mit schlechteren Noten rechnen müsse für lächerlich und erbärmlich. Hier hat die CDU nichtmal den Mumm zuzugeben, dass es sich um eine politische Entscheidung handelt,um die stockkonservativen Wähler vor dem 1.September zu beruhigen. Nein, hier versteckt man sich hinter Entscheidungen des Rechtschreiberates. Im Sinne von: Man könne ja nicht anders.
Dieser unselige Rechtschreibrat, der uns alle paar Jahre in ein neues Chaos stürzt, hat Gendersternchen noch nicht erlaubt, somit sind sie nicht korrekt, also falsch. Fertig.
Mit dieser Begründung sind diese Schreibweisen u.a.auch in Baden Württemberg im Schriftverkehr von Landesbehörden untersagt.
Bloß,dass die Genderfrage in rechtspopulistischen Kreisen ausnahmslos ideologisch diskutiert wird. Von Leuten die keinerlei Ahnung haben, trotzdem aber Sprachpolizei spielen wollen.
Diese unseelige Diskussion um Schreibweisen.
Da gibt es nur eins, gute Musik :https://www.youtube.com/watch?v=CGj85pVzRJs
Die ganze Diskussion wäre völlig unnötig, ebenso die vielen Bürgerbegehren (warum werden die im Artikel nicht erwähnt?), wenn Verwaltungen und Schulleitungen normales Deutsch schreiben würden. Aber z.B. an unserer Schule wimmelt es von *innen und :innen in offiziellen Texten der Schulleitung, obwohl es die rheinland-pfälzische Regierung verboten hat.
Wir müssen wahrscheinlich froh sein, wenn es überhaupt noch Deutsch ist. Wie macht man eigentlich Gendersternchen in Englisch???
Wir könnten auch auf Türkisch umsteigen. Das Türkische hat keine Geschlechter, ist also progressiv.
@Autobahnabfahrt
Hier kurz ein Ausschnitt aus einer Englischstunde für die 5. Klasse:
Der/Die/Das (Genus aka. Geschlecht) = The (Geschlechtsneutral)
Der Schüler = The Student
Die Schülerin = The Student
Jetzt wird’s aber etwas komplexer also bitte aufpassen: Wenn ich nicht weiß, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist kann ich folgende Formulierung verwenden.
Der Schüler/Die Schülerin (hier könnte man alternativ das Gendersternchen verwenden) kam zu spät zum Unterricht. Er/Sie hat sich entschuldigt.
übersetzt
The student was late to class. They apologized.
Wie Sie sehen können, kann man die 3. Person Plural verwenden um geschlechtsneutral zu sprechen. Wenn man dies noch mit dem Artikel “the” kombiniert, hat man alle notwendigen Grundlagen um geschlechtsneutral zu Sprechen.
Leider ist dies momentan im Deutschen nicht möglich. Daher braucht man eventuell neue grammatikalische Elemente oder Sonderzeichen um diese Lücke der deutschen Sprache zu füllen.
Falls Sie weitere Fragen haben, melden Sie sich gerne bei Ihren Kolleg*innen in der Mittelstufe.
Sie kommen zwar ein wenig von oben herab daher, aber so richtig beantwortet haben Sie die Frage gar nicht: Wie gendert man im Englischen? Darf man ihnen glauben, dann gendert man im Englischen ja eben nicht. Genau, das ist mein Punkt.
“Lehrer” und “Lehrerin” sind im Englischen = “teacher”. Das hat mir eben Google verraten. “teacher/in” oder Vergleichbares gibt es laut Google nicht. Also kein Gendern!
Mit der nächsten Aussage irren Sie fatal. Die 3. Person Plural kann man genauso gut im Deutschen verwenden, um geschlechtsneutral zu sprechen. Wussten Sie das noch nicht? Fragen Sie mal die Deutschlehrer/innen der Grundstufe bei Ihnen. Hier:
Die Regierung hat das bestimmt. Die machen, was sie wollen. (Geschlecht? Nein, Plural als “unbestimmtes Geschlecht”. Geht auch auf Deutsch, oh Wunder, Schwestersprachen eben.)
Informieren Sie sich!
“Normales” Deutsch ist eine politische Frage. Scheinbar vertreten die Schulleitungen eine zumindest teilweise andere politische Position als die Landesregierung. Und bis der Dienstherr nicht anfängt das Missachten des Verbots zu disziplinieren, wäre es unsinnig die eigene politische Überzeugung nicht auszuleben.