Die SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag kritisiert die starken regionalen Unterschiede bei der Abiturientenquote der Schülerinnen und Schüler. Sie ist in Flensburg mit 71,3 Prozent am höchsten, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der SPD-Fraktion hervorgeht. In Neumünster liegt sie bei 68,6 Prozent, in Kiel bei 57,2 Prozent. Dagegen stehen etwa der Kreis Steinburg mit 34,1 Prozent oder der Kreis Dithmarschen mit 31,3 Prozent. Im Kreis Schleswig-Flensburg machen nur 25,2 Prozent eines Schülerjahrgangs Abitur. Der landesweite Durchschnitt beträgt 40,2 Prozent.
Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es angesichts der Zahlen mit der Bildungsgerechtigkeit innerhalb Schleswig-Holsteins nicht weit her. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in den kreisfreien Städten deutlich mehr Schulen mit Oberstufen vorhanden sind, an denen auch Schülerinnen und Schüler aus dem Umland ihre Hochschulreife erwerben.
«Bildungschancen dürfen nicht vom Wohnort abhängig sein.»
Es sei nicht anzunehmen, dass Schüler in der Stadt grundsätzlich klüger seien als auf dem Land. «Was sich unterscheidet, ist die Erreichbarkeit der nächsten Schule mit Oberstufe», so der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. «Bildungschancen dürfen nicht vom Wohnort abhängig sein.» Ob ein Schüler in Kiel wohnt oder in einer Gemeinde mit 1.000 Einwohnern dürfe nicht über den Bildungsabschluss entscheiden.
Die Landesregierung wies in ihrer Antwort auf die Anfrage darauf hin, dass die Abiturquote für Schleswig-Holstein im bundesweiten Mittelfeld liege. News4teachers / mit Material der dpa
Abitur: Warum scheiden Schüler aus einem Bundesland immer am schlechtesten ab?
“Es sei nicht anzunehmen, dass Schüler in der Stadt grundsätzlich klüger seien als auf dem Land.”
In dieser Plattheit nicht. Allerdings ist anzunehmen, dass aufstiegsorientierte, geistig flexible Menschen häufiger in die Stadt ziehen, weil sie dort ein reichhaltigeres kulturelles Leben und bessere Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Nachwuchs.
Es gibt mehr Akademikerjobs in der Stadt, somit auch mehr Akademiker.
Wer irgendwo auf dem Dorf wohnt und vielleicht 45 min mit dem Bus fahren muss (wenn überhaupt einer fährt), um zur nächsten Schule mit Oberstufe zu gelangen, der überlegt sich das vielleicht noch mal.
Und wer im Umland von Flensburg, Kiel und Neumünster wohnt (alle Städte sind gut an den ÖPNV angebunden), der versucht, dort auf ein Gymnasium zu gehen, statt auf das nächste ländliche Gymnasium (schlechtere Anbindung, begrenzteres Angebot).
Ich finde nicht, dass das mit Ungerechtigkeit zu tun hat.
Und wenn es einem als Elternteil so wichtig ist, dass das Kind z.B. in Flensburg auf eine ganz bestimmte Schule geht, dann zieht man vielleicht nicht raus aufs Land.
“Was sich unterscheidet, ist die Erreichbarkeit der nächsten Schule mit Oberstufe», so der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. «Bildungschancen dürfen nicht vom Wohnort abhängig sein.»”
Was wäre denn dann die Konsequenz für Herrn Habersaat?
Wenn Erreichbarkeit (und angebotene Kurse) der wesentliche Punkt sind, und Menschen nunmal auf dem Land leben, soll dann jedes Dorf eine Schule mit Oberstufe bekommen? Natürlich mit attraktivem Kursangebot, möglichem Leistungskurs in allen Fächern, vielen Fremdsprachen usw?
Oder muss der ÖPNV massiv gestärkt werden, um jedes Kind aus jedem Dorf zeitnah vor Schulbeginn abzuholen?
Ich lebe im besagten Bundesland. Kleinere Städte und große Dörfer haben Gymnasien. Oft sehr große mit ca. 1000 Schülern. Mit dem ÖPNV fahren nur die Ortseinwohner, für die anderen gibt es Schulbusse. Letztere sind im Gegensatz zu ersteren gratis.
Der Bildungsabschluss sollte nicht mit dem Abitur erreicht sein, sondern das ist erst der Beginn – wie auch jeder andere allgemeinbildende Abschluss. Und es geht auch nicht nur um die Erreichbarkeit einer Oberstufe, sondern auch darum, was man mit dem Abitur danach anfangen will. Da liegt ein Studium für die “Landbevölkerung” sicher etwas ferner oder man macht eher mal erst eine Ausbildung, bevor man sich für den weiteren Karriereweg, der durchaus auch ein Studium sein kann, entscheidet. Es wäre also schön, wenn man sich das Gesamtbild anschaut und nicht nur Abitur oder kein Abitur als ersten Bildungsabschluss als einziges Kriterium bewertet. Unser Bildungssystem bietet soviel mehr Möglichkeiten …
Meine Erfahrungen sind zugegebenermaßen etwas angejahrt. In meinem kleinen Wohnort (unter 1.000 Einwohner) besuchten in diesem Jahrtausend die meisten Kinder das Gymnasium, was früher anders war. In anderen ländlichen Gebieten aber hatte ich manchmal den Eindruck, dass eher die Realschulen das Auffangbecken für Kinder mit massiven Problemen waren als jene Hauptschulen, auf denen Bauernkinder und Handwerkerkinder landeten, die zwar helle waren, aber einfach keinen Sinn darin sahen, für die Schule zu lernen, wo sie doch viel lieber Papa im Betrieb helfen wollten. Manches erinnerte mich an meine Kindheit. Alle Töchter auf dem Gymnasium, aber mancher Sohn und auserkorene Nachfolger wurde (nicht selten sogar wunschgemäß) an der Hauptschule angemeldet. Manchmal hieß es sogar “Sonst will er an Ende noch studieren und nicht den Hof übernehmen.”
Dort, wo viele Kinder – vor allem Jungen! – im ländlichen Raum auf die Hauptschule gehen, wird deren Ruf und das Ansehen der Schüler nicht so übel sein wie anderswo. Vielleicht sollte mal hingeschaut werden, welche Berufsausbildungen die Hauptschüler im ländlichen Raum absolvieren und inwieweit (mehrere) Schulwechsel ihren Lebenslauf beinflusst haben. Vom Gymnasium zur Realschule und von diesem zur Hauptschule. Dann aber ohne Nachhilfe oder Druck der Eltern die Wende und das Abi und oder ein Fachhochschulstudium geschafft… Imteressant wären auch Daten zu m/w/d.
Auch schon länger her, aber ich kann es bestätigen: Realschule war durchaus eine Option für die Schüler. Und heute gute Gesamtschulen. Sie haben kein Studium im Blick, sondern den elterlichen Hof.
Schon einige Male habe ich gestaunt, wie gut der Unterricht an manchen ländlichen Hauptschulen ablief. Da gab es zwar auch muslimische Kinder, aber keine Diskussionen vonwegen “Der hat Hure zu meiner Mutter gesagt” – was sooo sowieso nicht stimmte, aber den Unterricht beeinträchtigte.
Alle Bauernkinder, die ich kenne, studierten. Oft Landwirtschaft.