Umfrage unter Schullleitungen zeigt leichte Entspannung beim Lehrkräftemangel – trotzdem…

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DÜSSELDORF. Experten rechnen noch auf Jahre mit einem Personalmangel an Schulen. Eine Umfrage unter Schulleitungen zeigt hier aber erste Lichtblicke.
Auch die Berufszufriedenheit der Befragten steigt demnach wieder leicht an. Dass trotzdem der Anteil der Schulleiterinnen und Schulleiter, die ihren Beruf weiterempfehlen würden, drastisch zurückgegangen ist, wertet der VBE aber als Alarmzeichen.

“Kein Fortschritt bei den Zukunftsthemen”: Viele Schulleitungen fühlen sich von der Politik alleingelassen. (Symbolbild) Foto: Shutterstock

Beim Lehrkräftemangel deutet sich einer Umfrage zufolge eine gewisse Entspannung an. Weniger Schulleiterinnen und Schulleiter melden demnach unbesetzte Stellen, wie eine Forsa-Umfrage für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) aus Anlass des Deutschen Schulleitungskongresses, der aktuell in Düsseldorf stattfindet, ergab. So sagten 45 Prozent der Befragten, dass mindestens eine der eigentlich zur Verfügung stehenden Lehrkräftestellen an der Schule zum Beginn des laufenden Schuljahres nicht besetzt war – im Vorjahr sagten das noch 50 und im Jahr davor 57 Prozent.

Besonders gesunken ist der Umfrage zufolge der Anteil der Schulleitungen, die angaben, drei oder mehr unbesetzte Stellen zu haben. 2022 lag er noch bei 22, in der aktuellen Befragung bei 15 Prozent. Auch das Empfinden, zukünftig sehr stark vom Lehrkräftemangel betroffen zu sein, ist von 43 auf 31 Prozent deutlich gesunken.

Der stellvertretende VBE-Vorsitzende Tomi Neckov nannte es positiv, dass sich tendenziell eine Entspannung beim Lehrkräftemangel zeige. Er warnte aber auch vor einer Scheinlösung des Problems. So gaben etwa zwei Drittel der Schulleitungen (68 Prozent) an, dass an ihrer Schule zurzeit mindestens eine Lehrkraft arbeitet, die vorher keine klassische Lehramtsausbildung gemacht hat – das ist fast eine Verdopplung seit 2018. «Was das auf lange Sicht für die pädagogische Qualität von Unterricht bedeutet, ist noch nicht klar», sagte Neckov. Es müsse am Weg festgehalten werden, mehr Menschen für das Lehramtsstudium zu gewinnen und Seiteneinsteiger nachzuqualifizieren.

“Wir sehen, dass die Motivation der Schulleitungen steigt, der Trend zeigt nach oben. Der Corona-Knick ist überwunden”

Gleichwohl wird am häufigsten von den Schulleitungen erneut der Lehrkräftemangel als das größte Problem an der Schule angesehen (61 Prozent). Mit etwas Abstand folgen Probleme mit Inklusion und Integration, die von einem Drittel (31 Prozent) der Schulleitungen genannt werden. Jede vierte Schulleitung (24 Prozent) sieht Probleme mit dem Gebäude und den Räumlichkeiten als eines der zurzeit größten Probleme an ihrer Schule an. Die hohe Arbeitsbelastung bzw. der Zeitmangel werden von 18 Prozent genannt.

Von großen Problemen mit den Eltern der Schülerinnen und Schüler berichten 18 Prozent, von Problemen mit dem Verhalten der Schülerinnen und Schüler 13 Prozent und von konkreten Verhaltensauffälligkeiten der Schüler/-innen 8 Prozent. Dass derzeit eines der größten Probleme der Schule im Bereich Bürokratie und Verwaltung liegt, geben 14 Prozent der Schulleitungen an. Ähnlich viele Nennungen entfallen auf die Bereiche Bildungspolitik und Behörden (13 Prozent), Digitalisierung und Ausstattung (13 Prozent) sowie Finanzen (10 Prozent).

Mit aktuell 68 Prozent liegt der Anteil der Schulleitungen, die ihre beruflichen Aufgaben immer oder häufig zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können, etwas höher als in den Jahren 2021 bis 2023, allerdings unter dem Wert von vor der Corona-Pandemie. Etwa ein Drittel (32 Prozent) gibt derzeit an, dass sie ihre beruflichen Aufgaben als Schulleitung nur gelegentlich oder nie zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können. Überdurchschnitt oft geben die Schulleiter/-innen an Gymnasien an, ihre beruflichen Aufgaben als Schulleitung zumindest häufig zu ihrer Zufriedenheit erfüllen zu können.

«Wir sehen, dass die Motivation der Schulleitungen steigt, der Trend zeigt nach oben. Der Corona-Knick ist überwunden. Trotzdem würde die Hälfte der Schulleitungen ihren Beruf nicht weiterempfehlen. Das muss ein Alarmzeichen für die Politik sein», sagt VBE-Vize Neckov.

Hintergrund: Der Anteil der Schulleiterinnen und Schulleiter, die den Beruf der Schulleitung auf jeden Fall oder wahrscheinlich weiterempfehlen würden, ist von über zwei Dritteln in den Jahren 2018 und 2019 auf nur noch etwa jeden Zweiten zurückgegangen. Seit 2021 hat sich an diesem Niveau kaum mehr etwas geändert. Auch aktuell würden nur 11 Prozent ihren Beruf auf jeden Fall und 40 Prozent wahrscheinlich weiterempfehlen. Ähnlich viele würden ihren Beruf derzeit wahrscheinlich nicht (40 Prozent) bzw. auf keinen Fall (7 Prozent) weiterempfehlen.

Neckov verweist darauf, dass für die Schulleitungen vor allem (sehr) stark belastend sei, dass die Verwaltungsarbeiten steigen (95 Prozent), das stetig steigende Aufgabenspektrum (94 Prozent) und die Anspruchshaltung, dass Schule alle Probleme lösen soll (92 Prozent). Zudem empfinden es 92 Prozent der Schulleitung als (sehr) starke Belastung, dass Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. «Das Grundparadoxon im Bildungssystem ist, dass jene, die am weitesten von der Schule vor Ort entfernt sind, die Entscheidungen treffen, welche für diese die größten Auswirkungen haben. Ohne die angemessenen Rahmenbedingungen sollen Inklusion und Integration, Ganztag und Digitalisierung umgesetzt werden. Unsere Zahlen zeigen aber unmissverständlich, dass es keinen Fortschritt bei den Zukunftsthemen gibt. Das können wir uns nicht leisten», so Neckov.

“Es braucht die Unterstützung aus dem Bund. Aber darauf werden wir wohl noch länger warten müssen”

Gefragt nach der digitalen Ausstattung an ihrer Schule, geben wie schon im Vorjahr zehn Prozent der Schulleitungen an, keinen einzigen Klassensatz an digitalen Endgeräten zur Verfügung zu haben. Neckov kritisiert, dass nach Auslaufen des Digitalpakts keine Anschlussfinanzierung bereitgestellt wurde: «Es ist unverantwortlich, die Schulleitungen so hängen zu lassen. Viele Kommunen haben kein Geld, um die Digitalisierung auf eigene Rechnung voranzutreiben. Es braucht die Unterstützung aus dem Bund. Aber darauf werden wir wohl noch länger warten müssen.»

Auch der Ausbau der Ganztagsbetreuung kommt nicht voran. Genau wie im letzten Jahr geben ein Drittel der Grundschulleitungen an, dass kein dem Rechtsanspruch entsprechendes Angebot ab dem Schuljahr 2026/27 sichergestellt werden kann. Es fehlt vor allem an Fachkräften, aber auch an Räumen. Zudem hindern die Bürokratie und fehlende finanzielle Mittel.

Danach gefragt, wie hilfreich bestimmte Verbesserungen wären, um die Aufgaben als Schulleitung noch besser erfüllen zu können, nennen fast alle Schulleitungen, dass mehr Anrechnungsstunden zur Erfüllung besonderer Aufgaben (97 Prozent), eine Erhöhung der Leitungszeiten bei allen Schulen (93 Prozent) und eine bessere personelle Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften («multiprofessionelle Teams») (93 Prozent) (sehr) hilfreich wären.

Darüber hinaus würde die große Mehrheit der Schulleitungen eine Budgeterhöhung (87 Prozent), eine bessere personelle Ausstattung mit nicht-pädagogischen Fachkräften (z. B. Schulsekretäre bzw. -sekretärinnen, Hausmeister etc.) (87 Prozent), mehr Gestaltungsspielraum in ihrer Leitungsposition (87 Prozent), die Einrichtung bzw. Beibehaltung der erweiterten Schulleitung in allen Schulformen (86 Prozent), eine gesicherte Stellvertreter-Regelung in allen Schulen (84 Prozent) sowie eine Schulverwaltungsassistenz (84 Prozent) als (sehr) hilfreich ansehen. Mehrheitlich halten die Schulleitungen zudem auch die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle (59 Prozent), Jobsharing auf Leitungsstellen bzw. die Ermöglichung eines Schulleitungsteams (54 Prozent) sowie den Ausbau von Fort- und Weiterbildungsangeboten (53 Prozent) für (sehr) hilfreich, um ihre Aufgaben als Schulleitung noch besser erfüllen zu können.

Für die Umfrage wurden 1.311 Schulleitungen vom 11. September bis 9. Oktober in Deutschland befragt. Die Fehlertoleranz gab Forsa mit +/- 3 Prozentpunkten an. News4teachers / mit Material der dpa

„Ich würde mir noch größere Autonomie wünschen”: Zum Deutschen Schulleitungskongress – ein Interview mit einer Schulleiterin

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Walter Hasenbrot
29 Tage zuvor

2026 wird man in NRW sehen, dass man auf Sand gebaut hat, wennmiteinem Schlag alle Lehrkräfte mit Vorgriffsstellen an ihre Stammschulen zurückkehren, weil sie wegen G9 dann dringend an den Gymnasien gebraucht werden.

Dann werden an Grundschulen wieder sehr viele Stellen nicht besetzt werden können.

Palim
29 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

So, wie es in NDS auch war.

Realist
29 Tage zuvor

Wer als Schulleitung den allgegenwärtigen Mangel nicht “gelassen” hinnimmt, ist doch entweder schon im Burnout oder in der Klappsmühle gelandet…

Rainer Zufall
29 Tage zuvor
Antwortet  Realist

Man muss nicht verrückt sein, um Schulleitung an einer Deutschen Schule zu sein.
Aber es hilft

Fräulein Rottenmeier
29 Tage zuvor
Antwortet  Realist

„Burnout ist was für Anfänger, ich habe bereits Fuckoff“…..eine von vielen Postkarten, die in meinem Büro hängen und zum Amusement meiner Kolleginnen oder wahlweise auch Eltern beitragen….
Schön ist auch die Postkarte (geschenkt von meiner Schwiegermutter) die gut sichtbar hinter mir hängt „Lächle, du kannst sie nicht alle töten“….da bekommt mein freundliches Lächeln manchmal einen ganz andere Bedeutung ….*pfeiff*

Mika
29 Tage zuvor

Lächle und umarme Deinen Feind, so dass er sich nicht mehr bewegen kann… 😉

Fräulein Rottenmeier
29 Tage zuvor
Antwortet  Mika

Ach, das mit dem Umarmen ist nicht ganz so mein Ding….ich kriege gerade Kopfkino….*grusel*

AlterHase
29 Tage zuvor

“Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.”
Und ich lächelte und war froh. Und es kam schlimmer.

Caro
29 Tage zuvor

Mein klarer Favorit ist:

“Würde ich mich allen Ärschen anpassen wollen, wäre ich ein Sitzsack geworden!”

Fräulein Rottenmeier
29 Tage zuvor
Antwortet  Caro

Der Spruch ist super….den würde ich mir noch dazuhängen….

Mary-Ellen
28 Tage zuvor

“Schuld abladen verboten” –
wird auch gern genommen..

RSDWeng
22 Tage zuvor
Antwortet  Caro

Ergänzung: Man sollte sich die Gelassenheit eines Stuhls aneignen: Er muss mit jedem Arsch zurechtkommen.

Madita
29 Tage zuvor

in NRW kündigen schon viele Lehrkräfte oder werden weggelockt.
Schmales Gehalt, hohe Arbeitszeiten, alles in Präsenz
verkommen im Jahr 1997 😀

ändert doch mal was

gehtsnoch
29 Tage zuvor
Antwortet  Madita

Was darf ich mir unter “viele” in welchem Zeitraum vorstellen, wenn im Jahr 2023 dann 930 Lehrkräfte in NRW – davon 320 Beamte – von etwa 185.200 (jede 200.) ihren Job aufgegeben haben?

Rainer Zufall
29 Tage zuvor

Besserung ja, aber das ist auf dem Papier und für uns Normalsterbliche nicht nachempfindbar!

Unser Schulschläger verdrischt nur noch 45% der Kinder! Letztes Jahr waren es noch 50% und davor noch mehr 😀

Ja, ich weiß: Vergleiche sind neben Musik die niedrigste Form der Kommunikation, aber die Nachricht hätte lauten sollen: “Wir sind noch mittendrin, aber unser Kurs steht – die Zahlen belegen es!”